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![]() Immer wieder Knecht »Knecht Ruprecht«, rief es, »alter Gesell, Hebe die Beine und spute dich schnell! Die Kerzen fangen zu brennen an, Das Himmelstor ist aufgetan, Alt' und Junge sollen nun Von der Jagd des Lebens einmal ruhn; Und morgen flieg ich hinab zur Erden, Denn es soll wieder Weihnachten werden!« (Knecht Ruprecht von Theodor Storm) Seit Kindertagen begleitet mich dieses Gedicht, immer wenn die Weihnachtszeit näher rückt, hole ich meinen Sammelband hervor, "Wunderweiße Nacht", und lese den "Knecht Ruprecht", da kann ich nichts gegen machen, es ist ein Ritual. Die Kinder interessiert das nicht so, die sind froh, wenn der Weihnachtsmann die Rute stecken lässt, ja, wie sie respektvoll leiser und ihre Augen größer werden, wenn er dann vor ihnen steht, scheinbar leibhaftig, mit Bart und Mantel. Ihnen ist egal, wer ihn erfunden hat, ob er Knecht Ruprecht heißt oder Weihnachtsmann, sie glauben an ihn, an seinen Zauber, schauen ihn mit glänzenden Augen an, vertrauen darauf, dass er ihre Wünsche erfüllt, weil sie im Grunde ihres Herzens artig waren. Wenn sie irgendwann nicht mehr an ihn glauben, wird ein Stück Kind-sein verloren gehen, denke ich manchmal und muss dann über mich selbst lachen. So ist der Lauf der Dinge, so ist das nun mal. Man kann sie nicht ewig belügen, sie wachsen, lernen, erkennen und entdecken und irgendwann werden sie erwachsen sein, kaum noch an wunderliche Dinge glauben, schon gar nicht an den Weihnachtsmann, da kann man nichts gegen machen, schade. In diesem Jahr habe ich es nicht geschafft, all meine Weihnachtsgrüße loszuwerden, der und dem wollte ich noch schreiben, mich bedanken, grüßen und Glück wünschen, nein, ich habe es nicht geschafft, wie so oft. Ich fütterte lieber meinen Affen und nun klingt es meinem Kopf, ein Wirrwarr aus "All I want for Christmas", "Coming home for Christmas" und "Jauchzet und frohlocket", am liebsten wäre ich hier. Nun denn, haken wir es ab, ziehen einen Strich und schließen ein paar Türen ab, ich setze mich an die reich gedeckte Tafel und lass die Seele baumeln, alles einmal durchlüften, auffrischen für neue Taten, gehaben Sie sich wohl, feiern Sie oder lassen Sie es, jedem Tierchen sein Pläsierchen, weitergehen wird es immer, irgendwie. Frohes Fest.
Manche Tage fangen eckig an und enden unerwartet rund. Heute morgen holperte ich mich durch die Gegend, fluchte über eine verpasste Bahn und schlechten Kaffee, nach Sonnenuntergang fing ich an zu lächeln, so ist das, wenn etwas so läuft, wie man es sich vorgestellt hat. Yes. Dann ein ganz privates Konzert zu Hause, Männer allein zu Haus, sie tun nichts von dem, was sie eigentlich sollten, schon gar nicht, wenn sie verboten gute Laune haben. Gerade als ich lautstark ein soulmates never die durch die Bude jaulen wollte, erschien mir Bob der Baumeister, nein, nicht das Kaninchen, ein blonder Zwerg, gelb behelmt, wild hüpfend und Luftgitarre spielend, soulmates never die. Später wurde ich mit "Ach, da ist ja der Latte-Mann" empfangen, ich war perplex und wollte den Spruch gleich auf mein T-Shirt haben. Ich beobachtete Espresso schlürfend drei junge Damen beim Tratschen, unglaublich, worauf Frauen so alles achten, Mann entgeht tatsächlich einiges, ist mir alles noch nicht aufgefallen. So, und jetzt, jetzt geh ich erstmal rauchen, für den Genuss, nicht für die Sucht, die ist längst überwunden.
Ruhe in Frieden Gestern zog der schwarze Duft des Todes durch die in diesem einen Moment viel zu stille Wohnung, ein letztes, kraftvolles Zucken und eine kleine Kaninchenseele entschwand in vielleicht weit entfernte Regionen, verließ den geschundenen Kaninchenkörper, befreite sich von den Fesseln des irdischen Kaninchenlebens, entschwand leise aus seinem goldenen Käfig. Ein schmerzlicher Verlust, vor allem für die Kinder, die dieses kleine, schwarze Tierchen unbedingt nach diesem komischen Baumeister mit den sprechenden Baumaschinen benennen mussten, fortan wird dieser uns also an unser armes, kleines Zwergkaninchen erinnern. Gierig stürzte sich der kleine Racker auf die ihm täglich dargebotenen Leckereien, Möhren, altes Brot, Kartoffelschalen oder Heu, er lebte in Saus und Braus und fraß auch nur ein oder zwei Mal ein Kabel an, er meinte es nicht bös, das lag in seiner Natur, ansonsten war er ruhig und wunderbar erträglich, vor allem wenn man regelmäßig seinen Käfig säuberte, kuschelig und biss auch nie, na gut, bis auf dieses eine Mal. Vielleicht mochte er mich auch einfach nicht. Ruhe in Frieden, du süßes Tier, wir werden dich vermissen, die Kinder werden immer wieder in den Himmel hinauf schauen und an dich denken, bei deinem Kumpel, dem Hamster, war das auch schon so. Gute Reise und vergiss uns nicht.
Warten auf den Weihnachtsmann (Der Titel gefällt mir nicht, vielleicht fällt mir noch etwas besseres ein.) In Rudow blinken lauter bunte Lämpchen. Das ist natürlich übertrieben, aber in einem kleinen Eckchen so beobachtet, ich habe es so gesehen, da kann ich nichts für. Bei uns ist es dagegen dunkel und kalt, ein Freund meinte einmal: "Ihr wohnt doch schon fast in Polen." Tiefster Osten, fast Sibirien, aber beschaulich. Vor allem im Winter, wenn es krachend kalt ist, Minus fünfzehn Grad, Windchill Minus dreißig, Sonnenschein, ohne Handschuhe sterben nach fünf Minuten die Fingerkuppen ab, beim Auftauen dann ein unbarmherziges Brennen, Glühwein intravenös, das wäre ein Traum. Mutige Schlittschuhläufer auf dem ächzenden Eis des Obersees, drüber spaziert und schief angeschaut, was nicht ist, kann nächstes Jahr noch werden. Der Weihnachtsmarkt war nichts für claustrophobische Menschen, insgesamt kein wirkliches Vergnügen und nicht einmal mit einer herbstlichen Dorfkirmes vergleichbar. Manchmal wünsche ich mich in ein klitzekleines Häuschen, irgendwo an einem fernen Gletscher, Sonnenaufgang über den Bergen, glasklare Luft, der Atem gefriert sofort zu kleinen Kristallen, die langsam zu Boden rieseln, an der Baumgrenze umkreisen hungrige Wölfe lauernd unter der grausamen Kälte leidendedes Wild, der Schnee ist verharscht, die Läufe halb verhungerter und schwacher Rehe blutig von den rasiermesserscharfen Kanten des gefrorenen Schnees, das schwächste Tier verliert den Kampf, die Wölfe überleben, gesättigt, in der Nacht als Sieger heulend, ich sitze auf der Terrasse, eingewickelt in dicke Felle und schaue den großen, weißen Mond an, der sich auf der gltizernden Eisfläche des Gletschers widerspiegelt, ein Haus am Meer wäre allerdings auch nicht verkehrt. Träume am Crepes-Stand. Fünfzehn Minuten warten für einen weichen, warmen Teiglappen, gefüllt mit Apfelmus, nicht für mich, bitte. Ich nehme eine Brezel und nein, keinen Glühwein, mir reichen schon die Ausdünstungen der mich umgebenden Menschenmassen, noch einmal Kettenkarussel fahren, Freiheit in luftiger Höhe, alles dreht sich im Kreis, das Gerät schwankt ein wenig, unsicher, neigt sich auf und ab, alles in 360 Grad, Mädchen kreischen laut, das ist ja wie im echten Leben, nur steh ich unten und mache ein schlechtes Foto. Schlecht. Das ist mein Stichwort. Nein, ich fühle mich nicht schlecht, es geht mir auch nicht schlecht, aber manchmal empfinde ich mich so. Ich sollte aufhören zu lesen, Gedichte und Geschichten, da wird man neidisch, fängt an, an sich selbst zu feilen, bis nur noch ein Stumpf übrig ist, traurig, hässlich, kaum der Rede wert. Stimmt nicht, Selbstbewusstsein ist der passende Gegensatz aus dem Emotionsbaukasten, meine Schwester hat ein kleines, dickes Schweinchen am Spiegel zu kleben, man sieht morgens garantiert besser aus als dieses ringelschwänzige rosa Dickerchen. Wir suchen die Lücke, stellen uns etwas abseits zum dahinfließenden Strom der vergnügungswilligen Menschenmassen, ich beobachte, denke, früher gab es Kinderchöre auf dem Weihnachtsmarkt, heute gibt es die ca. 1/2 Meter lange Bratwurst und Lumumba, ich gehöre nicht dazu, bin trotzdem ein Teil davon, sie drängeln, schubsen, murren, lachen, rauchen, rennen oder bleiben stehen. Am Ende flieht die ganze Familie, die Kinder hatten ihren Spaß, besonders der eine, der ganz oben auf meinen Schultern saß, er hatte den Überblick, hob sich ab von der Masse, kindliche Betrachtung von oben, anderes Blickfeld sowieso. Für den Notizblock (Fragen, die demnächst erläutert werden sollten): Gibt es einen zweiten Weltraum? (kindlich-philosophisch, abgeleitet aus "Ich hab dich bis zu dem anderen Weltraum lieb." - eine dankend angenommene Liebeserklärung, erwidert, den Hinweis auf die eventuelle Unmöglichkeit weggelassen, Kinder soll man träumen lassen.)
Herr Bufflon, böse und gemein Grundsätzlich bin ich Optimist, Idealist, suche ein erreichbares Ziel und gehe den dazugehörigen Weg, grundsätzlich ist ein doofes Wort, finde ich, denn es lässt Lücken, durch die man schlüpfen kann, Schlupflöcher, durch die man entfliehen, es trotzdem anders machen kann. Grundsätzlich ja, aber. Deswegen entfliehe ich auch ab und ab dem Optimismus, dem Idealismus, hinein in die Welt des Schlechten, des Bösen, in den Alltag der Menschen. Gemeinsam mit einem Freund wälzen ich mich dann in der Schlechtheit dieser Welt, der Boshaftigkeit der uns umgebenden Zeitgenossen, bei Tee und Gebäck werten wir angebliche Intrigen, Fallgruben, Ränke unserer Kollgegen aus, reden über Politik und Gesellschaft, regen uns auf und lachen darüber, erst traurig, dann sarkastisch und enden zynisch, unsere eigene Boshaftigkeit immer im Blick, wir sind nicht anders, nicht besser, auch wir sind nicht die Guten. Gestern wagte sich die Familie in gemeinschaftlicher Runde in einen dieser überladen adventsgeschmückten Einkaufstempel, Schuld daran war ich, denn am Tag zuvor passierte mir ein Missgeschick, ein zerbrechliches Geschenk zerbrach, natürlich nicht mit Absicht, aus Versehen und trotzdem schlecht. Den Spruch "Scherben bringen Glück." habe ich absichtlich erst nach Glättung der allgemeinen Wogen angebracht, Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Im sich drehenden Karussel der Parkhausauffahrt musste ich einen vor sich hinschleichenden Audi-Fahrer, Kennzeichen ME-irgendwas, mit gekonnter und gefühlvoller Drehung am Lenkrad überholen und in einem ersten Anflug von Boshaftigkeit dachte ich "Provinzler!" und hätte ihn gern aus der Bahn geworfen, natürlich war das intolerant, ungerecht und kindisch. Später entschied ich mich, so mache ich das übrigens immer, den kürzeren Weg zum Lieblingsparkplatz, der sich nach kurzem Blick um die Ecke als frei herausstellte, zu nehmen, anstatt drei oder vier Kilometer durch die dunkle Hölle des Parkhauslabyrinths zu schleichen, und legte einen kurzen 100m-Sprint entgegen der Fahrtrichtung der Einbahnstraße ein, es kam schließlich niemand entgegen. Nicht gerechnet hatte ich mit Familie Schneemann, allein diese Bezeichnung der vielleicht und unter anderen Umständen sympathischen Familie ist schon böse und schlecht, die ich spontan so nannte, weil alle die gleiche Grundstatur hatten, kugelrund. Sie erkannten meinen scheinbaren Fehler sofort und der in Trainingshose und abgewetzter Lederjacke gekleidete Sohn, diese Tatsache war offensichtlich, kommentierte mein Fahrmanöver lautstark, wir hörten allerdings nichts, denn auch französische Familienkutschen sind schallgedämmt, und mit einer winkenden Bewegung der Hand vor dem Gesicht. Ich winkte freundlich zurück. Wir lachten, als ich einparkte, schleppten uns in Richtung Menschenmassen, Kompensationskäufe nennt man das wohl, so kurz vor der Mehrwertsteuererhöhung (grässliches Wort, genauso wie "grundsätzlich") und trafen, natürlich, am Fahrstuhl auf die immer noch sehr erregte Familie Schneemann, die diesen Namen nach eingehender Betrachtung tatsächlich verdiente. Wie böse, schlecht und gemein. Der Sohn winkte zwar nicht mehr vor dem Gesicht herum, aber die Mutter kommentierte (man stelle sich an dieser Stelle bitte die nicht wirklich zarte Stimme der Hexe Babajaga vor) mein Fehlverhalten mit: "Ach, da is ja der Kerl, der ma fasst umjefahrn hätte." "Junge Frau, sie waren nicht zu übersehen, deshalb wäre und ist Ihnen auch nichts passiert. Außerdem laufen Sie mit Krücken, meinen Sie, ich wäre so herzlos und gemein und würde Sie einfach umfahren?" So hätte ich antworten können, tat ich aber nicht, die Angebetete lächelte mich an, schelmisch, ich lächelte zurück, die Kinder schauten komisch. Wer sich nicht wehrt, muss weiter bearbeitet werden, so eine Fahrt mit dem Fahrstuhl kann dauern und deswegen legte der Sohn gleich nach: "Leuten, die rechts von links nicht unterscheiden können, sollte man den Führerschein entziehen. Meine Jüte, wie kann man nur so blind sein. Verbrecher." Es ging noch so weiter, die Mutter hetzte mit, der Vater grinste debil, ich wollte entgegnen, dass ich sehr wohl rechts von links unterscheiden kann und die Aufregung für überzogen hielt, weil ich diese Ordnungswidrigkeit vorsätzlich, also bei vollem Bewusstsein, begangen hatte, aber keine Ordnungsmacht in der Nähe war, die dies hätte feststellen und ahnden können. Ich hatte aber auch ein wenig Verständnis, über irgendetwas musste man sich ja schließlich aufregen, das Wetter war eigentlich toll, darüber konnte man nicht meckern, so ein Grenzen überschreitender Autofahrer kam da eigentlich wie gerufen. Prekariös fiel mir an dieser Stelle noch ein, hätte ich dieses Wort benutzt, hätten sie mich wohl für einen Zahnarzt gehalten und Zahnärzte sind ja auch grundsätzlich schlecht. Wie Autofahrer. Familie Schneemann also tutterte gemeinsam vor sich hin, immer mit giftigen Seitenblicken, Familie Bufflon lächelte zu diesem erheiternden Spiel, Menschen sind schließlich nicht zu Schaden gekommen, auch wenn Familie Schneemann so tat als ob, und als die drei Kugeln den Fahrstuhl in Richtung "saubillig" verließen, wollte ich ihnen fast zum Abschied winken und "Gut Flatscreen" wünschen, ich ließ es aber, nicht das sie mir am Ende noch Boshaftigkeit unterstellt hätten.
Bilanz Ich habs ja mit Zahlen, merkt man hier aber nicht. Hier verschwende ich lieber Worte, wenn auch nicht auf solch Gänsehaut erregende Weise, ein atemberaubernder Text, der dunkle Erinnerungen und Erzählungen aus der Familie wieder in Erinnerung bringt, ich dagegen muss mich mit dem Banalen begnügen. Nein, nicht Bananen, Sie Scherzkeks. Zwanghaftes Schreiben, ja, wenn nicht hier, dann in ein Notizblock, "Tschuldigung, darf ich das kurz notieren?", die leicht überschaubare Masse schaut, kommentiert, warum das alles, weiß ich nicht genau, manchmal kennt man sich selbst nicht. Stürmische Tage, dunkle Wolken treiben über den Himmel, der Wind bläht die Jacke auf, Kälte kriecht in die Hände, in die Oberschenkel, es sind 2 Grad oder so, gefühlter Frost, immer wenn es stürmt, denke ich an den Schimmelreiter, nicht nur wegen Storm. Assoziationsketten könnte man damit bauen - dunkle Wolken, Sturm, aufbrausende Wellen, schäumendes Meer, Schimmelreiter, Storm, "Riders on the Storm", der "The Doors" - Film, den ich sogar mal in der Schule sah, verflossene Damen - es könnte endlos weiter gehen, eine Erinnerung weckt die andere, wie ein Domino-Spiel, es schwurbelt herum, in meinem Kopf und ich schreibe wieder viel zu viel, weiche ab und auf, die klare Linie fehlt. Später schneite es, nicht viel, ein wenig nur, aber es sammelte sich auf den Autos, blieb liegen und gefror, ein Vorgeschmack auf kommendes, für mich kommt demnächst etwas außergewöhnliches. Irgendwo in Schweden schneite es heftig, Bilder waren davon in den Nachrichten zu sehen, wenn es erst einmal bei uns soweit ist. In der Nacht gruselte es mich, keine reitenden Leichen, aufgeweckte Seelen längst verstorbener, keine Monster und auch keine liebeshungrige Männerverschlingerin, ein komischer Traum aus Blogestan quälte mich, solche Träume sind immer mit Vorsicht zu genießen. Unangenehm der Moment in dem man erwacht und nicht weiß, in welcher Realität man sich nun befindet, in der erträumten oder der wirklichen? Ein Blogger faszinierte mich, haute genau das Zeug raus, dass ich wollte, brauchte, Leben und Denken, Ironie, Witz und Charme, so eine Art Vorbild, wenn man so will, mehr brauchte ich nicht, ich hängte mich rein, lobhudelte und verlinkte, machte jeden Schmunzius mit, bis ich ihn in der Realität traf, durch Zufall, und er ein ganz anderer war, "Agentur Neue Mitte" oder so, einer, der eine neue Gesschäftsidee testen wollte, ausreizen, in einem offenen Umfeld, der ein Drehbuch hatte, eine vorgefertigte Geschichte, die er locker abspulte, alles erfunden, nichts real, alles Verarsche, nicht mal die persönlichen Kontakte waren ernst gemeint, Kundenpflege. Ich wollte ihm die Fresse polieren, so wütend war ich, in meiner Zunge waren Zahnabdrücke zu erkennen, beißen, beißen, beißen, akute Bloggeritis, Blogosfear, glaub ich. Auch jetzt noch bin ich sauer, komische Sache, so ein Traum. Kalte Minuten am dämmernden Hackeschen Markt. Die Bahn kam nicht, obwohl sie angezeigt war (stetig blinkende "4 Min." - einen Quatsch hat sich die BVG da ausgedacht), Millionen Krähen schwebten über dem Platz, ich musste an Hitchcock denken, hoffentlich fressen sie mich nicht auf. Aus dem Bäcker kamen die beiden Bauarbeiter, die jeden Morgen mit in der Bahn sitzen, rauchend tranken sie Kaffee, den sie auf einem Elektrokasten abstellten und dabei stumm über die mehr oder weniger leeren Straßen schauten. Abends sitzen sie wieder gemeinsam in der Bahn, später in der Kneipe an der Ecke, rauchend, trinkend, schweigend, sonntags sieht man sie gemeinsam, schon morgens beim Imbiss sitzen, rauchend, trinkend, schweigend. Leeres Leben, denke ich jeden Tag, zur Versöhnung scheint heute die Sonne, strahlend blauer Himmel, leer und weit, ab und zu ein Flugzeug, trotz Kälte, Traum und verspäteter Bahn scheint die Bilanz ausgeglichen.
Vereinfachung (Uups, der Sonntag ist schon längst vorbei? Egal.) Das Leben kann so einfach sein. So einfach, dass es nicht einmal stört, wenn der Sonntag um sechs Uhr morgens beginnt, wenn draußen ein kräftiger Regenschauer rauscht, wenn es noch dunkel ist und kalte Luft durch das offene Fenster in der Küche in die Wohnung strömt. Es riecht nach Herbst, es fühlt sich wie Herbst an, es ist Herbst. Der Weg zum Bäcker ist gelblich ausgeleuchtet, ein wunderbar warmes Licht, passender Kontrast zum kalten Wind, der gnadenlos durch die Bäume fährt und Blätter auf die Erde fallen lässt. Die Kastanien sind schon kahl, andere Bäume wandeln gerade ein kräftiges Gelb in ein dunkles Rot, ein in Gummisachen verpackter Wicht springt durch die Pfützen und lacht dabei, als hätte es nie einen Sommer gegeben, als müsste es nie andere Jahreszeiten geben, der Winter wird kommen und selbiger Wicht wird ihn ebenso lieben, wie den Herbst, den Frühling und den Sommer. So einfach ist das Leben. ![]() Ich habe keine Ahnung, stelle ich oft fest, ich spüre, fühle, manchmal denke ich sogar, ich denke: Das Leben ist schön, aber schwer oder kompliziert, wir machen es uns schwer und natürlich ist das alles eine Vereinfachung (mit gerade mal winzigem philosophischen Anspruch, dürfen Sie jetzt gerne sagen), Probleme türmen sich bedrohlich auf, riesige und dunkle Gebirge, die jeden Moment auf einen herabstürzen können, herabgefallene Brocken versperren den eingeschlagenen Weg, man muss ausweichen, Umwege gehen, nachdenken, reden, diskutieren, aus dem Weg räumen oder sich andere Richtungen suchen. Im Schatten der sich auftürmenden Felsen ist nichts einfach, nichts erscheint mehr leicht, kompliziertes Leben, schwierig zu meistern, ein ständiger Kampf, man muss immer wachsam sein, die Instinkte sind geschärft und man liegt auf der Lauer, die richtige Kleidung im Gepäck, für jede Wetterlage und auf jeden Fall festes Schuhwerk. Denken, oft denken wir uns angestrengt durchs Leben, finden keine Antworten und verzweifeln darüber, nicht denken zu müssen, kann eine Wohltat sein. Der gelblich leuchtende Weg beruhigt, das fröhliche Kinderlachen, der Blick, unverklärt und unbekümmert, einem Eichhörnchen hinterher schauend, staunen, sich an diesem schwierigen Wort versuchen, die Welt entdecken und sich einen eigenen Reim darauf machen. So einfach ist das Leben, wenn man es so nimmt, wie es einem begegnet, Wichte können das, sie sind unverdorben, unvoreingenommen, sie misstrauen nicht, leben in einer Mischung aus Realität und Phantasie, entdecken jeden Tag neues, an dem sie sich erfreuen können, stellen eigene Theorien auf, über Dinge, die ihnen so wundersam erscheinen, erscheinen müssen. Auch sie denken, aber direkt, nicht in verqueren Bahnen, ohne den Blick auf große Fragen, die wichtig sind, die einer Antwort harren, deren Beantwortung manchmal nach einem schmerzhaften Weg verlangt, stellt man sich neben die Wichte, tritt man zurück, entschleunigt, genießt, alles wird einfach. ![]() Ein Sonntag, an dem das Leben so einfach erscheint, tut gut, es kommt einem vor, als wäre man verreist, eine wichtige Auszeit, die dankend angenommen wird, wohlige Wärme und ein wenig Melancholie, um fünf wird es dunkel, Zeit für Kerzen in jeder Ecke, draußen regnet es wieder und drinnen riecht es nach Kaffee, später nach Essen, wir müssen uns keine Wunden lecken, wir können unbeschwert lachen, genießen, leben, Kraft sammeln, einfach nur leben, die Gebirge bleiben vorerst außen vor, morgen ist auch wieder ein Tag.
Szenen einer Ehe Nein, die Ehe ist weder Kampf noch Krampf, trotzdem wird nicht immer nur gekuschelt. Eine Notiz, ganz nebenbei und für mich. Sie: "Ich bin sauer." Er: "Häh." Leider hatte er das, was sie vorher sagte, überhört. Sie: "Na ja, die Sache mit dem Passfoto? Und dann noch die Sache mit dem Kinderwagen und dem platten Reifen?" Er: "Mmmpff. Ach, du nun wieder. Ja, nee. Ach, menno." Irgendetwas mault er noch in seinen Bart, mehr aus Ärger über sich selbst. Maulig und genervt zieht er dann auch von dannen. Sie (hinterher): "Ja, geh mal ruhig. Am besten in dich, doo." 15 Minuten später. Er (reuig zurückkehrend): "Ja, klar. Du hattest ja (mal wieder) recht. Hab immer so viel in den Ohren und manchmal auch drum herum." Sie: "Und ich?" Er: "Na ja, am Sonntag hab ich die Wäsche aufgehangen und den Staubsauger geschwungen - desperate houseman, you know? - und überhaupt und sowieso. Ach, komm, du hast ja recht." Sie (souverän und einnehmend lächelnd): "Sag ich doch. Bin ja nicht alleine hier." Und wieder sind wir ein Stückchen weiter in Sachen Arbeitsteilung, nur an der Aufmerksamkeit könnte noch etwas gefeilt werden, allerdings scheinen Männer auf verschiedenen Augen blind und auf diversen Ohren taub zu sein. Soviel zum Thema "Selbstzerfleischung". Aber wie gesagt: Die Ehe ist weder Kampf noch Krampf. PS: Das kommt davon, wenn man sich in eine emanzipatorische Motivations-Phase begibt.
Herbstputz Wieder ein kalter und grauer Morgen, in der Luft häng feuchter Nebel und es ist kalt. Würde die Sonne scheinen, könnte man sich endlich am Strahlen der goldgelben Blätter der langsam kahler werdenden Bäume erfreuen, doch die Sonne ziert sich, nur ab und zu kann man einen hellen Punkt am grauen Himmel erahnen, ansonsten gibt es nur diese graue, kalte Einheitsbrühe. An Tagen wie diesen rennen wir nicht lachend durch die Wohnung, wir schleppen uns auf müden Knochen, halten uns den steifen Rücken und verlangen lauthals nach Ganzkörperkörnerkissen, denn Heizdecken sind doch, sind wir mal ehrlich, unmöglich, können sie doch nicht mit diesem typischen Geruch heißer Kirschkerne oder mit dem angenehmen Duft aufgewärmten Dinkels aufwarten, nur die wohlige Wärme einer Wärmflasche könnte da eventuell noch mithalten, vielleicht mit einem netten Duftroma? Aber bitte nicht Vanille. Anstatt sich im Bett zu suhlen und sich der angeblichen Gebrechlichkeit hinzugeben, widmen wir uns mit preußischer Gründlichkeit dem schon lange fälligen Herbstputz. Im Sommer hat man keine Zeit für gründliche Reinlichkeit, alles ist oberflächlich, das Leben findet draußen statt, in Parks und auf Spielplätzen, im Garten, an Seen, auf der Straße, bloß nicht in der Bude hocken, zu viel Leben könnte man verpassen, der Sommer sollte unendlich sein. Solange der Herbst noch golden ist, schiebt man den Reinlichkeitszwang beiseite und genießt ihn, zeigt er einem seine graue, kalte Schulter, begrüßt man ihn als peniblen Spieß, der sich weiße Handschuhe überstreift und jede noch so abwegige Ecke auf Reste übriggebliebenen Schmutzes kontrolliert, so war es schon immer, so wird es wohl auch immer sein. Auf Knien rutschen wir über den Boden, es wird gebohnert und gewachst, geschrubbt und aufgeräumt, keine Ecke wird ausgelassen, die Fenster blitzen plötzlich, dass man denkt "Wow, da kann man auch durchsehen.", die Decke wird von mit Staubflusen behangenen Spinnenweben befreit, der Staubsauger flitzt fast wie von selbst durch die Wohnung und selbst die Kinder lassen sich zu einer fast selbstständigen Aufräumaktion überreden. Nach getaner Arbeit verrät ein Blick in die Runde alles: Hier wurde gewütet, nicht nur schnöde geputzt, hier war der Putzteufel am Werke, die kittelschürzige Hausfrau, der gehörnte Besenmann und zwei kleine Engel, nur nicht in weiß.
Alles im grünen Bereich Ja, das Leben kann schön sein, über den Rest schweige ich mich besser aus. Anders mein Bekannter B., der mir heute den ganzen Abend lang grauselige Geschichten über Weltverschwörungen erzählte, die mich anfangs belustigten, später aber nur noch wütend machten. Egal. Der Tag war perfekt, wirklich. Er begann nicht zu früh und ohne brennenden und puckernden Schädel, gut allerdings die Dusche im angenehm kühlen Mineralwasser, den ganzen Tag lang. Der Sonnenschein sorgte für gute Laune, Kastanien, Eicheln und Bucheckern für Vorfreude auf kommende Bastelsstunden, na ja, und über allem schwebte diese kleine neblige Wolke in Form eines Herzens, ja, kann man denn so sehr lieben, dass man sich selbst schon fast kitschig findet, aber nicht schlimm? Ich muss mich damit noch einmal ausführlicher befassen, glaube ich. Jetzt erstmal Fotos. In den Kommentaren.
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Online seit: 08.02.2006
Letzte Aktualisierung: 03.06.2024, 07:57 Links: ... Home ... Blogrolle (in progress) ... Themen ... Impressum ... Sammlerstücke ... Metametameta ... Blogger.de ... Spenden Archiviertes:
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