pixel pixel



Im Garten mit B.

Sie tanzen wieder, als wäre nichts gewesen, auf Fritz läuft wieder das Loveradio und ab und an, wenn man mal zufällig reinschaltet, wippt der linke Fuß zum Beat, heute geht das mal. Man gibt sich Einfachheiten hin. Unkraut wird kurz und schmerzlos aus dem trockenen Boden heraus gerissen, die langen Arme der Zierkürbisse im Garten verteilt, im Herbst kann man die Dinger sicherlich gewinnbringend verkaufen, so viele Kürbisse braucht doch kein Mensch allein, man isst gezuckerte rote Johannisbeeren mit diesem typischen bitteren Nachgeschmack, während in den Nachrichten Bilder brennender Häuser vorbei huschen, darf man so das Leben genießen? Sollen wir uns alle duzen, fragt die BILD, so ein Schmarrn.
B. würde ich gerne wieder ein "Sie" anbieten, obwohl ich in noch nie gesiezt habe. Trotzdem. Es würde vieles leichter machen, ich könnte einfach und unverbindlich sagen: "Lassen Sie mich mit Ihrem Unsinn in Ruhe.", vielleicht käme das ja bei ihm an, evtentuell auch ein dezentes "Sie Arsch.", denn ein "Du Arsch." klingt zu unverbindlich, eher witzig, kann nicht ernst gemeint sein.
Warum? Ganz einfach, B. ist ein Mensch, der entweder schon alles erlebt hat oder, sollte dies ausnahmsweise mal nicht der Fall sein, jemanden kennt, der etwas genau so und nicht anders durchmachen oder erleben musste oder durfte oder konnte. "Bandscheibenvorfall? Da kenn ich einen und so." Ich fange an zu erzählen, B. nimmt das gern als Aufhänger, erzählt seine eigene oder eine geklaute Geschichte, eine wirklich Unterhaltung kommt nicht zustande, Monolog mit freundlichem Nicken. Ich bin ja höflich, noch. Manchmal erinnert er mich an dieses Mädel aus American Pie, die ständig quatscht und immer dieses "Also damals im Pfandfindercamp und und und.", vielleicht versteht jemand, was meine.
"Du hast aber abgenommen."; "Mensch, bist du schön schlank geworden."; "Oho, bist du schön dünn." Es interessiert ihn nicht, dass seine Frau daneben steht, wenn er Komplimente an Damen verteilt, die keine echten Komplimente sein können, weil er wieder mal nicht zugehört hat, ein anderer nicht ausreden durfte, weil er selber seine uninteressante Story an die Frau bringen musste, deplaziert, ohne Mitgefühl. Es gibt Gründe, die sich aus der Erzählung ergeben, die einfach nicht schön sind, er hätte besser mal nichts gesagt, den Kommentar in sich hinein gedacht, meinetwegen, einfach nur zugehört, ein klein wenig drüber nachgedacht, sich aus Anstand auf die Zunge gebissen. Das kann er nicht.
Der Höhepunkt kommt beim Wässern der Gartenanlage. Ein schönes Gefühl, wenn man den trockenen Boden mit diesem feinen Wassernebel benetzt, die Luft reinigt, der trockene Staub mit dem Wasser verschwindet, der Duft feuchter Erde mit dem ganzen Grünzeug, dass sich nach oben reckt und erfrischt aufatmet, mein Lieblingsaugenblick am Abend. B. erzählt von globalen Verschwörungstheorien, Illuminaten, dem absichtlich gesprengten World Trade Center ("Noch nie ist ein so hohes Gebäude nach einem Brand eingestürzt." Ich antworte: "Noch nie vorher sind zwei vollgetankte Flugzeuge mit hoher Geschwindigkeit solche Gebäude gekracht, (Sie Arsch)."), ich langweile mich nicht mehr nur, sondern werde langsam wütend. Der Schlauch muss dran glauben, ich zerre ihn durch den Garten, der Schlauchwagen kippt um, am liebsten würde ich jetzt gern zutreten, also gegen den dummen Schlauchwagen, der den Schlauch immer festhält und nicht locker lässt, genauso wie B. Ich kann mich zügeln, sage nur, dass Verschwörungstheorien mich langweilen, soll man doch dran glauben, wie die Menschen in der Steinzeit an irgendeinen hammerschwingenden Gott, der ein Gewitter mit seinem Hammer verursacht, den er ordentlich durch die Luft fegt, um die bösen Trolle zu vertreiben, anders können sie sich Gewitter nicht erklären, von der Edda hat er auch kurz erzählt. Ich will das alles nicht glauben. Danach Schweigen, man hört nur noch das Wasser plätschern, zum Glück ist es spät, B. und Anhang gehen, ich umarme seine Frau und würde ihm am liebsten zum Abschied sagen: "Machen Sie es gut, es war nett, sich mit Ihrer Frau zu unterhalten." Aber ich bin höflich.
 
Mo, 17.07.2006 |  # | (303) | 4 K | Ihr Kommentar | abgelegt: reality blogging



 
Ältere Einträge >>>

pixel pixel



(geborgt bei flickr)


Online seit: 08.02.2006
Letzte Aktualisierung: 02.04.2024, 15:05


Links:

... Home
... Blogrolle (in progress)
... Themen
... Impressum
... Sammlerstücke
... Metametameta

... Blogger.de
... Spenden

Archiviertes:

Juli 2006
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 
 
 1 
 3 
 6 
 8 
 9 
11
16
22
28
29
30
 
 
 
 
 
 
 


Suche:

 









pixel pixel
Zum Kommentieren bitte einloggen

Layout dieses Weblogs basierend auf Großbloggbaumeister 2.2

pixel pixel