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Halloweengeplänkel

Liz wirbelte durch die Wohnung und verteilte kleine Halloween-Figuren auf den Fensterbrettern, ganz dezent und unaufdringlich, zwischen Kastanien, Eicheln und Bucheckern, zwischen halb verbrannten Kerzen und den neusten Bildchen, die sie vor kurzem in einem dieser kleinen Kramläden gefunden hatte und die wunderbar in ihre Herbstdeko passten. Deko war ihre Sache, das musste sein, da konnte ihr keiner etwas vormachen. Win saß missmutig am Schreibtisch, starrte selbstvergessen auf den Bildschirm seines Notebooks und klickte ab und zu auf den Reload-Button seines Browsers.

"Meine Güte, nix los heute. Keiner schreibt mehr schöne Sachen oder ich finde sie einfach nicht mehr. Sollte ich doch wieder mal ein Buch lesen?"

Wenn er dort saß, vergaß er alles um sich herum, selbst die bezaubernd tänzelnde Liz, die ihn gerade wieder aus dem Augenwinkel beobachtete und verschmitzt lächeln musste.

"Kannst du nicht mal was gruseliges schreiben?"
"Ach nö, du weißt doch, dass mir das nicht liegt. Erst denke ich mir etwas furchtbar gruseliges aus, dann fange ich an zu schreiben, merke, wie absurd das alles eigentlich ist und ziehe es letztendlich ins lächerliche. Nein, gruseln ist nicht mein Fall, wenn es um Horror geht, bin ich viel zu rational."
"Aber an Kürbissen rumschnitzen."

Immer wieder schaffte sie es, ihn aus seiner virtuellen Wunderwelt herauszureißen, ihn abzulenken, in die Realität des Lebens zurückzuholen. Er betrachtete genüsslich ihr dekoratives Treiben, wie sie liebevoll die Details arrangierte, ihre Gedanken platzierte, ohne dabei aufdringlich zu werden. Er musste daran denken, wie sie zum ersten Mal gemeinsam an einem Kürbis herumgeschnitzt hatten, wie sie vorher ein grausames und ekelhaftes Gesicht auf den Kürbis gemalt hatten und nach vollendeter Schnitzerei über das Resultat, ein groteske Fratze, die kaum noch gruselig oder ekelhaft war, lachen mussten. Dazu dieser komische Geruch des ausgehölten Kürbis, wie er mit der Zeit langsam zusammenschrumpfte, sein Gesicht verzog, letztendlich traurig und mit leichtem Schimmel bewachsen in der Mülltonne landete.

"Wann soll ich denn wieder schnitzen?"
"Aber Schatz, nicht in diesem Jahr. Du weißt doch, wir fahren weg. Typisch für Sie, Herr Professor."

Die letzten Worte dehnte sie und musste wieder lachen, weil sie wusste, dass er über vieles nachdachte und dabei gern das reale Leben, und damit auch leider dieses hier, vergaß. Träumer. Sie nahm es hin, weil er es verstand, sie immer wieder zu verzaubern, weil er sein Problem kannte und in letzter Zeit sogar damit anfing, sich selbst kleine Erinnerungszettelchen zu schreiben ("Blumen kaufen für Liz."), die er überall liegen ließ, vielleicht auch mit Absicht.

"Sollte ich vielleicht doch eine Geschichte schreiben? Eine gruselige? Ich meine, wenn wir schon keinen Kürbis schnitzen, irgendeine Tradition müssen wir doch haben."
"Ich hätte gerne eine von dir. Also eine Geschichte. Allerdings nicht aus Tradition, dafür haben wir doch Weihnachten und außerdem wussten wir vor fünf Jahren noch nicht einmal, was Halloween überhaupt ist. Ich dachte ja immer gleich an diesen Film, du meist an die grässlichen Smashing Pumpkins. Eigentlich weiß ich es jetzt auch noch nicht, was es ist. Dieses Halloween."

Win murmelte etwas von dem genialen Billy Corgan, schaute wieder missmutig auf das Display des Notebooks und hämmerte ohne große Lust auf der Tastatur herum.

"Hier. In der Wikipedia, steht ganz schön viel zu Halloween. Ein Fest für die Toten, zurückkehrende Seelen von Verstorbenen, Druiden, Kelten, na ja, und die katholische Kirche darf auch nicht fehlen. Ach, und hier steht etwas über den Kürbis. Na das war klar, ein Typ verkauft seine Seele an den Teufel, nur um sieben Jahre lang der Beste zu sein und hängt als Zeichen seiner Dummheit die Kürbislaterne raus. Und weil er überhaupt so blöd war, seine Seele an den Gehörnten zu verkaufen, wurde er bestraft und muss jetzt untot durch die Welt ziehen. Toll. Haben wir unsere Seelen verkauft?"
"An die Kinder vielleicht."

Beide lachen leise.

"Was soll ich gruseliges schreiben, wenn es diese Geschichten schon gibt?"
"Alles gibt es schon irgendwie, oder? Die Sachen, die du sonst so schreibst, gabs doch auch schon, wird es immer geben und trotzdem hörst du nicht damit auf oder erschießt dich am Ende noch. Das allerdings, Geliebter, wäre tragisch."

Ihr Humor, unschlagbar. Win überlegte kurz. Es gab da ein paar Erinnerungen, Ängste, Alpträume, daraus könnte man eine wunderbar gruselige Geschichte basteln, jetzt gleich und hier. Er öffnete das Fenster seines Schreibprogramms und begann zu schreiben.
 
Fr, 27.10.2006 |  # | (1142) | 10 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Schreib mal wieder



 
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