Zerbrechlichkeiten Kinder. Kann man haben, muss man aber nicht. Ich kann Kinderhasser genauso wenig leiden, wie übertriebene Kinderliebe. Die einen hassen meist etwas, was sie selbst gar nicht kennen (zumindest nicht in der Dauerhaftigkeit des Elterndaseins) oder auch nur von der Kasse im Supermarkt oder der überfüllten S-Bahn, alles Orte des Stresses für Kinder und Eltern, die anderen sind Träumer. Kinder sind auch Menschen, allerdings besonders zerbrechliche. Das merkt man erst, wenn mal - natürlich nur aus Versehen - etwas lauter wird, was immer wieder passiert, denn auch der erwachsene Mensch ist eben nur Mensch und nicht die von so manchem herbei geträumte Mutterliebemaschine, und die zerbrechlichen Wesen zusammenzucken und einen ganz komisch anschauen. Als wäre man von einem anderen Stern. Oder auch wenn man sie aus dem Autositz, in dem sie eingeschlafen sind, hebt, wenn sie gar nicht wach werden dabei und man sie ein wenig beunruhigt beäugt, weil man Apathie vermutet, wo Erschöpfung den kleinen Körper in den wohlverdienten Ruhezustand versetzt hat. Die Zerbrechlichkeit, die sich zeigt, wenn man ihnen ein Schüsselchen bringt, in das sie bequem hinein kotzen können, wenn sie auch schon längst das Sofa bespuckt haben, das Sofa, das eigentlich ein weißes Designerteil sein sollte, aber aus elterlicher Weitsicht in einer kinderverträglichen Farbe und Ausstattung angeschafft wurde, man hat da ja schon so seine Erfahrungen. Die Zerbrechlichkeit, die sich zeigt, wenn man den schlappen Körper in ein Krankenhaus bringt, weil man dann doch beunruhigt ist, weil man die Katastrophen schon vor seinen Augen sieht (Notarzt, Hubschrauber, OP, Intensivstation, sorgenvolle Menschen malen sich die furchtbarsten Dinge aus). Das Krankenhaus, der Ort der tatsächlichen Kranken und der Menschen mit übertriebener Kinderliebe. Schon beim Eintreten in das Objekt, das man selbst als Kind erfahren musste, kann man Spreu vom Weizen trennen, draußen scheint die Sonne, drinnen springen Kinder umher. Eine Schwester beäugt diese Situation und fragt sich die Frage, die man sich selbst, die müde, apathische Zerbrechlichkeit im Arm, auch stellt: Was wollen diese lachenden, springenden Kinder hier? Wer verwechselte hier die Notaufnahme mit dem Abenteuerspielplatz nebenan? Wie kann es sein, dass das eigene Kindchen erst den Fußboden vollkotzen muss, um in die heiligen Hallen der gestressten Ärzteschaft eintreten zu müssen, während im Wartezimmer "Einkriege mit Zeck" gespielt wird? Nun ja, angespannte Eltern urteilen manchmal genauso vorschnell wie der gemeine Kinderhasser die schreienden Bälger pauschal verurteilt und was soll man sich aufregen, es geht doch hier sowieso nur um die schlafende Zerbrechlichkeit. Und dann, wenn alles wieder gut ist, wenn das Kind, das man tagelang beobachtete und bewachte, wieder durch die Gegend hüpft und springt und man wieder den Kopf schüttelt, die Kinderhasser schon wieder das schreiende Balg sehen und die übertrieben Kinderlieben einfach nur debil lächeln, dann kehrt die heile Welt wieder ein und die Zerbrechlichkeit rückt in den Hintergrund, alles wirkt wieder robust und gesund, bis zum nächsten Mal, nächste Woche vielleicht oder nächstes Jahr, bis die Zerbrechlichkeit vergeht, bestimmt zum dreißigsten des eigenen Kindes oder auch nie.
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