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Also doch weiter ich

Als Blogger bin ich ja mein ganz eigener Paparazzo und mein Blog ist mein ganz persönliches boulevardeskes Käseblättchen. Bufflon, November 2007

Während anderswo die Idiotie über Freiheit und Demokratie siegt und wir alle mal schnell unter Generalverdacht gestellt werden (Ist doch alles nicht so schlimm, nich, denn Sie, ja, genau Sie, Sie haben ja eh nichts zu verbergen, stimmts, Sie sind immer treu und rein, natürlich.), treibt mich nur wieder mein blogistisches Pseudo-Ich um, das es sich inzwischen unter dem dunklen Stern der Kapitulation gemütlich gemacht hat. Herbstdingenskirchen, vielleicht.

Kapitulation, das bedeutet am Ende vielleicht nichts anderes, als sich still und leise in seinen eigenen, wohlbehüteten Elfenbeinturm zurückzuziehen und sich selbst zu fragen, ob noch alles richtig läuft. Es geht ja gar nicht mehr um Selbstgeißelung oder Kasteiung oder dröge Melancholie der Selbstzerfleischung (mein Lieblingsthema) sondern eher um die Frage: Bin ich eigentlich ganz richtig im Kopf? Das ist natürlich ein Prozess, die Selbsterkenntnis und der geistige Schwund und es gibt so viele Keile um einen herum, die sich in den (hoffentlich?) intellektuell fitten Körper bohren, pieksen und dann, wenn man endlich den Ausblick aus dem hohen Turm des Dilettantismus genießt, weiß man, dass dumm sein und Arbeit haben eben doch das Glück sein könnte.

Dieses etwas abgewandelte Zitat ist natürlich ein Widerspruch zum erwähnten Dilettantismus, denn welcher prekariöse RTL2-Konsument arbeitet sich tatsächlich des nachts durch den so wunderbar zelebrierten Nihilismus eines Gottfried Benn, möchte an dieser Stelle der Wissende ganz richtig bemerken. Nun gut, plaudere ich einmal aus dem Nähkästchen, ohne mit rein zufällig angesammelten Halbwissen kokettieren zu wollen, det iss jetze nich janz so meen Ding.

Lesen, zum Beispiel, das ist in erster Linie das Stillen eines Hungergefühls, Hunger nach einem Futter, dass die Realität ja doch nicht so unbedingt zu bieten hat. Ich selbst bin doch eher der sich selbst behütetende Normalo, so dass ich nun wirklich nicht von unzähligen und unglaublichen Abgründen, Tragödien und Dramen zehren könnte, nur die Sache mit dem Lachen bekomme ich noch relativ realistisch hin. Wirklich. Also muss Futter von außer her. Literarisches Entertainment? Das allerdings auch nicht. Mehr. Mir selbst fiel an mir kürzlich auch noch auf, dass ich wunderbar und gepflegt lieben kann, aber überhaupt nicht hassen. Das ist doch komisch (und vielleicht auch schlimm), denn in dieser Welt scheint doch der Dualismus absolutes Gesetz zu sein: Leben und Tod, Gut und Böse, trallalla und pipapo. Sie wissen schon. Abgrundtiefer Hass, bedingungslose Liebe, da fehlt mir wirklich etwas, sieht man einmal von Typen ab, die ich aus Gründen nicht leiden kann (da gibt es doch einige), die ich aber ignoriere und nicht hasse. Ich arbeite mich auch nicht an ihnen ab, so wie es manch andere gerne tun und propagieren und für das einzig richtige halten (wofür ich sie in meinem stillen Kämmerchen auch manchmal bewundere), nein, das kann ich gar nicht, ich wende mich dann lieber ab und angenehmeren Dingen zu, Kochen zum Beispiel oder eine gepflegte Verwüstung im Kinderzimmer (oder Schlafzimmer, aber pssst) oder die nächtliche Lesung eines Artikels in der Spex, meinetwegen. Bin ich einfach zu gutmütig? Emotional gestört? Ich weiß es wirklich nicht.

Ich lese also, um ein paar Gefühle zu ersetzen, im Bestreben zu lernen, wie es sein könnte und drehe dabei meinen eigenen Film. Und das tue ich nicht, um mitreden zu können, das tat ich früher, allerdings sah ich da eher fern (MacGyver, jeden Nachmittag, Sie wissen schon), so wie alle, Schulhofgespräche, man will ja schließlich mitreden können, etwas zu sagen haben und weil ich das jetzt nur noch für mich tue, will ich weder mitreden, noch kokettieren, noch zitieren, was ich ja sowieso nicht mag, weil viel zu oft der Zusammenhang flöten geht, wenn man einzelne Sätze aus den komplizierten Gebilden artistischer Schriftstellerei herausreißt und allein und nackt und ungeschützt in die Gegend stellt, und am wenigsten will ich klug daher reden, wie es so viele um einen herum tun, die die Weisheit mit scheinbar riesigen Löffeln gefressen haben und nun mit der ganzen reingefressenen Scheiße das arglos daher kommende Umfeld zuschmeißen müssen. Sorry für diese kurze Entgleisung.

Herzlichen Glückwunsch, übrigens, wenn Sie sich bis zu dieser Stelle im Text durch ein paar scheinbar zusammenhanglos zusammen gewürfelte Gedankenfetzen geradezu durchgefressen haben, denn nun werde ich Ihnen völlig unaufgefordert verraten, worum es mir eigentlich geht: Kapitulation, nämlich. Der Gedanke, dieses Blog, das irgendwann irgendwie ein komische Richtung eingeschlagen hat, einfach so stehen zu lassen, ganz leise "adieu" und "bye bye" zu sagen und das alles, was hier passierte und passiert, in der Stille der Nacht und nur noch im ganz privaten Moleskine stattfinden zu lassen. Allerdings, und das wurde mir beim mehrmaligen, gebetsmühlenartigen Hören des letzten Tocotronic-Albums klar, ist gerade das ja gar keine für mich akzeptable Lösung, sondern genau das Gegenteil muss her, das Weitermachen, egal wie, egal wofür, egal, egal, egal. Außerdem ist ja weitermachen unglaublich sexy (vermute ich) und so herrlich positiv, auch ohne Groupies und Anbeter (aber gerade deswegen) und vielleicht lern ich am Ende noch ein Portiönchen Hass kennen? Also: Ja. Alles. Weiterhin. Tschuldigung, das hab ich mir jetzt mal so erlaubt.
 
Mi, 14.11.2007 |  # | (467) | 4 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 

Einer aus der Reihe

Der kluge Schiss kommt ganz gewiss, auch wenn es erst am Abend iss.
 
Mi, 14.11.2007 |  # | (943) | 6 K | Ihr Kommentar | abgelegt: lebensweisheiten



 
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