Urlaubsfetzen Gegen zehn bemerkten wir, wie hell es noch war und staunten und lachten und fühlten uns gut. Um elf bewunderten wir den noch immer hellen Lichtstreif am nördlichen Horizont, ein Gefühl niemals endender Tage überkam uns und wir fühlten uns noch besser. In der Nacht träumte ich von diesem einen Abend, dieser einen Nacht am Strand, zwei beste Freunde ersäuften Melancholie in billigem Bier und billigem Whisky und jeder versenkte seine große Liebe in den rauschenden Wellen der Ostsee, am Horizont ein leuchtender Streifen, erwartete Hoffnung und am Morgen ein ernüchterndes Bad in den verstreuten Wrackteilen der letzten Nacht. Die Großstadt erleichtert mein liebstes Hobby ungemein, hunderte, vielleicht auch tausende, Menschen laufen mir täglich über den Weg, ich kann sie beobachten, analysieren, mir zu jedem einzelnen eine Geschichte zusammen reimen, dabei das eigene Leben reflektieren, vergleichen oder einfach nur genießen. Auf dem weiten Land bleibt nur der Weg durch das angrenzende Feld, zwischen satten Wiesen, wunderbar gelb blühenden Rapsfeldern und einem rauschenden Windpark. Hier herrscht Einsamkeit, die Menschen verstecken sich hinter einer rot geklinkerten Idylle, Schicksale bleiben hinter den stummen Mauern verborgen, es gibt nicht einmal Bürgersteige, kaum jemand lässt sich blicken und die interessanten Geschichten hört man nur aus zweiter oder dritter Hand. Der Hund streift durch die Wiesen, findet eine Spur, vielleicht von einem Reh oder einem Hasen, rennt vor und zurück, lacht, denke ich, hat endlich Platz, in dieser Einöde und meine Blicke schweifen in Richtung Horizont, es gibt keine störenden Wohnburgen, die den Blick versperren, nur ein paar Bäume, die sich im Wind wiegen und riesige Wolkenberge, die entfernt am Himmel auf unsichtbaren Straßen ziehen. Ich kann sie verstehen, die ollen Romantiker, die einen solchen Anblick in einem bombastischen Wortkleid präsentieren können, so dass man die frische Luft beim bloßen aneinanderreihen der Worte förmlich riechen kann. Urlaub. Der Rechner stand oben in der Ecke, in einem winzig kleinen Arbeitszimmer und lächelte mich schon am ersten Tag an. Ein Blick in das Postfach reichte, shut down den ganzen Mist, für ein paar Tage, dass musste jetzt mal sein. Der billigste MP3-Player der Welt hatte seinen Geist aufgegeben, ich hatte es von Anfang an gewusst, "Her mit nem iPod." hatte ich geschrien, ungehört verhallt in technisch tauben Ohren, so ist das nun mal. Die Musik fehlte, beim Blick über die Elbemündung, über die satten Wiesen, die der Hund mit seinen staksigen Beinen durchpflügt, fast so wie die riesigen Frachtschiffe das bräunliche Wasser, beim Blick auf die rot geklinkerte Dorfidylle, ein Schein, der wahrscheinlich trügt, beim nächtlichen Spaziergang durch unbeleuchtetes Gebüsch, damit das unerwartete Rascheln hinten links nicht zum Adrenalinüberschuss und dazugehörigem Kollaps führt. Bücher fehlten auch, na klar und schon immer, vergessen, einfach so, dafür gabs es aber Regionalblättchen, die wundersame Dinge bereit hielten, wie z. B. das Literaturnier oder die Verleihung des Johann-Heinrich-Voß-Preises an Sarah Kirsch im Nachbarort. Die kannte ich bisher nicht, also die Sarah Kirsch, da mir aber Stefan Aust und dieser Tagesthemen-Wickert aus dem grob gepixelten Bildchen entgegen grinsten, muss sie hier schon um eine fast große Angelegenheit gehandelt haben. Kunstbanause, ich. Und als wir dann abends vor dem knackenden Kamin saßen, vermisste ich kurzzeitig Gottfried Benn, der steht noch zu Hause rum, einfach so und ich hatte bereits drin geblättert, nicht in dem Benn, sondern in "Der Ptolemäer" und gestaunt und erwarte nun voller Vorfreude den Tag, an dem ich das eine Buch ausgelesen in das sich ständig füllende Regal packen und mich wie ein hungriger Wolf auf meine neuste Beute stürzen kann. Das anschließende Grinsen passte wunderbar zum kaminwarmen Abend. Stimmung perfekt. Vor einiger Zeit empfahl mir ein Freund die Band Cats TV, aus Cuxhaven, weil ich da schon früher ein paar mal hinfuhr. Er schickte mir außerdem eine krachige und schrammelige Selbstaufnahme von Kassette des Stückchens "Koxhaven", die Qualität passend zur Musik, der Text strotzt nur so vor Liebe zu diesem Fleckchen Erde, zwischen den Zeilen, wenn man das noch sagen muss. Er, der Freund, hätte sich die Bastelei mit seinem alten Kassettendeck aber sparen können, den Song kann man sich glatt herunterladen, quasi als Werbung für Touristen und solche, die es werden wollen. Ich werde trotzdem wieder hinfahren, ohne Deo-Spray und schwarze Kiste, aber mit gehörigem Abstand zu Sahlenburg. Trotzdem: Immer diese kritischen Pessimisten. 30000 braune Körper, aufgedunsen und wohlgenährt ich gehe oben auf deinem Deich lang, Cuxhaven, und von unten plärrt ein alter Opa: "Hey, raus aus meinem Strandkorb, langhaariges Pack, Drecksgesindel beschmutzen mir meine Kunststoffpolster!" Auf dass er seinen Platz an der Sonne finde.
Vorankündigung [Aus der Rubrik: Talente früh gefördert] Ich setzte es mal auf den Jahresplan 2007/ 2008. Es gibt da einen, der erzählt mir immer ganz tolle Geschichten, die er sich selber ausdenkt, von Indianern, Cowboys, Rittern und Piraten, mit wunderbar viel Phantasie und manchmal mit Wörtern, die man dem Knirps nie zugetraut hätte. Sobald er schreiben kann, mach ich ihm so ein blogdings auf, ich vermute, dass er das ganz toll finden dürfte, "mach mal was mit tieren" ist ja jetzt schon ein Favorit. Und natürlich die "Gesichter". Also aufgepasst, ein Trend für ca. 2008: Bloggender Knirps.
"Schneepflüge im Mai" - Der Arbeitstitel für den nächsten Kassenschlager, ein Katastrophenfilm "Made in Germany", vom niemals endenden Winter, Winterreifen im Juli, Schneeketten im August, Herbstdepression von April bis November und so Sachen, die man sonst noch für einen anständigen Quotenbrecher braucht. Und es ist nicht "science fiction", sondern fast schon etwas für "reality tv".
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