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Morgen fahr ich wieder Bahn

Der Wecker klingelt, ich war schon vorher wach, einen kleinen Fuß im Gesicht, wie hat der sich hier schon wieder reingeschlichen? Draußen ist es angenehm kühl, der Himmel strahlt aber schon gefährlich blau, ohne Wölkchen, das Gesicht im Spiegel meint, ich solle doch bitte schön wieder in der Falle verschwinden. Denkste. Ich hätte schon vor einer Stunde aufstehen sollen, wach werde ich abends zwischen neun und zehn, bin es irgendwann zwischen eins und zwei und dann wieder nach vier Uhr, morgens. Nicht besonders gesund, man kann ja auch nicht den ganzen Tag verschlafen und deshalb richte ich mich auch nicht nach diesem Rhythmus, höchstens ab und zu mal, damit ich mich nicht vollend einschränke. Mit den entsprechenden Folgen, Kinder haben die unangenehme Eigenschaft, Frühaufsteher zu sein, jedenfalls die, die hier rumspringen und das dürfen die auch. Der Tag wird dann allerdings lang und abends fallen einem die Augen zu, wenn man mal wieder eine Nacht durchgemacht hat, da helfen auch nicht gefühlte vier Liter Kaffee. Diese Zeit vergeht wieder, irgendwann werden sie uns anmaulen, weil wir es wagen, sie vor vierzehn Uhr zu wecken, womöglich noch mit einem Staubsauger, ich kenne das auch noch so, alte Familientradition.
Dem Straßenbahnfahrer winke ich munter zu, er weiß damit nichts anzufangen, ich kann es ihm aber auch nicht erklären. Heute mal wieder Daft Punk im Wechsler, einfach auf irgendeinen Knopf gedrückt, passt schon. Siebzehn Grad, da kann man noch atmen, gestern abend war das Haus noch ganz heiß von außen, soll es die Wärme ruhig speichern, der Winter mit Temperaturen unter minus zehn Grad wird wiederkommen, wahrscheinlich. "Around the World" - das wäre jetzt etwas für mich, bloß weg von hier, kann man doch alles nicht ertragen. Selbst der Große hat genug, wovon weiß ich nicht, aber fragen wie "Wenn man tot ist, kommt man unter die Erde, oder?" kommen ja nicht von irgendwo her, nicht das der auch so einer wird, der lieber über den Tod nachdenkt, als über das Leben. Wahrscheinlich haben wir in letzter Zeit zu wenig mit Lego gebaut und zuviel "Räuber und Gendarm" gespielt. Ich sage "Ja, bei uns ist das so." Ihm genügt diese Antwort, vorerst. Gern hätte ich ihm noch gesagt, dass der Tod unvermeidbar ist und es sich deshalb nicht lohnt, darüber nachzudenken, dass viele aber hoffen, dass es danach irgendwie weiter geht, ich aber befürchte, dass dies nicht so sein wird. Sichere Erkenntnis gibt es dazu nicht. Irgendwann wird er das alles wissen wollen.
Im Strom der vor sich hin plätschernden Autos schweift man ab, lässt die Gedanken kreisen und irgendwann erinnere ich mich an einen Sommertag vor Jahren, dieser Gedanke hatte gestern schon kurz aus dem Gedächtnis herausgelugt, angeklopft und kurzzeitig Gänsehaut verursacht, bei vierundreißig Grad im Schatten. Ein Anruf, eine zittrige Stimme, panisch, ängstlich, weinend - "Es ist schon wieder passiert." Ich wusste nicht, was sie genau damit meinte, aber es muss schlimm gewesen sein. Sie wusste nicht wohin, sie wollte nicht reden müssen, nur weinen, still in sich hinein, vielleicht ein wenig Wärme spüren, Liebe, eine einfache Umarmung. Dieses Gesicht werde ich nie wieder vergessen, die Verzweiflung in ihren Augen, stumme Hilfeschreie, die heute immer noch keiner wirklich hört, hören kann, wer sieht schon die Schnecke, die sich in ihrem Haus verkriecht.
Letztens sagte jemand zu mir, ein oder zwei Klapse auf die Hand oder den Hintern sind nicht schlimm, die gehören zur Erziehung dazu. Ich fragte ihn, wo da die Grenze sei, ob er sich nicht vorstellen könnte, dass er auch mal wütend wird, wenn diese Mittelchen nicht mehr helfen sollten und ob es dann nicht schnell passieren könnte, dass er die Kontrolle über sich verliert und ausrastet. Er hat sich unter Kontrolle, sagt er, ich wünsche es seinem Kind.
Dunkle Gedanken an einem warmen Sommermorgen, wahrscheinlich wird es mal wieder Zeit, eine oder viele lustige Runden einzuberufen, nicht um zu verdrängen oder zu vergessen, sondern einfach um lustig zu sein, für die helle Seite im Leben, die nicht zu unterschätzen ist, die mir besser gefällt, als tiefe Abgründe, die unvermeidlich sind und nie in Vergessenheit geraten können, immer wieder auftauchen und zu überspringen sind.
 
Mi, 19.07.2006 |  # | (413) | 8 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 
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