Feiertag Feiertag. Irgendwann klingelt der Wecker, warum klingelt eigentlich der Wecker, dieser vermaledeite Wecker? Achso, ja, klar. Fußballjahre sind keine Herrenjahre, ich weiß schon, warum ich Handball spielte, unsere Spiele liefen immer erst nachmittags, man konnte also morgens im Bett lümmeln, sich im Morgengrauen noch einmal umdrehen, dabei katermäßig knurren und noch einmal in Träume verfallen. Feiertag. Der Morgen wird nicht heller, ein paar Regentropfen am Fenster, der Wind wirft die Haselnussbüsche hin und her, die ersten müden Blätter wirbeln durch die Luft, es ist kalt, es ist ungemütlich, es ist Oktober. Der T. ruft an, kommt bald, man hat ja noch etwas vor und er bringt etwas mit, ein Baumaschine, größeren Ausmaßes. Aber heute ist doch Feiertag, sage ich, aber was solls, wenn nicht heute, wann dann, man hat ja nicht ewig Zeit, die Dinge, die zu erledigen sind, zu erledigen, wir machen das heute gleich, sagt er und ich schwinge mich in meine drecksteifen Klamotten, schnappe mein Handwerkszeug und lege schon mal los. Feiertag. Die größte Sorge macht eine Birkenwurzel, ich schätze sie auf drei- bis vierhundert Kilo. Sind Birken Flachwurzler? Ja, die haben keine Pfahlwurzel, dafür aber arm- und beindicke Wurzeln in alle Richtungen verstreut. Hast du die Kettensäge besorgt? Ähm, nee, also, Kettensäge, ha, nein. Handarbeit. Immer wieder Handarbeit, an der Hand schon dicke Schwielen, Papa, deine Hand ist so hart geworden in letzter Zeit, ja, na ja, halb so wild. Es gibt schlimmeres. Die Wurzel wehrt sich mit allen Mitteln. Der Baum war eigentlich schon längst tot, fiel bereits im letzten Jahr, man musste ihn nur mit dem kleinen Finger antippen und schon fiel das arme Dinge, mit lautem Getöse und Krachen fiel es um, aber die Wurzel, die Wurzel scheint kerngesund, eine kerngesunde Wurzel, die sich bis zum Schluss erbittert wehrt. Feiertag. Seit drei Wochen an diesem Ding herum gehauen, gesägt, gebuddelt, gezogen, geschoben, keine Bewegung. Der Radlader senkt seine Schaufel, drückt mit aller Kraft, zieht, hebt, schiebt, drückt, macht Bocksprünge und tiefe Furchen in den feuchten Lehmboden, aber die Wurzel wehrt sich bis zuletzt. Der T. versucht es noch einmal. Das ist das letzte Mal, sagt er, sonst bleibt das dumme Ding drin oder wir zünden es an oder zerstückeln es. Schieben, ziehen, heben, drücken und dann ein lautes Kancken, Krachen, Rumms, aus das Ding, das dicke Ding, siebenhundert Kilo, mindestens, sagten wir später, denn mehr schafft der Radlader gar nicht und der war schon im roten Bereich. Feiertag. Am Abend müde in die Küche schleppen, die A. hatte etwas gekocht und der Duft zog nun durchs ganze Haus. Komm, lass uns erst mal ein Bier trinken und die müden Knochen, leicht erwärmt von einer heißen Dusche, die man schon seit dem Morgen ersehnte, auf einen Stuhl packen, ein paar blutende Wunden versorgen, aber man ist da ja nicht so, das Blut wegwischen und gut ist, wenn nur nicht der Rücken, na, biste nicht gewohnt, sagt der T. und verschwindet wieder in den anbrechenden Abend dieses Feiertags. [Bloggen als Aufsatzschreiberei. Beim Arbeiten viel nachgedacht über das Bloggen, wie einem die eigene Amateurhaftigkeit auf den Sack geht, aber, ach.com, egal.]
Wahlsonntag Wir haben sie gesehen, die Nichtwähler. Lagen faul in der Sonne und tranken Kaffee und aßen Kuchen und schwatzten blaue Rauchringe in die sommerliche Herbstluft und wir Dödel, wir liefen in das Wahllokal, um etwas zu tun, was nichts verändert. Die da oben, hört man, machen doch sowieso, was sie wollen. Würdet ihr hier nicht rumsitzen und wiederkäuen und ständig euren Dünnschiss ablassen, denkt man zurück, sondern diese eine kleine, minimaldemokratische Tat wagen, ihr könntet wenigstens dasitzen, dummlabern und sagen: Die habe ich aber nicht gewählt. Ich habe die nicht gewählt, sagte ich dann, abends, während wir faul in der Sonne saßen und uns einen Grappa aus Südtirol eingossen, von dem soll man nämlich trinken, wenn einem etwas schwer im Magen liegt. Wohl bekomms.
Die Wonnen des Spätsommers Sanddorn-Hagebutten-Marmelade aufs Brötchen, Sonnenschein auf dem Frühstückstisch, die Luft ist noch kühl, riechtaber immer noch nach Sommer. Der Nachbar reichte die Marmelade herüber und bekam dafür ein Stück vom Pflaumenkuchen, der später noch aufgetischt wurde und danach noch ein paar Schritte durch die spätsommerliche Hitze, die ja tatsächlich Hitze ist, mit dampfendem Asphalt undkühlem Schatten in kleinen Gärten, ein Spaziergang hin zur alten Kastanie, um die schöne, glänzende Kastanien lagen, Kinder scheint es hier wohl nicht zu gebe n, denn hier kann man das Säcklein füllen und auch noch aufplatzende Exemplare mit Steinen aus dem Baum holen, ganz allein, ohne Konkurrenz,mit einem spätsommerlichen Lachen auf den Lippen.
Summertime Der Samstagmorgen hatte etwas von südlicher Leichtigkeit. Als ich mich auf mein Radl schwang, um in Höchstgeschwindigkeit zum Backwarenhändler zu radeln, musste ich die Augen zukneifen und etwas von "gleißendem Licht" murmeln, natürlich nicht verdichtet. Jahrzehnte schon bin ich nicht mehr mit dem Radl gefahren, in diesen Jahrzehnten bildeten sich dann Speckfalten und die muskelbewehrten Beine wurden zu elefantösen Stampferchen, aber seit letztem Jahr hat sich alles verändert. Ich fahre nun also mit dem Radl zum Backwarenhändler, manchmal begleitet von dem einen oder anderen lächelnden und ständig bohrende Fragen fragenden Lausbuben, fahre die Straßen entlang, durch das gleißende Licht der Südberlizianischen Sonne, die Weinberge hoch und runter, den Schatten der Pinien genießend. Einbildung ist schließlich auch eine Bildung. Und wenn der Fahrwind dann das Hemdlein wehen lässt und die Schweißtropfen auf der Stirn gleich wieder trocknen und der Schmerz in den Oberschenkeln so langsam nachlässt, scheint alles gut, alles unschöne fern, man ist so schön einsam, im Fahrtwind, das ist die stürmische Ruhe vor dem unerträglichen Gesabbel der anderen. Ein wenig Misanthropie muss man sich schon leisten können. Ein Sommerfest. Wie aus einem Bilderbuch, böse Menschen behaupteten, wie aus einem Ikea-Katalog, aber Halt: Hier ist nichts perfekt. Im Gegenteil. Aber man gibt sich Mühe und tanzt den "Bitte nicht regnen!" - Tanz, zur Not betet man auch, aber nur still und heimlich, auf dem Klo. Kaffee-Tafel reichlich gedeckt, mit Obsttorten der Jahreszeit entsprechend. Es fehlt nur noch der Schatten spendende Baum und die Katalogidylle wäre perfekt. Nebenan feiert Frau ein Poolparty, frau möchte die anwesenden Männer zu eigenen Gunsten umleiten, man lockt mit Wodka-Flaschen und Abriss-Ski-Hits (so wird das wohl ausgesprochen, in Berlin), aber Mann klammert sich standhaft an seine Pulle schottischen Single-Malt und erträgt die bösen Blicke der eigenen weiblichen Gemeinschaft. Ha-ha. Bevor man den obligatorischen Grill anheizt, kommt es noch zum Singel-Malt-Fachgesimpel, man erklärt mir, dass Mann mit zunehmendem Alter immer geschmacksintensivere Sorten bevorzugt, es wurde behauptet, des liege an dem steigenden Gespür für Qualität, ich vermute dagegen, dass der Mann mit zunehmendem Alter einfach seinen Geschmackssinn verliert. Mir reicht ein wenig Milde und dann gingen die Sterne auf und es war warm und blieb warm und man war auch ein wenig betrunken, vom Single-Malt, eine Sommernacht wie aus dem Bilderbuch. Aus Versehen verkaufte mir die vietnamesische Zeitungsverkäuferin, die jeden Sonntag vor dem Backwarenhändler sitzt und beim Verkaufen ihrer meist minderwertigen Zeitungen regelmäßig einschläft, weil sie wahrscheinlich schon im frühen Morgengrauen große Pakete stinkender Boulevardblätter durch die Gegend bugsieren muss, die Sonntagsausgabe des "Tagesspiegel", den ich grundsätzlich meide. Das ungute Gefühl bestätigte sich dann auch, beim Herumliegen im gleißenden Licht des zweiten herausragenden Hochsommertages des Jahres (andere habe ich gar nicht mitbekommen), hier war nichts zu holen, was mein Herz für diesen Sonntag begehrte: Tiefgang. Vielleicht bin ich auch ignorant und voreingenommen, vielleicht auch zu anspruchsvoll, vielleicht bin ich vom Internet verwöhnt, vielleicht sind die Schauklappen zu groß und der Intellekt zu klein, vielleicht, vielleicht, vielleicht. Dann also lieber auf den Sattel schwingen und in die Pedalen treten: Hey Jungs, hey Geliebte, lasst uns um die Wette radeln, ich kenne da einen schönen Weg, im gleißenden Licht der Südberlizianischen Sonne, mit Weinbergen und Weingütern, lasst uns den kühlen Schatten der Pinien genießen.
Leben und so Thank god it's friday i'm in love. Und dann steht man vor einem Berg, der ganz klein und niedlich aussieht, wie er so von der Ladefläche rutscht, schwarz und feucht, sich aus seinem mobilen Gefängnis befreit, um abgelegt zu werden, auf dem harten Boden aus Lehm und Beton. Swuuusch. Die Kinder staunen, man lächelt so ein wenig in der Morgensonne, setzt sich auf sein Fahrrad und haut ab. Und tschüss, ihr macht das schon. "Wer singtn det?" - "Weiß ick nich." - "Hhmm, iss det Beth Ditto?" - "Häh, wer?" - "Na von "The Gossip"." - "Keene Ahnung." - Kurze Pause. - "Is det nicht die dicke Trulla aus deiner intellektuellen Zeitung?" - "Wat hat denn Pop mit intellektuell zu tun?" - "Häh?" - "Siehste." - "Na, jedenfalls singt die dicke Trulla da nich schlecht." Nichts ist mit "Ihr macht das schon." Wir machen das schon. Ein emsiges Hin und Her und irgendwann kann man sagen: Schaff dir einen Garten an und du bist die großen Sorgen dieser Welt mit einem Mal los, du bist befreit von Rezessionen und dummen Kriegen, von dem ganzen nutzlosen Gelaber der hyperaktiven Mediengesellschaft, den sinnbefreiten Werbekampagnen, dem Geschwätz der Nichtswissenden, denn du bist nun Kultivator, ein Bezwinger der Natur, du erschaffst Landschaften, formst sie nach deinen Vorstellungen, zwingst ihnen deinen Willen auf, ohne Wenn und Aber und wenn sie sich doch einmal wehrt, dann fährst du Geschütze auf und jätest Unkraut. Aber merke dir: Vor die ruhige Stunde auf der kleinen Bank im Schatten des Baumes hat Gott den rinnenden Schweiß gesetzt, denn diese eine Stunde im Sonnenuntergang sollst du zu schätzen wissen. Vielleicht ein wenig pathetisch. In der Ferne Donnergrollen, das Rumpeln der Raketen einer vorzeitigen Silvesterveranstaltung am (ehemaligen) Flughafen Tempelhof, dicke, schwarze Wolken ziehen vorbei, es ist herbstlich kalt. Man geht heimlich rauchen, "Komm, wir gehen mal hinter die Garage, nimm mal Zigaretten mit.", lächerlich eigentlich, aber das Leben ist nun einmal so. Und dann diese Pseudo-Bukowski-Geschichten, diese Leben, die zu fünfundneunzig Prozent aus Saufen und Vögeln bestehen, nur kommt dabei nichts raus, außer Grütze im Kopf und ein Haufen Schulden. Der eine bekommt Panikattacken und Schweißausbrüche auf der Autobahn, die es mit ein, zwei Sixpack Bier zu kühlen gilt, der nächste will sich mal zwanzig Euro leihen, für Brot und Zigaretten, denn das Juni-Gehalt und das Urlaubsgeld hat er schon lange verbraten, am ersten Wochenende in irgendeinem Puff in der Danziger Straße, das kennen doch alle, da gehen alle hin, im Morgengrauen, bis zum Mittag und wenn man mit Karte zahlt, steht auf der Abrechnung "Musikcafé". Und dann noch der Typ, der mit dieser Frau verheiratet ist, die einen Künstlernamen trägt und sich gerade wieder ihr Decolleté erweitern ließ, alles für die Kunden aus dem Internet und der Typ sitzt dann stinkbesoffen in einer Bar oder meinetwegen auch in irgendeinem Puff und ist eigentlich ein armes Würstchen, sucht sich dann einen zum Ausheulen und später dann, na ja. Und wenn das Kind mal fragt, dann sagt man vielleicht, dass es ja doch gar nicht darum geht, andere für das, was sie tun, zu verurteilen, sondern vielmehr darum, sich Gedanken über seinen eigenen Weg zu machen. Vielleicht ist man ja selbst kein Kind von Traurigkeit, aber irgendwie wurschtelt man sich soweit durch, dass man seine paar Penunsen nicht mit armen, kränklichen Rumäninnen durchbringt oder irgendwelchen Dämchen die Decolletévergrößerung spendiert, dafür aber stundenlang Gärten anlegt und sich dabei Geschichten ausdenkt. Zum Beispiel. Denke daran, palavert man altklug: Entscheide du, was du lieber möchtest.
Mist, vergessen. Die Schaufel schwingen, dunkle, schwere Erde, mit Lehm versetzt, leichter Modergeruch, aber nicht unangenehm, im Gegenteil, angenehm, hinein geschaufelt in eine Schubkarre, man zählt erst mit, später überschlägt man, vielleicht zwei Tonnen? Na, beweg mal deine müden Knochen, rufen die frisch ausgesäten Rasensamen, fröhlich hüpfend im Wasserstrahl des Wasserstrahlerzeugers, englischer Rasen, muss man gar nicht mehr schneiden, ist kleinwüchsig. Habe ich in meinem geheimen Labor im Schuppen erfunden, gezüchtet, mit Pipette und Bunsenbrenner und Retorten und so weiter, dazu trug ich eine lustige Kappe auf dem Kopf und einen Mundschutz und weiße Gummistiefel, die früher einmal in einer Molkerei getrugen wurden, LPG. Oder waren es doch die Stiefel aus dem Schlachthof an der Landsberger Allee, mit denen durch metertiefes Blut gewatet wurde? Jetzt also Rasensamenmanipulationen. Sag mal, die Sonne machte sich gerade auf, tief im Westen zu verschwinden, sag mal, fragte die zarte Stimme des holden Burgfrolleins, sag mal, sehr vorwurfsvoll zu dem langsam alternden Jüngling mit Schweißperlen auf der Stirn und einer leichten Starre im Kreuz, sag mal, wollten wir uns nicht eigentlich auf den Weg in die Stadt machen, um auf diesem überdimensionalen Zettel zu verkünden, dass wir ebend gerade nicht mit dieser Politik einverstanden sind, vor allem nicht mit diesem Wiefels-Pütz und den ganzen Bestimmern und auch nicht mit dem Rest und sowieso und überhaupt? Du, mein schöner Jüngling, vergisst in letzter Zeit doch alles mögliche, sagte sie und im Schweiße seines Angesichts wurde ihm klar, wie dämlich es doch ist, sich gerade nicht mehr an diesem öffentlichen Leben zu beteiligen, die Dinge fahren zu lassen und seine Schnauze zu halten. Leider, mein Schatz, schau nur nach Westen, verpennte ich diese großartige Möglichkeit der Partizipation, ich war so vertieft und zerstreut und die Kinder erst, nun ja, beim nächsten Mal wirds besser. Versprochen. (In der einen Zeitung da, in der rechtfertig ein Minister die Opelgeschichte mit den Worten: Die bieten innovative und zukunftsfähige Produkte an und müssen dewegen unterstützt werden. Meine Vergesslichkeit rächt sich schon hier, denn man kann sich nicht aufregen und am Ende doch nichts dagegen tun. Warum?) Irgendetwas machen wollen. Irgendetwas neues machen wollen. Ein Gefühl der Ideenlosigkeit gepaart mit gedanklichem Fortbewegungsdrang. Ein Widerspruch, denkt man. Aber, wenn man sich sagt, etwas müsse passieren, einem aber partout nichts einfallen will, ja, was dann? Man kommt dann immer ins Zittern, als hätte man drei Kannen kräftigsten Kaffees zu viel getrunken und hinterher noch drei Schachteln "Nil" geraucht. Der Geist ist willig, aber schwach. Der Körper auch, wesrum er diesen erst einmal in den Tiefschlaf herunter fährt, Freitag abend, Straßenbahn, man kommt sich vor, wie der Gerüstbauer letztens, der erst wie ein Wilder ins Handy hinein blökte, dann ein gepflegtes Bier soff, um dann sabbernd vor sich hin zu grunzen, schnarch. Ja, was denn nun? Ratlosigkeit. [Die Kinder kamen auf die Idee, die Anzahl der Regenwürmer pro Quadratmeter Erde durch einfaches Zerreißen in der Mitte zu verdoppeln, den Hinweis, dass man es ja auch mal mit einer Verzehnfachung probieren könnte, verkniff ich mir, man will den Nachwuchs schließlich ein wenig Achtung vor dem tierischen Leben beibringen.]
Movement in still life "Wer ist man?" "Was isst man?" Da ist ja nicht zusammenhanglos. Kann man auch aus den kleinen zarten Blättern der jüngst gepflanzten und nun aufblühenden buschigen Rose (nicht Buschrose) ein Gelee zaubern, das den Gaumen kitzelt und die Geschmacksnerven in schier unendliche Vibrationen versetzt und einen nach dem Kosten kurz überlegen lässt, ob man nun dem Gourmetfernsehen a la "Dinner for one" oder "Perfektes Dinner" oder wie die televisionäre Dinner- und Fresshölle sonst noch heißt, beitreten solle? Beim Anschauen der Dachschräge, raus aus dem Dachfenster in den freien Himmel, dann kurz wieder ein Blick in das Buch, das Buch, beim Lesen also und Denken, gedacht. Wer wird Bundespräsident? Wie immer, einer. Keine eine. Das war klar. Es kommen Leute zusammen, ein paar sind gewählt, irgendwie, ein paar kommen irgendwoher, woher genau weiß man nicht, einige kennt man aus der bunten Zeitung, sie treffen zusammen, singen, beten, stimmen ab, feiern, auf ihre langweilige Weise. Das Staatsoberhaupt. Wer sagt denn dem Staatsoberhaupt, was es zu tun oder zu lassen habe? Das Grundgesetz, Gott, die Moral, das Volk. Hallo, sagt das Staatsoberhaupt oder förmlicher: Meine Damen und Herren, ich nehme die Wahl an. Und ist Germanys next Bundespräsident. Man muss das Prozedere mal umstylen, vielleicht macht das ja diese Vorzeigefrau, die Klum (darf man deren Namen nennen?) Tage ohne Internet, das fühlt sich so nach früher an, man schreibt Notizen. Früher, als man noch nicht dieses Interesse an den Geschichten der anderen Menschen hatte, dieses Denken: Mensch, da sitzt jemand vor dem Bildschirm und denkt (meistens) und bringt dieses Denken in eine Form, so dass es andere Menschen, die vor dem Bildschirm sitzen und denken (meistens), lesen können, das ist doch digitalissimo. Was nicht schön ist, kann man wegklicken. Das ist die gute Seite des Internets. Die gute Seite der Macht. Darth Sidious waret auf der anderen, der bösen Seite und ist, wie soll es auch anders sein, Politiker. Schaut grimmig, verbietet das längst Verbotene. Sidious, Sie können so viele Seiten, Domains, IPs sperren, wie Sie wollen, die Schändlichen werden immer einen Weg finden, ihr verachtenswertes Zeug zu beschaffen, solange Sie denen nicht persönlich zeigen, was eine Harke (oder auch ein Laserschwert) ist und Sie selbst werden in Versuchung geraten, mit anderen Interessenten Allianzen einzugehen, die der grundgesetzlichen Freiheit (60 Jahre) zuwider laufen. Trauen Sie der guten Seite der Macht, seien Sie ein Jedi und kein Sith. primitiv- populistische Symbol- Politik Das Gefühl, mit dem Spaten in der Hand langsam zu verböden. Blödsinn. Und auch egal was andere denken. Das ist sowieso die neue Dimension. Die Erkenntnis des letzten Jahres. Als hätte man es vorher nicht schon gewusst. Genauso wie vorher jeder schon wusste, dass Hertha die blödeste, mittelmäßigste Fußballmannschaft des letzten und auch dieses Jahrhunderts, wenn nicht sogar Jahrtausends ist.
I'm not tired of using technology Einfach sitzen, den Wolken zuschauen, bei Ausatmen dem Frühlingshimmel ein paar kleine, blau-graue Wölkchen hinzufügen, in der Ferne das Rauschen der Straße, Lebensader der großen Stadt, hinter einem schlägt ein Teil vom Herz und man selbst ist mittendrin und trotzdem in einer anderen Dimension. Eine bewusste Wahrnehmungsstörung, man will nur Gutes sehen und das Schlechte verschwinden lassen, ein imaginärer Zauber, für Minuten real. Und dann? Eine Berufung, der wahrscheinlich einzig mögliche Beruf: Menschen beobachten. Hallo Mensch, denkt man zuerst, es wird dich doch wohl nicht stören, wenn ich dich beobachte, studiere, subjektive Schlüsse aus deinem Handeln, deinen Gesten ziehe, was würdest du sagen, wüsstest du, was ich über dich denke? Aber das ist doch vollkommen egal. Es wird dir nicht schaden, mein Denken, ich werde dich schon nicht verraten, deine kleinen Schwächen, unsere kleinen Schwächen, wir, die Menschen, eine Ansammlung kleiner Schwächen, im Großen und Ganzen also schwach, Schwächlinge? Meine Welt besteht aus Baggern. An der Tram-Strecke: Bagger. An der Autobahn: Bagger. Riesige Bagger, wirkliche Geschosse mit mannshohen Rädern und Schaufeln, in denen ganze Häuser Platz fänden. Auf dem Weg von A nach B: Bagger. Emsig klettern in Signalfarben gekleidete Arbeiter in die dinosauriergleichen Vehikel, hauchen ihnen Leben ein, in dem sie Knöpfe drücken, Pedale treten, Schalthebel vor und zurück oder auch seitlich bewegen, präzise entfernen sie überschüssigen Erdboden, transportieren Baumaterial über Köpfe hinweg, die hoch zu den Greifarmen schauen, sicher, vertraut, ohne Angst, sie stehen schief, gerade, machmal sieht es aus, als würden sie kippen, aber sie kippen nicht, sie drehen sich ein wenig, fahren vor und zurück und aus dem Führerhaus erntet man ein Lächeln für den angstvollen Blick. Daraus besteht meine Welt, es ist eine rauhe, rohe Welt, kraftvoll, nach feuchter, fetter Erde, Diesel, Öl und Schweiß riechend, eine Welt voller Höhen, Tiefen, Veränderungen und Fehlern. Vor allem die gehören in jede Welt. Fünf Bände von Stanislaw Lem aus der Flohmarktkiste gerettet, jeden Tag eine gute Tat.
"Das Quartär ging hintenüber." So lange nichts mehr eingehackt, in meine ganz persönliche Kladde, zu der allerdings niemand mehr Kladde sage würde, das ist so schrecklich Analog und Zeitvergessen, nein, heute sagt man Weblog und das daily diary (top secret) ist eine schnöde Word-Datei, die auch mit open office bewirtschaftet werden kann. Oder google-docs. Unterwegs, zum Beispiel. Aber wer macht das schon? Ich nicht. Ich stehe an der Straßenbahnhaltestelle, wundere mich über dieses und jenes, schreibe gedanklich einen Berlinverriss, der ja doch eigentlich eine negative Liebeserklärung ist, aber gar keine Hasserklärung, Hass ist doch so eine ungemütliche, merkbefreite Emotion, Hass ist etwas, das der Mensch sich nicht leisten sollte. Wie Liebe macht auch Hass blind und kaputt, nein, nein, das wird kein Plädoyer für die allgemeine Durchschnittsanpassung, nur sollte man ab und zu beiseite treten und auch mal in den Spiegel schauen. Berlin ist ein Loch. Hier ist so viel kaputt, das kaum noch etwas ganz ist. Man kommt an, wenn man mal weg war, und hat sofort das Gefühl, sich eine Zigarette anstecken zu müssen. Nur leider fährt der Bus sofort, wartet nicht und der Fahrer grantelt natürlich schon und drückt dann auf die Tube, so dass man mit Gepäck und Handy am Ohr durch den Bus purzelt: Könnense sich nich festhalten, ey? Die S-Bahn ist voll, neben mir ein Pärchen, leiser Streit. Haha, lustig, denke ich und verstecke mich hinter meinem Magazin, während sie traurig kuckt und er, nun ja, ist eingeschnappt. Man spricht eine Sprache, die nur auf dem zweiten Blick mit der deutschen Sprache etwas zu tun haben könnte, aber nein, nein, dies hier ist doch nicht das Feuilleton der FAZ, hier wird doch nicht über den Verfall unserer schönen, schönen Muttersprache gejammert, diese Form von Nationalismus erspare ich mir. Nö. Berlin ist ein Loch und ich muss mich tiefer hinter mein Magazin verziehen, denn er erzählt ihr gerade, dass es ihn einfach so überkam, ja, ja, mit dieser Dings, na, wie hieß sie noch mal, na ja, egal, ha ha, denke ich, so war das natürlich, damals, da überkam es einen eben und dann konnte man für nichts mehr garantieren. Der werdende Mann als Tier, der animalische Instinkt der Pubertierenden, wuff, wuff. Stilles Lachen. Am S-Bahnhof Sowieso randaliert ein besoffener Bauarbeiter, er möchte Zigaretten vom schmuggelnden Vietnamesen, der „nich ausm Knick kommt“ und gleich wird er ihm „uffe Fresse haun“, am neuen Riesenhotel, das demnächst auch nur zur Hälfte ausgebucht sein wird, bauen immer noch eifrige Helferlein, Termine, Termine, Termine, höre ich es im Hintergrund, im Fitnesstudio gegenüber wird geworkoutet, hier gibt es die Fitnessflatrate für den starken Körperbau, danach Flatratesaufen für die Merkbefreiten und danach Komaflatrate in der Notaufnahme, wobei die ganze Stadt doch eine Notaufnahme ist, für die extra Kreativen, für die Macher, für die Zugezogenen, für die Nichtwegzieher, für die Verlierer, für die Stinknormalos, für dich, für mich, für uns, einmal bitte alle an den Tropf legen. Und jetzt natürlich noch einen Krisen-Einwurf. Dann ist Schluss. Für heute. Die Welt nicht mehr verstehen und dann hören, wie einer fragt, warum kein Mensch etwas unternimmt. Ja, meine Güte, was denn? Aber nein, gesucht wird doch nicht der ultimative Handlungsleitfaden, gesucht werden Vorschläge die zu diskutieren wären, also in erster Linie gar nicht Ablehnung, sonder etwas Konstruktives. Hört man aber selten. Die einen geben die apokalyptischen Reiter und prophezeien den Weltuntergang (wenn sie es doch wenigstens lyrisch täten), die anderen sehen schon wieder den ultimativen Silberstreif am Horizont und man selbst steht dazwischen und fragt: Ja, was denn nun? Werden wir zurück katapultiert in die Steinzeit? Sollte ich mir vorsorglich schon eine Höhle sichern, ein paar Faustkeile hauen und jede Menge Dosen horten? Ich meine, ich habe doch gar kein Geld, das ich in die Schweiz fahren könnte, um es zu schützen, vor wem auch immer. Oder schnell mal noch etwas investieren? Pelzindustrie vielleicht, Höhlenbewohner geben doch einen Scheiß auf die nackten Celebrities von Peta, die wollen in erster Linie nicht frieren. Nun, vielleicht ist Geld verdienen eben doch nicht alles. Nur so ein kleiner Gedanke. Ein Minimalgedanke. Wird man sich doch mal leisten können, oder? Textuell könnte man noch durch noch viel weitere Weiten wandern, mäandern, wollte ich schon immer mal schreiben, allerdings gibt es andere Dinge zu tun, die frustrieren, auslaugen und auch ein paar Tränen waren schon dabei, aber das erzähle ich vielleicht ein anderes Mal. [Überschrift: G. Benn, Der Ptolemäer]
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Letzte Aktualisierung: 03.06.2024, 07:57 Links: ... Home ... Blogrolle (in progress) ... Themen ... Impressum ... Sammlerstücke ... Metametameta ... Blogger.de ... Spenden Archiviertes:
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