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Unveröffentlicht

Beim Aufräumen der GoogleDrive-Sammlung festgestellt, dass ich mich mal in erotischer Literatur versucht habe. Unveröffentlichte Werke, nichts, worauf man besonders stolz sein könnte.

Ich hatte auch mal eine Schreibmaschine, auf der ich Material-Bestelllisten für Flugzeugträger erfunden und mit Generalmajor unterschrieben habe. Entschuldigung, ich komme aus einem Lehrerhaushalt. Natürlich blieben die Werke unveröffentlicht.

Beim Schmieren der Frühstücksbrote heute morgen ist mir eine interessante Geschichte über einen mittelalten Mann eingefallen. Der mittelalte Mann, langweiliger Typ eigentlich, besuchte in dieser Geschichte jeden Montag eine Therapiegruppe für Angsthasen. Die Story war so spannend, dass ich sogar vergaß, auf das Brot der Lieblingstochter Butter zu schmieren, was sie mir aber nicht übel nahm.

Bisher ist die Geschichte noch unveröffentlicht. Bisher.
 
Mo, 08.02.2016 |  # | (1584) | 1 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Schreib mal wieder



 

Bittersweet reloaded

Win öffnete die alte Kellertür, trat hinaus in den kalten Frühlingsmorgen, seine Augen blinzelten im hellen Morgenlicht, Krähen flogen über den Hof, der alte Hund mit dem zerzausten Fell sah ihn an und knurrte missmutig.

In der Hand hielt er ein vergilbtes Blatt Papier, mit engen Zeilen beschrieben, mit gebrochener Schrift, ein paar Buchstaben waren zerlaufen, wahrscheinlich von den Tränen, die über seine Wangen liefen, und er schluchzte.

Bittersweet, murmelte er und nickte, lief langsam los, in Richtung Wald, wohl wissend, dass er nun, nach dieser langen Zeit, endgültig zu jenem Win geworden war, der er nie hatte sein wollen.

to be continued...
 
Di, 03.03.2015 |  # | (1251) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Schreib mal wieder



 

Irgendwie, irgendwo, irgendwann

Die einen singen unter der Dusche und niemand will es hören, die anderen philosophieren. Abends zirpen draußen Grillen, man möchte meinen, es wären Zikaden, sind es aber nicht, wir sind hier schließlich nicht in Seattle, Dirk, und werden es auch niemals sein. Sorry, stream of consciousness, kann man nichts machen. Zur Abkühlung vielleicht ein paar juristische Abhandlungen? Ach, nein. Lieber ein wenig Alltagsphilosophie für den kleinen Mann.

Der S. hat einmal, das ist schon lange her, fast schon ultralang, also mindestens vor 15 Jahren, in einem Anfall von Erwachsenwerden und beständig sein, zum R. gesagt, dass er sich nun die K. angeln und für immer und ewig mit ihr gemeinsam durch unendliche Weiten, durch tiefste Tiefen und untiefste Untiefen grauesten Alltags streifen und damit glücklich sein würde. Der R. fand das natürlich lächerlich, so wie wohl mindestens dreiviertel der Weltbevölkerung solche oder ähnliche Äußerungen unerfahrener Jünglinge lächerlich finden und gerade heute, wo doch Freund- und Liebschaften nur einen Mausklick voneinander entfernt scheinen, würde man den S. wohl eher auslachen als Ernst nehmen, vielleicht würde man ihn auch steinigen, für so viel Idealismus, einfach leben und lieben, ohne loslassen zu wollen, gibt es nicht, wo bleibt da das Individuum.

Trotzdem behielt der S. irgendwie recht. Warum auch immer, umkreist er seit diesem Tag die K., wie der Mond die Erde seit unendlichen Tagen umkreist, manchmal hell glänzend und von weitem leicht erkennbar (und tänzelnd wie ein Pony), manchmal im Dunkeln verborgen und in Gedanken versunken (ungelenk wie ein zu groß geratener Büffel) und ganz selten verschwindet er aus dem sichtbaren Bereich, versinkt im Schatten und taucht dann doch wieder auf, als wäre nichts gewesen, ein kleiner Stolperstein in der Geschichte, weil es gerade Wege nun einmal nicht gibt. Und trotzdem behielt er im Großen und Ganzen recht.

Schon komisch, wie die Wassertropfen fallen und abperlen auf der Haut, den ganzen Dreck vom Körper spülen und erfrischen und draußen zirpen die Grillen, die wie Zikaden klingen und Meer und Wind und nicht nach Seattle, da will doch auch gar keiner mehr sein.
 
Di, 28.06.2011 |  # | (823) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Schreib mal wieder



 

Doreen und die Schweine

Doreen, Doreen,
du bist recht kleen.
Doch hast ne schöne Nase.

Bei mir, na klar,
da waret scheen,
du kleener ähem geiler Hase.

Doch dann, doch dann,
oh großes Pech.

(Also für dich jetzt.)

Kam Frollein M.
ganz lecker um die Ecke.

Und schleppte mich,
- und das war schön! -
sogleich hinter ne Hecke.

Doreen, Doreen,
jetzt sitzte da,
janz einsam und aleene.

Und heulst janz schlimm,
det Wasser looft,
über superschöne Beine.

Doch...

und das ist jetzt ganz schön hart

Doch keiner will dir,
verdammte Axt,
wir Männer sind doch Schweine.

(Disclaimer: Doreen war doch noch nie meine Cousine.)
 
Fr, 11.09.2009 |  # | (945) | 1 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Schreib mal wieder



 

Bittersweet

JJ, dachte Win, den werde ich anrufen, da geht noch was.

„Hey, ich glaube, du hast nen riesiges Problem.“ sagte JJ kurz bevor das Gespräch mit Win beendet war. Er hat recht, dachte Win, ja, hat er. Es ist ja nicht nur so, dass dieses sinnlose Abgehänge hier absolut nervtötend ist, nein, das alles bringt einen an den Rande des Verstandes. Und darüber hinaus. Es fühlte sich an wie ein Gemisch aus heißem Kleber und weißer Watte. Der Boden von heißem Kleber bedeckt, gerade noch so weich, dass man die Füße ganz leicht in die knöcheltiefe Suppe hinein bekommt, aber nicht mehr hinaus. Nie wieder. Das Zeug klebt fest und ist dabei immer noch irgendwie elastisch, man kämpft und kämpft, kommt aber keinen Schritt vorwärts, überhaupt kommt man nicht mehr von der Stelle, ist gefangen, in Zeit und Raum und irgendwann verharrt man in Bewegungslosigkeit oder verfällt in Panik, Angst und dann greift der Fluchtreflex, Panik und Fluchtreflex und nicht mehr wegkommen, Stillstand. Und während die Füße im klebrigen Sumpf der Perspektivlosigkeit versinken, steckt der Kopf in einer dicken Watteschicht, man ist blind und taub und verliert jeglichen Kontakt zur realen Welt, alles verschwimmt, verschwindet hinter milchig-weißen Fasern, es gibt kein „da draußen“ mehr, nur noch den Wattekokon, ein weiches Verließ, bittersüß und ohne Ausweg, man ist eingesponnen, gefangen genommen, wird gnadenlos gefoltert und am Ende, ja, am Ende sterben erst die am Boden festgeklebten Beine und später dann der wattierte Kopf ab und man selbst verschwindet in der letzten Sekunde im Nichts. Es stimmte, Win hatte ganz offensichtlich ein riesiges Problem.

Irgendwann machte sich Win aus dem Staub, eine Flucht nach vorn, dachte er sich, nur weg von diesem verwunschenen Ort, dieser Hölle auf Erden. Draußen wehte ihm kalter Wind ins Gesicht, vermischt mit dichtem Nieselregen, sofort überkam ihn das Gefühl, am Leben zu sein und er öffnete die Knöpfe an der Kragenleiste seines Mantels, um noch mehr Kälte an den gefühllosen Körper zu lassen, Kälte, die diesem wieder Leben einhauchen sollte, die ihn spüren ließ, das noch nicht alles verloren war, dass er das Schattenreich immer noch rechtzeitig verlassen konnte. Die Wohnung war ruhig und verlassen. Liz war nicht da, noch unterwegs, ach nein, fiel es ihm ein, sie kam erstmal gar nicht wieder, unterwegs mit den Kids und er war auf sich allein gestellt, ganz allein, Einsamkeit, Stille. Kein Problem für ihn, er fühlte sich wohl, allein, in der kalten, verlassenen Wohnung, ohne Stimmen, ohne Radio, ohne Gewusel, das um ihn herum passierte, nur er, der dann gerne eine Stunde regungslos im Sessel saß und die Kronen der Bäume vor dem Fenster betrachtete. Nur diesmal nicht. Ein kaltes Zittern durchlief seinen angespannten Körper, er sehnte sich nach Gemeinsamkeit, nach Leben, nach Gewusel und Krach, warum gerade heute, fragte er, aber so ist das immer, wenn man auf dem Weg nach unten ist, ja, dann geht gar nichts mehr, dann kann auch keiner mehr helfen, man war auf sich selbst gestellt, musste da irgendwie durch, durch diese dunklen Gedankenwelten, Phantasien und Realitäten, ganz allein, so war das schon immer in seinem Leben. Egal, dachte er dann und ließ sich erst einmal eine Badewanne ein.

Später dann saß Win vor dem leeren Bildschirm seines Notebooks und dachte nach. Meine Güte, du bist wahrscheinlich verstrahlt, dachte er sich, seit Jahren sitzt du Stunden, Tage, Wochen vor diesen Bildschirmen und denkst, starrst, schreibst und liest, das kann nicht gut sein, auf die Dauer, tagsüber leere Worthülsen, Zahlen, ein paar belanglose Fakten, die sowieso keinen interessieren, alles ohne großen Sinn und später dann zuhause der große Literat, haha, immer auf der Suche, ja, wonach eigentlich? Das passte alles nicht zusammen. Du steckst zu tief in dir drin und noch tiefer in der Scheiße, dabei solltest du glücklich sein, zumindest, wenn die Tür aufgeht und das Paradies beginnt, hier in diesen jetzt so leeren und stillen Räumen, solltest du, ja, solltest du. Aber du bist es nicht. Weder glücklich, noch zufrieden. Er goss noch Wein in das leere Glas, einen billigen, schweren Rotwein, der langsam seine Gedanken vernebelte, jetzt noch ein Telefonat mit Liz und dann kommt die Nacht, einsam und allein wird sie sein, Träume stecken schon unter der Decke, im Kissen, in der Matratze, lass die Glotze aus, sagte er sich, lass sie bloß aus, sonst läuft das alles wieder nicht, sonst kommen sie wieder, kleine und große Monster und morgens dann herzzerreißende Schreie und erschrockene Gesichter. Und wer wird dann für dich da sein?
 
Fr, 16.01.2009 |  # | (2092) | 3 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Schreib mal wieder



 

Um die Ecke bringen

Ein Roman. Eine Frau. Ein Mann. Der Leser geht von Liebe aus. Aber hier gibt es mehr Fassade als Hintergrund. Es gibt auch Hass und einen feigen Typen, der glaubt, nicht zu können wie er wollte und sie ist natürlich an allem schuld. Sie hält ihn vom Leben ab, von seinem echten Leben, seinem großen Leben, das sieht er natürlich auch jeden Morgen im Spiegel, er ist Künstler, Schriftsteller, Lebemann, aber sie lässt das nicht zu, unterdrückt ihn, macht ihn klein und leise, mit ihr ist er ein Nichts, ein Niemand, ein mediokrer Büroschnösel mit Anzug aus dem Anzugdiscounter um die Ecke. Aber er hat einen Plan. Beim Rasieren summt er ganz leise "I'll kill her". Und macht sich ans Werk. Erst ganz versteckt, heimlich, fies, später dann ganz offen und brutal. Es wird ein wenig eklig. Rein menschlich natürlich, niemand wird ausgeweidet, na ja, obwohl. Also ein paar Seiten Dramatik und keiner weiß so richtig, wie und was alles passiert, es wird ein wenig nebulös, so dass man dran bleiben muss, es gibt auch (nun doch) ein wenig Blut, einigen Sex und eine Menge Drogen und natürlich gute Musik, dunkle Nächte, helle Tage, in gleißendes Licht getaucht, das Ende ist offen.
 
Do, 16.10.2008 |  # | (947) | 4 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Schreib mal wieder



 

Cats and Dogs

"Katzen? Hunde? Scheiße? Schon den ganzen Tag regnet es dieses infernalische Grau vom Himmel und gestern auch schon und vorgestern. Verdammter Mist."

Win saß auf seinem Bürostuhl, eher lag er, die Beine hatte er auf dem Fensterbrett abgelegt, kaute nervös am Bleistift, murmelte vor sich hin und schaute dabei durch das mit Regentropfen übersäte Fenster seines Büros in den verregneten Himmel. Wo blieb die verdammte Sonne? Warum schneite es nicht wie verrückt? Schneestürme sollten das Land einwickeln, Ausnahmezustände sollten erklärt werden, ein paar handfeste Stromausfälle wären auch nicht schlecht. Massenpanik, Katastrophenalarm, Jahrhundertwinter, da muss doch mal Bewegung rein. Aber nein, alles versinkt in dieser mittelmäßigen, grauen Masse, die Welt steht am Abgrund.

"Win, es sieht wirklich schlecht für uns aus."

Na, die hatte gut reden. Es sieht beschissen aus, hatte er im Stillen gedacht, als die Chefin heute morgen mit sorgenvoller Miene in der Tür stand. Aber so ohne pc darf man das ja nicht sagen, wer weiß, welche bösen Geister man mit dieser unbequemen Wahrheit rief, Geister, die man später nicht mehr los würde, Heuschreckenplagen lauerten an jeder Ecke. Aber waren die nicht schon längst da? Die Heuschrecken? Saßen die nicht gerade im conference room und bekakelten mit der Chefin Dinge, von denen, wenn man es genau betrachtete, nur einer wirklich Ahnung hatte und das war er? Ja: Bei Kaffee und Gebäck saßen sie dort, in einem überhitzten Raum, mit zugezogenen Fenstern, eingetaucht in sprödes Neonlicht bewarfen sie sich mit leeren Worthülsen, tauschten ihr Unwissen oder noch schlimmer: ihr Halbwissen aus, der ganze Raum erfüllt von hohlen Wortgebirgen, Dummheit waberte durch die stickige Luft, erdrückend, und im Prinzip ging es doch nur um eine Sache, um etwas, von dem nur er etwas verstand: Geld. Wenn es um Kohle ging, konnte hier niemand Spaß verstehen, vor allem nicht Win und deshalb konnte er nicht verstehen, dass sie ihn bei der ganzen Geschichte außen vor ließen, gerade ihn, der doch genau wusste, wie der Hase läuft, welche Hebel man in Bewegung setzen musste, um den Springbrunnen wieder zum Laufen, die Oase wieder zum Erblühen zu bringen. Und nachher kommen sie wieder alle an, ja, schreiben seitenlange Mails, voller Vermutungen und Behauptungen oder sie rufen an und kauen einem das Ohr ab, stellen Fragen, deren Antworten schon längst feststehen, reden, reden, reden, bis zum Erbrechen. So war das schon immer hier.

"Liz, Baby, hast du Zeit für mich? Komm, wir treffen uns nachher und dann machen wir einen drauf, nur du und ich."

Natürlich hatte sie keine Zeit. Er nahm es ihr nicht krumm, nein, allerdings hatte in letzter Zeit eine Menge Leute keine Zeit mehr für ihn. So ist das heute wohl. Man malocht sich die Seele aus dem Leib und alles andere bleibt auf der Strecke. Haben Sie schon eine Riester-Rente? Brauchen Sie auch gar nicht, Sie sind schon vorher tot oder können am Ende nur mit irgendeiner staatlichen Hilfe leben oder besser: Überleben. Irgendwie. Win holte eine Zigarette aus der Schachtel, die in der Brusttasche seines Hemdes steckte, und wollte sie sich anzünden. Ach, stimmt ja, fiel ihm ein, auch das war ja inzwischen verboten. Am Ende verbieten sie einem noch das Furzen im Büro, das schädigt bekanntlich das Raumklima, Furzen ist überhaupt unglaublich schädlich, macht das Weltklima kaputt, es sollte gleich ganz verboten werden. In jeden Lebensbereich wollen sie eingreifen, alles soll staatlich geregelt werden, Freiheiten werden unter fadenscheinigen Argumenten eingeschränkt, am Ende ist man nicht mehr Herr seiner selbst, wo ist denn da noch der Unterschied zur Diktatur?

Man sollte etwas auf die Beine stellen, dachte sich Win, schüttelte aber gleich wieder den Kopf, ja, was denn auch? Banküberfälle, Entführungen von Kindern bekannter Großindustrieller, Schmuggel, die gute, alte Kriminalität, das machen doch nur noch die Dummen. Die schlauen Füchse hacken sich mit Viren oder Trojanern irgendwo ein, erleichtern Banken um Milliarden und sitzen dabei in irgendeiner abgefuckten Kaschemme in der hinterletzten Provinz, lachen sich ins Fäustchen und verschwinden irgendwo im Datennirvana, unauffindbar. Scheiße, ist das schlecht. Mit unsicheren Fingern fischte er sein Handy aus der Hosentasche und blätterte im Telefonbuch. Wen konnte er denn überhaupt noch anrufen? Mit wem konnte man noch was aufstellen? JJ. Ja, jam ja. Der konnte Geschichten erzählen, der alte Penner. Geht regelmäßig in eine alte Nazikneipe, nur um sich mit den Idioten anzulegen, ja, mit dem konnte man noch was erleben. JJ, dachte Win, den werde ich anrufen, da geht noch was.
 
Mi, 30.01.2008 |  # | (1198) | 2 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Schreib mal wieder



 

Lauf!

Ja, komm her, komm näher, trau dich, vergiss die kommende Dunkelheit, die untergehende Sonne, das vergehende Licht, die langsam über den Boden kriechende Kälte, die sich an deinen Beinen heraufschlängelt, wie eine Schlange mit ihrer gespaltenen, leise zischenden Zunge. Siehst du den Nebel aufsteigen? Feuchte Spinnenetze glitzern im letzten Schein des Sonnenlichts, immer noch wunderbar warm, ein Licht, das dich einhüllt, aber jetzt vergeht und vielleicht nie wieder kommen, sondern unaufhaltsam verschlungen wird, von bitterkalter Nacht, unheimlichen Geräuschen, Schatten, dunklem Rauschen. Irgendwann wirst du die Schreie hören, die dich bis ins Mark erschüttern werden, Schreie voller Angst, die dich dann selbst packen wird und dann fängst du an zu rennen, so schnell du kannst, renne, ja, renne, aber pass auf, dass sich keine Äste in deine Augen bohren, dich schmerzhaft verletzen, dich erblinden und für immer in ewiger Dunkelheit allein lassen, pass auf, pass nur auf. Spürst du den weichen Boden unter deinen Füßen? Dunkle Wasser quillen aus dem weichen Moorteppich, vielleicht ist es ein alles verschluckender Sumpf aus dem dich niemand mehr befreien kann? Jeder knackende Ast, der unter deinen zittrigen Beinen zerbricht, jagt dir einen Schauer über den Rücken, einen Schauer durch deinen bis auf den letzten Muskel angespannten Körper, deine Nackenhaare stehen zu Berge, Gänsehaut überzieht deine wunderschöne weiße Haut, die so makellos ist und rein, die du unter deinen nassen, kalten Kleidern versteckst, so schön, so schön. Du kannst kaum noch atmen, schlucken, musst jetzt stehen bleiben, dich abstützen, an dunklen, feuchten Kiefernstämmen, die scheinbar endlos in den Himmel ragen und dann kommen wieder diese Geräusche, Richtung und Herkunft undefinierbar, sind es Tiere? Menschen? Geister? Ja, vielleicht sind es Geister, die hinter dir her sind, die dich packen wollen, in ihre Höhlen ziehen, um dich zu quälen, dich zu Tode erschrecken, lauf, lauf, ja, lauf nur, aber du wirst es nicht schaffen, nein, denn sie sind schneller als du, sie schweben weiß schimmernd über dir, zwischen den Bäumen und werden sich wie Raubvögel auf deine verängstigte Seele stürzen, sie dir aus der Brust reißen, bei lebendigem Leib, und sie werden dein blutendes, schlagendes Herz triumphierend in den dunklen sternenlosen Himmel halten, dabei markerschütternde Schreie ausstoßen, die Lust der Geister, gierig und geil, ja, lauf nur, lauf, sie werden dich trotzdem holen. Jeder Ast, der sich in deinen Körper bohrt, auf deiner hastigen Flucht durch den immer dunkler werdenden Wald, fühlt sich an wie der Reißzahn eines tollwütigen Raubtieres, das geifernd, Zähne fletschend und wütig knurrend hinter dir her ist, dich einholen wird und in Stücke reißen, zerfetzen, bis zur Unkenntlichkeit verstümmeln und du wirst sterben, einen qualvollen, einsamen Tod, hier auf dem kalten, feuchten Boden, in der unendlichen Einsamkeit des Waldes, dieser dunklen, undurchdringlichen Hölle und niemand wird dir helfen können, niemand, niemand, nein, irgendwann vielleicht werden sie deine Überreste finden, ein paar Fetzen, abgenagte Knochen, die man von dir übrig ließ, hier, am Schauplatz eines unfassbaren Gemetzels, blutig, grausam, ohne Gnade. Lauf nur, lauf, renne, so schnell dich deine Beine tragen können, lauf, schnell, denn dort hinten kommen sie schon, schwarze Reiter ohne Gesicht auf wutschnaubenden Pferden, hörst du die dumpfen Schläge der Hufe auf dem moosbedeckten Boden, dunkel, bedrohlich, unaufhaltsam, lauf, lauf, lauf, sie werden dich einholen, bei Sonnenuntergang, in der unendlichen Dunkelheit, sieh doch nur, sieh, dort im Westen, das letzte Licht vergeht, renne, lauf, lauf, lauf, denn jetzt kommen sie, immer näher und näher und näher, die wehenden Fahnen flattern im Wind, drohendes Rauschen, lauf, lauf, lauf, dort hinten ist dein Tor zur Freiheit, siehst du es? Ja, dort, eine Lichtung, ein Bachlauf, feucht nach Blüten duftende Wiesen, das Gras knietief und weich, ein paar Rehböcke mit ihren Ricken und darüber ein klarer Sternenhimmel, der helle Mond, alles friedlich und frei, Sicherheit und Leben, kein Blut, keine Geister, keine Raubtiere, keine schwarzen Reiter, lauf, lauf, lauf, nun lauf endlich, schnell, schneller, lauf, sonst werden sie dich holen, lauf, lauf, lauf.

(Dieser Text steht im losen Zusammmenhang mit diesem Text, der wiederum mit dem heutigen Tag, wie auch immer man ihn nennen mag, und dem Grundgefühl des kommenden Monats in Zusammenhang steht. Ich glaube, Frau Schlüsselkind könnte ein Lied davon singen, wenn sie denn sänge.)
 
Mi, 31.10.2007 |  # | (1388) | 8 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Schreib mal wieder



 

Y2K

(...)

aus dem Tagebuch "Darf ich das so notieren?" von Win K., Eintrag vom 04.10.2000

Gegensatz. Ende. Ein Ende der Zerrissenheit? Dieses Gefühl, zwei, drei Jahre ist es her, dieses Gefühl, wie ich sie küsste, es war noch dunkel draußen und ich küsste ihre nackte, warme Schulter, die so gut roch, nach ihr, nur nach ihr. Hey, sagte ich ganz leise, steh auf, wir fahren los. Sie schaute ganz verschlafen, halb geöffnete Augen und dann lächelte sie, dieses absolut einnehmende Lächeln, dem man zu keiner Stunde des Tages widerstehen konnte. Wir fuhren los und den ganzen Tag hatten wir beide dieses Gefühl, ein Kribbeln, das war ja unbeschreiblich und dann gingen wir Hand in Hand den Strand entlang, den ganzen Tag. Mehr taten wir nicht, wir spazierten Hand in Hand und schauten auf das Meer, das ruhig vor sich hin schaukelte, ein paar Möwen schwebten über dem fast spiegelglatten Wasser und es war kalt, wunderbar kalt, so kalt, dass wir uns ganz eng aneinander schmiegen mussten, so wurden wir also eins, aus dem ich und du ein wir und beide hatte wir dieses Gefühl der Einzigartigkeit, ja, fast Vollkommenheit.

Dieses Gefühl also, es war wieder da. Der Himmel blau, absolut wolkenfrei, perfekter Herbsthimmel, viel zu perfekt, denn nichts und niemand kann jemals perfekt sein, alles hat irgendwo eine dunkle Stelle, jeder eine Kante, aber das ist es doch, was uns lieben lässt. Wir. Gibt es wieder ein wir? Monatelang du und ich, nebeneinander fuhren wir, irgendwie, der eine überholte den anderen, ab und zu rammten wir uns, holten uns Dellen und Kratzer, aber wir waren immer nur du und ich. Nie wir. Und jetzt? Hand in Hand, der blaue Himmel, Menschen strömen durch die Straßen, Feiertag. Du, hast du am Telefon gesagt, ganz schüchtern und zögerlich, mit brüchiger Stimme, tagelang hatten wir nicht mehr miteinander gesprochen, du, ich möchte dich sehen, geht das? Und ich freute mich natürlich, weil deine Stimme nicht nach Ende klang, sondern nach Anfang. Natürlich! Natürlich! Sofort, ich war auf einmal ganz euphorisch, dämpfte mich aber dann. Was, wenn? Was, wenn es das letzte Mal ist? Was, wenn es endgültig vorbei ist? Nein, nein, das ist es nicht, deine Stimme klang nach Anfang, nicht nach Ende. Und dann sah ich dich, das war unglaublich, denn sofort war dieses Gefühl wieder da, du, ich, wir am Strand, wie ich dich zart weckte, dieser Tag, die letzten Jahre, alles und dann die letzten Monate und unsere unglaubliche Dummheit, denn in dem Moment, in dem wir uns wieder sahen, jetzt, hier, wussten wir es, wir wussten es einfach, die letzten Monate, reine Dummheit von uns, Idiotie, es gibt ja nichts zu Deuten, zu Zweifeln und doch taten wir es, erst du, dann ich, wir beide und verletzten uns gegenseitig, als wäre alles Kampf und jetzt? Jetzt waren wir hier.

Blick über die Stadt. Ich nehme dich in den Arm, altes Gefühl, ganz neu gefühlt. Schön. Mehr als das. Wir lächeln uns an, küssen uns, du riechst gut, so gut. Und nun? Lass uns abhauen, sagt Bonnie zu Clyde, ganz weit weg, alles neu machen, anders, besser. Geht nicht, Baby, hier und jetzt müssen wir klar kommen. Aber, die Stadt ist groß und anonym, hier geht das. Versprich mir, sagt sie, dass uns das nie wieder passiert. Das kann ich nicht. Ich kann dir das nicht versprechen, du weißt doch, das schleicht sich von hinten an und würgt dich dann unbarmherzig, aber jetzt sind wir hier, haben es abgeschüttelt, wir wissen jetzt wie, lernen vielleicht aus unseren Fehlern, hoffentlich. Zieh wieder ein, sagst du, so schnell wie möglich und ich schau dich an, weil ich das gar nicht glauben kann, gestern stand ich noch am Abgrund und heute flieg ich einfach drüber weg? So schnell, frage ich dich und du lachst. Na klar, H. und W. sind doch schon längst genervt von dir, heulst da immer rum und jammerst über dich selbst und das schlimmste ist, wenn du nachts deinen Kopf gegen die Wände haust, besoffen und genervt von dir selbst. Schatz, sagst du, wir haben doch beide Fehler gemacht und irgendwann muss doch mal Schluss sein, mit dem Gezeter, ich will dich, das ist so glasklar und du mich, das spüre ich. Ich bin baff. So viel Scheiße die letzten Monate und jetzt so viel Vernunft?

Abendsonne, wir laufen immer noch durch die Stadt, halten uns fest und träumen vom Meer, vom Strand und den Möwen. Wir wollen nicht vergessen, wir wollen aber nicht ständig an die vergangene Zeit denken, an die Dunkelheit, Neuanfang, andere Vorzeichen, wir haben Abgründe gesehen und unsere Grenzen kennen gelernt. Jetzt: Kribbeln, Berührungen, Worte, Phantasien, irgendwann wird alles wieder eins und die Nacht unendlich, draußen ist es dunkel, Kerzenlicht, diese wohlige Wärme, es riecht, wie es immer riecht, zu Hause, wie es riechen muss, es fühlt sich gut an, richtig, und Liz liegt neben mir, wir schweigen die Decke an und träumen, gemeinsam, alte Träume und neue und versuchen, über das Vergangene zu lachen, obwohl es nichts zu lachen gibt, und schauen nach vorn, Zukunft, ein warmes, wohliges Wort, in diesem Moment.

(Ende)
 
Do, 04.10.2007 |  # | (1283) | 4 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Schreib mal wieder



 

Y2K

(...)

aus dem Tagebuch "Darf ich das so notieren?" von Win K., Eintrag vom 08.09.2000

Hört denn diese Zerrissenheit nie auf? Seit Monaten schon dieses hin und her der Gefühle, erst auf die Fresse fallen, dann mutig das Blut abwischen und weiterleben und dann immer wieder diese plötzlichen Tritte in den Magen, so dass ich alles auskotzen muss, alles, alles raus aus mir, alles. Der Urlaub hat etwas gebracht, na klar, noch liegen wir nicht ganz am Boden, nein, wir halten sogar ab und zu einander fest und dann blitzt es in unseren Augen und wir wissen gar nicht, was wir sagen sollen, lachen ganz verlegen, wie Teenager, kleine Berührungen, wie kleine Geschenke, ansonsten nichts. Ich bin heimatlos, verloren, vormittags ruft Liz mich an, ob ich abends vorbei käme, ich sage ich könne nicht, ne Verabredung mit Hannes und abends steh ich dann vor E's Tür. Ich bin verrückt, denke ich die ganze Zeit, ich sollte bei Liz sein, aber E., sie ist so verlockend, eine Sirene, aber ich bin kein Odysseus, ich weiß nicht was ich will, doch ich weiß es, Liz und doch steh ich bei E. vor der Tür. Komm her, sagt sie zu mir und zieht mich in ihre Bude, aufs Sofa, DAS Sofa, wir küssen uns und sie küsst so gut und ich will nicht bei ihr sein, ich will bei Liz sein, aber die kann sich ja nicht entscheiden, sag doch mal was, sagte ich letztes Mal und sie blieb stumm. Deswegen bin ich bei E. Die ist auch stumm, aber anders, verlockend, wenn sie mich berührt, sie weiß alles, was sie über mich wissen muss, sie nennt mich Liebster und ich will es nicht. Irgendwann landen wir im Bett, vögeln und ich hasse mich dafür, das gibt es doch nicht, nein, nein und doch tu ich es. Wir rauchen, hören dämliche Songs im Radio, ich halte das nicht mehr aus, ich küsse sie ein letztes Mal, berühre noch einmal ihre heißen Wangen und gehe, fahre einsam durch die Nacht und träume von E., die sich langsam in Liz verwandelt und leise "Komm zurück zu mir" flüstert.

Wo warst du? Diese Frage. Ich kann nicht lügen und Liz schaut mich an und ich kann nicht lügen, ich sage, ich sei bei Hannes gewesen, sie ruft Hannes an. Nein, denke ich, was soll das alles, warum tut sie das, warum tu ich das, warum, warum, warum? Ich liebe dich doch, sagt sie, unter Tränen, aber du bist nicht ehrlich zu mir, du hättest mich sehen können, sie schreit, du hättest mich sehen können, vorbei kommen und in meinen Armen liegen, aber jetzt lügst du mich an, warum lügst du mich an? Ich dachte du liebst mich so wahnsinnig, warum warst du nicht bei mir, gestern, als ich dich darum bat, wo warst du? Wo? Wer ist sie? Ich Idiot, monatelang renne ich dieser Frau hinterher, kann nicht schlafen, sehe aus wie ein Stück Dreck und jetzt? Ich hätte doch nur zugreifen brauchen, alles war zum Greifen nahe, alles und der Alptraum vorbei und das Glück ganz nah. Ich kann nichts mehr sagen, meine eigene, blinde Dummheit macht mich stumm, das geht jetzt alles nicht mehr, denke ich, so ein Irrsinn, nur wegen nem guten Fick alles sausen lassen, was soll das alles? Wer bist du eigentlich? Sie schmeißt mich raus, sie weiß alles, sie kennt E., sie wird sie anrufen, Frauen machen das, Typen prügeln sich, Frauen rufen an und reden. Scheiße. Scheiße.

Mit 250 über die Autobahn. Hannes sitzt neben mir, er hat Angst um sein Auto, rase doch nicht so, sagt er und ich drehe die Musik lauter, der kann nicht schneller, brüllt er mich an, der regelt bei 250 ab, egal, egal, alles ist mir egal, ich bin der größte Vollidiot auf Erden, Volldepp, Chancentod, keine Ahnung, absolute Leere und jetzt Vollgas. 250 und noch ne Zigarette, immer weiter, weiter, die Musik immer lauter. Ich fliehe vor mir, komme aber nicht weg und geh mir selber auf den Sack. Irgendwann landen wir auf einem Zeltplatz, eine Geburtstagsfeier von irgendeinem entfernt bekannten Typen, egal, Hauptsache es gibt genug Alkohol, der den selbst zugefügten Schmerz dämpfen kann, muss. Liz hat ihr Telefon ausgeschaltet, nicht erreichbar, rede mit mir Baby, aber wozu? Vergeigt, verschissen, verloren. Dabei ist sie doch selbst schuld, sie hat mich hingehalten, hat mich leiden sehen und leiden lassen und im entscheidenden Augenblick nichts konkretes gesagt. Blödmann! Ich! Scheiße. Die Typen hier sind nur Idioten. Glatzen, Hackfressen, woher kennt Hannes die nun schon wieder? Ist der unter die Nationalen gegangen? Oi-Punk dröhnt aus einem Autoradio, Tierlaute, die sind doch hier alle strunzdumm. Es gibt genug zu Saufen, Nazis saufen immer, die trinken nicht, verpisst euch, denke ich, wann kommt denn endlich die Polizei und räumt die weg, ach Gott, wir sind in Brandenburg, die saufen doch eher noch mit. Mond überm See, Idylle, romantisch, Knutschkulisse und ich saufe Schnaps aus der Flasche, irgendwann muss ich kotzen, das ist alles elend, die Zigaretten schmecken nicht mehr und Liz hat ihr Telefon immer noch ausgeschaltet. Ein schöner Platz zum Sterben, denke ich im Suff, einfach den Schalter ausknippsen und die werte Menschheit nicht mehr mit meiner Anwesenheit behelligen, im Hintergrund dröhnen die Onkelz aus dem Auto, lieber stehend sterben, als knieend leben, ihr sagt das so einfach, ihr Penner, ihr habt doch keine Ahnung, genauso wenig wie diese besoffenen Nazis da hinten, irgendwann schlafe ich ein, am See, Mond darüber, kühle, dunkle Septembernacht.

(...)
 
Mi, 26.09.2007 |  # | (1298) | 2 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Schreib mal wieder



 

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