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Feiertag

Feiertag. Irgendwann klingelt der Wecker, warum klingelt eigentlich der Wecker, dieser vermaledeite Wecker? Achso, ja, klar. Fußballjahre sind keine Herrenjahre, ich weiß schon, warum ich Handball spielte, unsere Spiele liefen immer erst nachmittags, man konnte also morgens im Bett lümmeln, sich im Morgengrauen noch einmal umdrehen, dabei katermäßig knurren und noch einmal in Träume verfallen.

Feiertag. Der Morgen wird nicht heller, ein paar Regentropfen am Fenster, der Wind wirft die Haselnussbüsche hin und her, die ersten müden Blätter wirbeln durch die Luft, es ist kalt, es ist ungemütlich, es ist Oktober. Der T. ruft an, kommt bald, man hat ja noch etwas vor und er bringt etwas mit, ein Baumaschine, größeren Ausmaßes. Aber heute ist doch Feiertag, sage ich, aber was solls, wenn nicht heute, wann dann, man hat ja nicht ewig Zeit, die Dinge, die zu erledigen sind, zu erledigen, wir machen das heute gleich, sagt er und ich schwinge mich in meine drecksteifen Klamotten, schnappe mein Handwerkszeug und lege schon mal los.

Feiertag. Die größte Sorge macht eine Birkenwurzel, ich schätze sie auf drei- bis vierhundert Kilo. Sind Birken Flachwurzler? Ja, die haben keine Pfahlwurzel, dafür aber arm- und beindicke Wurzeln in alle Richtungen verstreut. Hast du die Kettensäge besorgt? Ähm, nee, also, Kettensäge, ha, nein. Handarbeit. Immer wieder Handarbeit, an der Hand schon dicke Schwielen, Papa, deine Hand ist so hart geworden in letzter Zeit, ja, na ja, halb so wild. Es gibt schlimmeres. Die Wurzel wehrt sich mit allen Mitteln. Der Baum war eigentlich schon längst tot, fiel bereits im letzten Jahr, man musste ihn nur mit dem kleinen Finger antippen und schon fiel das arme Dinge, mit lautem Getöse und Krachen fiel es um, aber die Wurzel, die Wurzel scheint kerngesund, eine kerngesunde Wurzel, die sich bis zum Schluss erbittert wehrt.

Feiertag. Seit drei Wochen an diesem Ding herum gehauen, gesägt, gebuddelt, gezogen, geschoben, keine Bewegung. Der Radlader senkt seine Schaufel, drückt mit aller Kraft, zieht, hebt, schiebt, drückt, macht Bocksprünge und tiefe Furchen in den feuchten Lehmboden, aber die Wurzel wehrt sich bis zuletzt. Der T. versucht es noch einmal. Das ist das letzte Mal, sagt er, sonst bleibt das dumme Ding drin oder wir zünden es an oder zerstückeln es. Schieben, ziehen, heben, drücken und dann ein lautes Kancken, Krachen, Rumms, aus das Ding, das dicke Ding, siebenhundert Kilo, mindestens, sagten wir später, denn mehr schafft der Radlader gar nicht und der war schon im roten Bereich.

loch, das vorher eine birkenwurzel war

Feiertag. Am Abend müde in die Küche schleppen, die A. hatte etwas gekocht und der Duft zog nun durchs ganze Haus. Komm, lass uns erst mal ein Bier trinken und die müden Knochen, leicht erwärmt von einer heißen Dusche, die man schon seit dem Morgen ersehnte, auf einen Stuhl packen, ein paar blutende Wunden versorgen, aber man ist da ja nicht so, das Blut wegwischen und gut ist, wenn nur nicht der Rücken, na, biste nicht gewohnt, sagt der T. und verschwindet wieder in den anbrechenden Abend dieses Feiertags.

[Bloggen als Aufsatzschreiberei. Beim Arbeiten viel nachgedacht über das Bloggen, wie einem die eigene Amateurhaftigkeit auf den Sack geht, aber, ach.com, egal.]
 
Mo, 05.10.2009 |  # | (558) | 5 K | Ihr Kommentar | abgelegt: reality blogging


violinista   (05.10.09, 13:13)   (link)  
Also, ich finde ja, Sie machen das sehr gut mit dem bloggen.


idiotin   (05.10.09, 13:18)   (link)  
War das Ihre Birke? Und ist darunter auch nichts anderes mehr gescheit gewachsen? Keine Blüten an der Pfingstrose, keine am Hortensienbusch? Ich wäre meine Birke ja auch gerne los...


bufflon   (05.10.09, 13:35)   (link)  
Ja,
aber sie war im Prinzip schon tot. Oben herum. Übrig war nur ein sieben Meter hoher Stamm ohne Krone, ein paar grüe Äste, sonst nichts. Im Sturm schwankte sie wie verrückt, verlor vergammelte Äste, drohte umzukippen. Unter ihr wuchs einiges, vor allem wild, aber sie nahm ja auch kein Licht, es war ja nicht mehr viel übrig von ihr. Auch andere Birken mussten weichen, die voller waren und gesund, unter ihnen waren tatsächlich nur Grasflächen, kein Wildwuchs. Um diese Exemplare konnte es einem auch wirklich leid tun, aber der Mensch ist eben Mensch, hat seine eigenen Pläne, übernimmt viel zu selten die der Natur. Diese los zu werden war auch gar nicht so einfach, behördlich, hier muss nämlich für Nachwuchs sorgen.


idiotin   (05.10.09, 13:40)   (link)  
Meine Birke ist so Krüppelbaum, der nur zu einer Seite hin wächst, vollkommen rechtslastig und gar nicht schön ausschaut - was ich aber ja eigentlich mag, so eine Individualität. Ich bringe es auch nicht übers Herz, da kaltblütig zuzuschlagen (ist aber ein erheblich kleineres Exemplar als Ihres). Die Wurzeln bringen einen beim Umgraben zur Verzweiflung, die sind überall :).

Ich habe schon öfters gehört, dass Birken den gesamten Nährstoff im Boden für sich verbrauchen und so anderes Gewächs leer ausgeht. Ich wäge noch ab, ob mir Blüten an der Pfingstrose so wichtig sind oder ich doch den Krüppelbaum stehen lassen mag.

Finde ich vom Prinzip her gut, dass man Nachpflanzen muss.


bufflon   (05.10.09, 17:08)   (link)  
Noch schlimmer ist Flieder. Flieder sieht toll aus, wenn er blüht, also ungefähr ein paar Tage bis Wochen im Jahr, ansonsten ist Flieder ein Wucherich sondersgleichen, schießt überall heraus.

Überhaupt, diese ganze Gartengeschichte, Gemeinschaft herzustellen und es auch noch schön finden, das ist ja eine Wissenschaft für sich. Am liebsten ist es mir immer noch, wenn man die Natur sich selbst überlässt und ab und zu ein wenig nachhilft, aber manchmal geht das leider nicht.

Ich finde das auch okay, das beruhigt das Gewissen und am Ende kann man halbwegs selbst bestimmen, mit welchen Riesen man sich umgeben will. Alte Obstsorten, zum Beispiel.

[Hach, die Gärtnerei.]











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Letzte Aktualisierung: 02.04.2024, 15:05


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