Heute mal mit Brille Ich habs nicht so mit Brillenläden. Nicht weil ich etwas gegen Brillenträger habe, es ist viel mehr die Tatsache, dass ich als Nicht-Brillenträger mich schwer in die Situation des schlechten Sehens hineinversetzen kann. Außerdem wird man von diesem riesigen Angebot dort förmlich erschlagen, wer soll denn da etwas ordentliches finden. Ich kann Brillen auch eigentlich gar nicht tragen, also auch Sonnenbrillen, wegen meiner asymetrischen Kopfform, die mir ausgerechnet mein Zahnarzt bescheinigte, die sich negativ auf den Sitz einer Brille auswirkt. Hinzu kommt, dass ich keine finde, die mir gefallen würde und wie Puk, die Stubenfliege, will ich nun wirklich nicht aussehen. Aber sie, ja, sie ist Brillenträgerin. Schon ewig. Ich erinnere mich gern daran, wie sie an der Bushaltestelle stand, die Augen zusammenkniff, nach dem Bus Ausschau hielt und sich immer zu mir umdrehte, wenn einer kam, um ein klein bisschen schüchtern lächelnd zu fragen: "Ist das wirklich der 184er?" Sehr süß, fand ich damals. Ich sagte immer: "Mensch, leg dir doch mal ne Brille zu." Auch deshalb mussten wir nun wieder mal in einen Brillenladen. Früher war sie gern bei Ap*llo, doch die sind ihr zu doof geworden, die waren immer so arrogant und wenig geschäftstüchtig und zwischendurch ist sie auf Kontaktlinsen umgestiegen, weil Kinder so gerne Brillen vom Kopf reißen und kaputt machen und die Sache mit der Sonnenbrille, sie kann wenigstens welche tragen, ist mit Kontaktlinsen irgendwie leichter, sagt sie. Sie wollte es billig, jedenfalls hörte ich sie im Hintergrund so etwas murmeln und die billigsten Brillen gibts bei Fielm*nn, murmelte sie hinterher. Fielm*nn, klar, war schon irgendwie eine Überraschung. Es hängen genau so viele Brillen rum, wie bei den anderen. Hier ist es aber voller, also mit mehr Menschen und das ist ja klar, aus rein wirtschaftlicher Sicht, die Sache mit dem Preis und Nachfrage und so. Die haben sich aber ein tolles System einfallen lassen, erinnerte mich ein wenig an ein Fließband, man stellt sich an die lange Schlange, dann ist man dran und wird auf eine Warteliste gesetzt, wartet und setzt sich an einen Bedientisch und eine Stunde später wird man bedient. Hoch leben die gesetzlichen Krankenkassen. Bedient wird man aber nur, wenn man sich schon ein Gestell ausgesucht hat, rechts die Damen, links die Herren, vorn die billigen, hinten die teuren. Sie hatte sich schon ein gewagtes Gestell ausgesucht und ich wies sie darauf hin, dass sie jetzt nur noch und ausschließlich klassische Literatur und die großen Philosophen lesen durfte und nicht mehr Harry Potter, mit der Brille. Sie lachte. Und war verunsichert. Steht mir das? Zu gewagt? Oder noch zu wenig? Die Fragen waren ihr förmlich ins Gesicht gemeißelt, es musste eine Qual für sie gewesen sein. "Mach." sagte ich. Wir durften uns setzen, an einen Bedientisch, denn die Stunde war vorbei, nur bedient wurden wir noch nicht. Aus purer Langeweile schritt ich die langen Reihe nackter Brillengestelle ab, probierte diese oder jene und irgendwann gefiel mir eine, irgendwie. Eine mit dickem braunen Rand, die natürlich schief saß, wegen der Asymetrie, und amüsierte sie köstlich: "Hat der kleine Opa recht, du Intellektulla. Siehst aus wie nen Schriftsteller." "Echt? Wäre ja ne Qual. Also wenn ich einer wäre, so auszusehen würde mir schon reichen." "Ach komm, steht dir beides nicht. Und ne Brille schon gar nicht." "Hast ja recht. Hauptsache du siehst aus wie eine Germanistikstudentin." Wir lachten beide, amüsierten uns köstlich und freuten uns schon auf die nächste Runde im Café nebenan. So ohne Kinder ist ja auch mal schön. Und irgendwann wurde sie auch bedient und ich träumte von einem Schreibpult und einer kleinen Studierstube mit viel Ruhe und nickte ab und an die ausgewählten Gläser ab, ich kenn mich doch da gar nicht aus. Am Ende gab es ein technologisches Highlight: Wenn die Brille fertig ist, gibts ne SMS. Und das bei Fielm*nn. Hört. Hört. Das alles war insgesamt unspektakulär, kein Abenteuer, keine Action, kein Blut. Es fühlte sich aber gut an, so grundromantisch, und nur das zählt.
Dieser komische halbnackte Löwe scheint ja gar nicht gut fürs Geschäft zu sein. Und da ich gerade ganz tief in der Entwicklung des BS 3000 stecke, nehme ich als Lehre mit, dass Spott kein guter Verkaufsfaktor zu sein scheint. Aber versprochen: Der BS 3000 wird die Welt verändern und nicht den gesammelten Spott derselben auf sich ziehen.
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Letzte Aktualisierung: 03.06.2024, 07:57 Links: ... Home ... Blogrolle (in progress) ... Themen ... Impressum ... Sammlerstücke ... Metametameta ... Blogger.de ... Spenden Archiviertes:
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