Traumnacht Passend zur letzten Nacht, geträumt von zwei miteinander telefonierenden Bloggern, die ich über ein Bluetooth-Kabel, das in meinem Router steckte, hörte: Moment mal...Wenn ich von jemandem träume und ihm Fragen stelle, dann kenne ich die Antwort nicht, solange er sie nicht ausspricht. Dennoch existiert dieser geträumte Mensch nicht außerhalb meines Gehirns, er ist nur ein isolierter Teil von ihm, zeitweilig. Jeder spaltet sich fast täglich, das heißt nachts, auf diese Weise - und verwandelt sich in Pseudopersönlichkeiten, die nur für den Augenblick geschaffen sind, für einen Traum. Es könnten erdachte Wesen sein - oder solche, die der Wirklichkeit entnommen sind. Stanislaw Lem - Test
Vereinzelt Manchmal, wenn man kurz vor der Schließung des Gehirns wegen medialer Überfüllung steht, wird man ungerecht, legt die Güte ab, die man sich über Jahre antrainierte, die Eigenschaft, all das, was man nicht mag, unkommentiert links liegen zu lassen, es einfach da sein zu lassen und gar nicht dagegen anschreien zu wollen, wie ein Marktschreier, mit sich überschlagender Stimme und Schaum vor dem geifernden Maul, ja, man fängt also an, sich zu erregen, eine leichte Röte steigt einem ins Gesicht und alle Muskeln spannen sich an und ganz sicher steigt der Adrenalinspiegel auf einen unvorstellbaren Wert, wie der eines Boxers kurz bevor er in den Ring steigt oder dem eines notorischen Pferdewetters, kurz vor seinem ersten großen Tipp und lässt einem zum Hammer greifen und alles zu Brei schlagen, was man selbst für abwegig und falsch hält. Dinge, die man in diesem Zustand der negativen Ekstase aufschreibt, sollte man in irgendeiner dunklen Ecke verstecken und am besten vergessen. # Und nebenan zieht die Schweinegrippe ein. # Wunder der Techniken, man sollte sich nicht gegen sie verschließen. Nicht jede Handarbeit ist sinnvoll, man kann das ja betriebswirtschaftlich betrachten, ich habe da mal eine kleine Kosten-Nutzen-Analyse gemacht, irgendwann in der Nacht, weil mich die Muskeln quälten, und dann kam auch noch der Fachmann für Maschinenbedienung an und sagte: Hey, Mann, ein kaputter Rücken macht gar kein Entzücken, also zück endlich die Brieftasche und bezahle etwas, für ein wenig mehr Zeit. Du wirst sehen, es lohnt sich. Stimmt. # Und dann meinte er noch, ich hätte meinen Beruf verfehlt. # Berufung: Künstler, also so richtige Künstler, Kunstschaffende, Handwerker, also nicht die, die nur so tun und gerne reden, richtige Künstler für ihr Tun bewundern und sich sagen: Hey, das kannst du nicht. So. Ist aber auch nicht schlimm. Überhaupt, was sich ein menschliches Gehirn ausdenken, erdenken, konstruieren kann. Aus welchen Gründen auch immer sich ein Mensch lieber Gedanken darüber macht, aus einer Million Geld zwei zu machen ("Die erste Million ist immer die schwerste."), anstatt ein wenig Dampf aus dem kapitalistischen Druckkessel zu lassen und die frei gewordene Gedankenenergie der Träumerei, der Erfindung von Gedanken zu widmen. Natürlich, der Mensch lebt nicht von Kunst allein, aber bitte, kann man sich an einem Goldbarren satter sehen, als an einem Picasso? # Links, Rechts, Mitte. Wo gehören Sie hin? Ich bin nirgendwo. Die einen sind mir zu bräsig und verkommen, die anderen verkommen und dumm, die nächsten verkommen in ihrer Langeweile, von den übernächsten weiß man nicht, wie viel Verkommenheit, Bräsigkeit und Dummheit versteckt sind. Diese Verdrossenheit, also das Gefühl, nicht wahrgenommen zu werden, niemanden zu haben, den man wahrnehmen möchte, der sich hinstellt und sagt: Passt mal auf Leute, meine Idee ist folgende. Und dann wird auch mal wieder etwas in Frage gestellt und nicht immer alles im Konsensbrei ersoffen. Schauen Sie doch hin: Sagt der eine was, widerlegt ihn der andere, ohne Alternativen anzubieten. Die Linke will Reichtum für alle, den Reichtum aber maximal besteuern, die Grünen wollen regieren, vielleicht auch ein bisschen was mit Öko machen, die SPD weiß nicht, was sie will, Hauptsache regieren und die CDU hat mehr Kraft als Ideen. Diese andere, blau-gelbe Partei kenne ich gar nicht. Von der Wahl zur Qual, niemand steht auf, haut mit der Faust auf den Tisch oder zündet den meinetwegen auch an und schreit dann laut "Revolution! Anarchie für alle." oder so etwas. Nein, statt dessen graue Mäuse, die immer alles richtig machen, weil sie gar nichts machen, na ja, vielleicht machen sie etwas, aber nichts was der Gesellschaft auf Dauer gut tut. Ob die Piratenpartei, die mir der supi-dupi-wahl-o-mat zur Wahl vorgeschlagen hat, diese Kohlen für mich aus dem Feuer holen kann, ich bin mir nicht sicher. Und auch: Zeit | SpOn
M6 Die Straßenbahn, die Straßenbahn. M1 und M6 liefern sich ein Wettrennen, zumindest wenn es nach den Anzeigen am modernen Haltezeitenmonitor geht, der meistens stimmt, es ist nicht alles schlecht, im Berliner Nahverkehr. Na gut, manchmal wird die Definition einer Minute etwas weniger strikt ausgelegt, dann hat eine Minute mal schnell neunzig Sekunden oder hundertzwanzig, aber meistens stimmen die Zeiten, ich muss das wissen, denn ich beobachte die Anzeige genau. Und meine Umgebung. Dieser Mann zum Beispiel, wie er angerannt kommt, nicht hetzend, aber trotzdem die Beine ordentlich schwingend, ganz bestimmt und wohl wissend, dass in Kürze eine Bahn hier einfahren wird und er bestrebt sein muss, diese als erster zu betreten, um sich einen Sitzplatz zu sichern, möglichst einen Einzelplatz am Fenster. Aber vorher noch Rauchen. Hastig am Glimmstengel ziehen, schnell den Rauch wieder aus der Lunge blasen, durch die gelben Zähne hindurch, am grau-gelben Bart vorbei, hinaus in die milde Spätsommerluft, wann kommt denn endlich diese blöde Bahn? Die Anzeige verspricht sofortiges Eintreffen, ungeduldig blinkt das Fahrtziel dieser Linie in einem geheimen Takt, blink blink blink, die Realität sieht leider anders aus. Der Mann krault sich den Bart, ziept und zerrt an seinem kurzärmligen Holzfällerhemd herum und schaut der jungen Frau, die neben ihm ebenfalls gespannt auf die Bahn wartet, in den Ausschnitt. Sardinenbüchse. Seitdem die S-Bahnen streiken, ist die Fahrt mit der Straßenbahn unangenehm geworden. Wo man vor kurzem noch freie Sitzplatzwahl hatte, blicken einem nun müde, gerötete Augen ins Gesicht, gar nicht mal fragend, nicht einmal hämisch oder grinsend, meistens ausdruckslos und müde. Kleine, heimlich Blickgefechte mit entzückenden Damen sind in diesem Klima der Überfüllung natürlich ebenso ausgeschlossen, wie die Lektüre schwerstintellektueller Schwarten, ich halte mich an die Abenteuer eines gwissen Pirx. Der Mann im kurzärmligen Holzfällerhemd hastet durch die Gänge, wobei man ja nicht von Hasten reden kann, es ist eher so ein Drängeln mit irrsinnigem Blick und ausgefahrenem Ellenbogen, wahrscheinlich hat er irgendwo einen freien Platz erblickt, den er nun irgendwie ergattern, für sich sichern muss, denn das hier ist der tägliche Kampf ums Sitzen, den er anführt, mit wehender Nikotinfahne. Und es gibt nichts Schlimmeres, als kalter Rauch in überfüllten Straßenbahnen.
1310 Auf Wunsch eines einzelnen Herrn, habe ich an einer dieser berühmten Bloggerumfragen teilgenommen. Hören Sie selbst.
Vereinzelt Schöner Morgen. Die Fenster aufgemacht und gleich roch es, wie es immer in den Sommern im Brandenburgischen roch, wenn Oma morgens die Tür aufmachte und von draußen diese frische, feuchte Nachtluft aus dem Wald, von den Wiesen und vom See in den kleinen Bungalow strömte und die Sonne auf die Terasse schien und ich mich bereit machte, für meine Abenteuertouren durch die Wälder, über die Felder, immer am See entlang. # Fucking Berlin: Die Tram war eine Sardinenbüchse. Natürlich, dachte ich sofort, jetzt ist es schon wieder passiert. S-Bahnen fahren nicht mehr. Besser gesagt dreiviertel aller Züge. Berlin möchte Weltstadt sein und die Bahn schickt Provinzmanager. Davon aber gleich vier. Natürlich, super, die Gewinne in den letzten Jahren. Kann man gleich einkassieren, aber. Die Manager sind weg und die S-Bahnen Schrott. Berlin ist am Ende. Wenn es überhaupt jemals angefangen hat. Seit 1945 wurde hier kaum noch was gerissen. Ja, nee, alles Schick in Prenzlberg und in Zehlendorf scheint auch jeden Tag die Sonne, aber wie, bitte schön, wollen Sie denn heute von Zehlendorf nach Prenzlberg kommen? Sehen Sie, die Realität ist ganz einfach: Meine Heimatstadt, ein Drecknest. # Und die Liebste stellt fest: Je älter man wird, umso weniger Menschen kann man leiden. Wenn wir alt sind, müssen wir wohl in der Wüste leben. Wenn wir uns dann noch leiden können. # Hitler-Porno gegen Aids, Rumänische Faulpelze, OECD-Bildungsnotstand, Finanzdepressionskrise: Wie soll ich das meinen Kindern erklären? Und wie, um Gottes Willen, soll ich ihnen beibringen, dass auch wir Geschirr von Ikea haben? (Armutsrisiko!) Mir ist schon ganz schlecht. # "Was hast du eigentlich gegen die SPD? Ich habe doch immer SPD gewählt." # "Du hast noch einen Haufen von diesen Dingern. Von diesen ähem wie heißen die nochmal? Kann ich die wegschmeißen?" NEIN!
Kasupke ist anders Meine Fresse, lass mir doch in Ruhe mit dem Internetz-Manifest, doo. Schon det kommunistische Manifest konnte keen überzeugn, nee, im Jejenteil, die Leutchens renn imma noch wie de Bekloppten innen Mediablöd und koofen supaflache Fernseha, statt ma drüba nachzudenkn, wie Scheiße die real-existiernde Welt iss und jetz noch dieser virtuelle Blödsinn. Jeh und hol mir nochn Bier, Mann, sonst krieg ick mir nich mehr ein. Der Berliner H. Kasupke, befragt zum alles bewegenden Thema "Internet-Manifest". Den alle bewegenden Onlinedienst "Twitter" kennt er übrigens auch nicht und kommentierte das Gezeigte so: "Wat isn det? Brauch ick nich, habick keene Zeit für."
Vereinzelt Wolkenbruch am Morgen, vertreibt Kummer und Sorgen. Spült den alten Dreck weg und macht Platz für neuen, Dreck. Oder so ähnlich. # Dass es morgens noch dunkel ist und die Sonne es abends ganz eilig hat, zu verschwinden, ist irritierend. Ich bin noch nicht auf Herbst eingestellt. # Sich gelangweilt durchs Musikarchiv klicken. Sich gelangweilt durch die Onlinebuchhandlung schleppen. Sich ohne Suchmaschine nackt fühlen. Sich immer wieder Videos von dem neuen Diablo III anschauen, wobei man doch genau weiß, das es auf diesem Oldtimer niemals laufen wird. Das alte Ding, an dem man sich schon die Finger verbrennt, wenn man mal ein Spielchen spielt, das die Bedienung der Taste "W" erfordert. Ich gehe davon aus, dass unter dem harmlosen "W" die zur Herdplatte mutierte Grafikkarte zu finden ist, die entweder bald in Flammen aufgeht (spektakulär) oder gar nicht mehr anspringt, wenn das alte Ding angeworfen wird (langweilig). Sich gruseln bei der Vorstellung, dass der Bildschirm schwarz bleibt. Sich unwohl fühlen, angesichts dieser Abhängigkeit. # Poetry and Motion # Am unangenehmsten sind die Menschen, die ihre Urteile fällen, ohne den Verurteilten überhaupt zu kennen. Das ist auch so eine aus dem realen Leben in die Onlinewelt herein getragene Unsitte, Unmöglichkeit, zeigt aber, dass es hier eben gerade nicht viel anders ist, als dort. Sich selbst dabei ertappen, Urteile über Menschen zu fällen, die man gar nicht kennt. (Beispielsweise diese Menschen auf den Wahlplakaten allerorten: Alles Unsympathen, wenn Sie mich fragen, die ich gar nicht wählen kann, weil mir immer schlecht wird, wenn die auf mich herab blicken, als sagten sie: Ach, komm, du willst es doch auch.) # Ich packe eine Bücherkiste und packe einen Bukowski ein. Und Sie?
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Letzte Aktualisierung: 03.06.2024, 07:57 Links: ... Home ... Blogrolle (in progress) ... Themen ... Impressum ... Sammlerstücke ... Metametameta ... Blogger.de ... Spenden Archiviertes:
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