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aus dem Tagebuch "Darf ich das so notieren?" von Win K., Eintrag vom 08.09.2000

Hört denn diese Zerrissenheit nie auf? Seit Monaten schon dieses hin und her der Gefühle, erst auf die Fresse fallen, dann mutig das Blut abwischen und weiterleben und dann immer wieder diese plötzlichen Tritte in den Magen, so dass ich alles auskotzen muss, alles, alles raus aus mir, alles. Der Urlaub hat etwas gebracht, na klar, noch liegen wir nicht ganz am Boden, nein, wir halten sogar ab und zu einander fest und dann blitzt es in unseren Augen und wir wissen gar nicht, was wir sagen sollen, lachen ganz verlegen, wie Teenager, kleine Berührungen, wie kleine Geschenke, ansonsten nichts. Ich bin heimatlos, verloren, vormittags ruft Liz mich an, ob ich abends vorbei käme, ich sage ich könne nicht, ne Verabredung mit Hannes und abends steh ich dann vor E's Tür. Ich bin verrückt, denke ich die ganze Zeit, ich sollte bei Liz sein, aber E., sie ist so verlockend, eine Sirene, aber ich bin kein Odysseus, ich weiß nicht was ich will, doch ich weiß es, Liz und doch steh ich bei E. vor der Tür. Komm her, sagt sie zu mir und zieht mich in ihre Bude, aufs Sofa, DAS Sofa, wir küssen uns und sie küsst so gut und ich will nicht bei ihr sein, ich will bei Liz sein, aber die kann sich ja nicht entscheiden, sag doch mal was, sagte ich letztes Mal und sie blieb stumm. Deswegen bin ich bei E. Die ist auch stumm, aber anders, verlockend, wenn sie mich berührt, sie weiß alles, was sie über mich wissen muss, sie nennt mich Liebster und ich will es nicht. Irgendwann landen wir im Bett, vögeln und ich hasse mich dafür, das gibt es doch nicht, nein, nein und doch tu ich es. Wir rauchen, hören dämliche Songs im Radio, ich halte das nicht mehr aus, ich küsse sie ein letztes Mal, berühre noch einmal ihre heißen Wangen und gehe, fahre einsam durch die Nacht und träume von E., die sich langsam in Liz verwandelt und leise "Komm zurück zu mir" flüstert.

Wo warst du? Diese Frage. Ich kann nicht lügen und Liz schaut mich an und ich kann nicht lügen, ich sage, ich sei bei Hannes gewesen, sie ruft Hannes an. Nein, denke ich, was soll das alles, warum tut sie das, warum tu ich das, warum, warum, warum? Ich liebe dich doch, sagt sie, unter Tränen, aber du bist nicht ehrlich zu mir, du hättest mich sehen können, sie schreit, du hättest mich sehen können, vorbei kommen und in meinen Armen liegen, aber jetzt lügst du mich an, warum lügst du mich an? Ich dachte du liebst mich so wahnsinnig, warum warst du nicht bei mir, gestern, als ich dich darum bat, wo warst du? Wo? Wer ist sie? Ich Idiot, monatelang renne ich dieser Frau hinterher, kann nicht schlafen, sehe aus wie ein Stück Dreck und jetzt? Ich hätte doch nur zugreifen brauchen, alles war zum Greifen nahe, alles und der Alptraum vorbei und das Glück ganz nah. Ich kann nichts mehr sagen, meine eigene, blinde Dummheit macht mich stumm, das geht jetzt alles nicht mehr, denke ich, so ein Irrsinn, nur wegen nem guten Fick alles sausen lassen, was soll das alles? Wer bist du eigentlich? Sie schmeißt mich raus, sie weiß alles, sie kennt E., sie wird sie anrufen, Frauen machen das, Typen prügeln sich, Frauen rufen an und reden. Scheiße. Scheiße.

Mit 250 über die Autobahn. Hannes sitzt neben mir, er hat Angst um sein Auto, rase doch nicht so, sagt er und ich drehe die Musik lauter, der kann nicht schneller, brüllt er mich an, der regelt bei 250 ab, egal, egal, alles ist mir egal, ich bin der größte Vollidiot auf Erden, Volldepp, Chancentod, keine Ahnung, absolute Leere und jetzt Vollgas. 250 und noch ne Zigarette, immer weiter, weiter, die Musik immer lauter. Ich fliehe vor mir, komme aber nicht weg und geh mir selber auf den Sack. Irgendwann landen wir auf einem Zeltplatz, eine Geburtstagsfeier von irgendeinem entfernt bekannten Typen, egal, Hauptsache es gibt genug Alkohol, der den selbst zugefügten Schmerz dämpfen kann, muss. Liz hat ihr Telefon ausgeschaltet, nicht erreichbar, rede mit mir Baby, aber wozu? Vergeigt, verschissen, verloren. Dabei ist sie doch selbst schuld, sie hat mich hingehalten, hat mich leiden sehen und leiden lassen und im entscheidenden Augenblick nichts konkretes gesagt. Blödmann! Ich! Scheiße. Die Typen hier sind nur Idioten. Glatzen, Hackfressen, woher kennt Hannes die nun schon wieder? Ist der unter die Nationalen gegangen? Oi-Punk dröhnt aus einem Autoradio, Tierlaute, die sind doch hier alle strunzdumm. Es gibt genug zu Saufen, Nazis saufen immer, die trinken nicht, verpisst euch, denke ich, wann kommt denn endlich die Polizei und räumt die weg, ach Gott, wir sind in Brandenburg, die saufen doch eher noch mit. Mond überm See, Idylle, romantisch, Knutschkulisse und ich saufe Schnaps aus der Flasche, irgendwann muss ich kotzen, das ist alles elend, die Zigaretten schmecken nicht mehr und Liz hat ihr Telefon immer noch ausgeschaltet. Ein schöner Platz zum Sterben, denke ich im Suff, einfach den Schalter ausknippsen und die werte Menschheit nicht mehr mit meiner Anwesenheit behelligen, im Hintergrund dröhnen die Onkelz aus dem Auto, lieber stehend sterben, als knieend leben, ihr sagt das so einfach, ihr Penner, ihr habt doch keine Ahnung, genauso wenig wie diese besoffenen Nazis da hinten, irgendwann schlafe ich ein, am See, Mond darüber, kühle, dunkle Septembernacht.

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Mi, 26.09.2007 |  # | (1298) | 2 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Schreib mal wieder



 

Kinder Kinder

Es schreibt sich ja so viel. Von selbst. Einen Beitrag über dieses Elternding zum Beispiel, Sie wissen schon oder können es sich denken, wie kommt man überhaupt dazu, also jetzt nicht nur körperlich, das kennen wir ja alle, obwohl ja einige nicht so unbedingt gern drüber reden, wollen, okay. Ich frage mich das ja auch immer. Öfter. Wie kommt man eigentlich zu diesen Kindern? Wie kommt man überhaupt auf die Idee? Fortpflanzungstrieb, liegt es in den Genen? Will man sich was beweisen? Etc. pp. Könnte nen riesenlanges Ding werden, so ein Beitrag, schön, wenn andere einen Großteil davon übernehmen. Wie ist das denn nun so mit den Kindern? Sehr schön, das.
 
Mi, 26.09.2007 |  # | (567) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: kinder kinder



 
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