1111 Zurück auf Start. Denke ich manchmal. Noch einmal alles von vorne anfangen. Ob es dann besser würde? Was ist besser? # Am Morgen lautes Gezwitscher der Amsel, der Schnee ist fast verschwunden. An Sträuchern und Bäumen zeigen sich kleine Knospen, der Frühling dürfte also nicht mehr aufzuhalten sein, das ist doch auch der normale Lauf der Dinge. Erwartungsvoll am Morgen die Türe öffnen und einen lauen Luftzug erwarten, bald, schon bald, denke ich und hoffe auf ein wenig Romantik. # Ein Blick auf die Nachrichtenlage entlockt mir ein leicht hysterisches Lachen, wie ich schon twitterte: Willkommen im real existierenden Blödismus. Vielleicht werden wir alle im Juni singen: Es ist vorbei, bye, bye, Junimond, aber auch das ist nur ein schlechter Witz. Diejenigen, die sich wundern, dass noch niemand protestierend durch die Straßen zieht, sind selbst auch nicht auf der Straße zu sehen, die Lage ist wohl noch zu undurchsichtig. Ich frage mich, wie das 1989 alles so kam, Menschen gingen tatsächlich auf die Straße und sagten an, dass SIE das Volk seien und niemand anders, wäre das nicht jetzt, 20 Jahre später, auch angebracht? Oder ist der auch von mir selbst hoch gehaltene Individualismus die am Ende alles zerstörende Antimenschmaschine? Dieses Gefühl von: Ihr bestimmt, ich ganz sicher nicht. Mit dem Finger auf andere zeigen und dabei selbst auf der Couch liegen, Chips fressen, vielleicht auch Törtchen und dazu Tee. Das hysterische Lachen ist am Ende nur ein Zeichen von Hilflosigkeit, der Vorbote eine großen Depression? # Wenn ich so manche aktuelle Zahl lese, sehe, wahrnehme, denke ich immer an die guten, alten Kindergartenzeiten zurück, in denen man mit ausgedachten Zahlen um sich warf, weil man die Dimensionen noch gar nicht einschätzen konnte: Du bist doof. Du bist eine Million mal doofer. Nein, du bist drei Billionen mal doofer. Trillionen, Zilliarden, Unendlich. Auch das gehört wohl zum real existierenden Blödismus. # Mit den Händen arbeiten, tatsächlich etwas formen, das hat auch etwas. # Mehr Fotos aus der Hüfte schießen, um zu zeigen, wie Berlin wirklich ist. Schwarz zu blau und tagsüber grau. Überhaupt, Fotos!
1082 Knapp sechs Tage nur, was alles geschehen ist, welche Wetter vorbei zogen, welche Menschen man traf, was man alles sah und sehen musste, was man fühlte oder aber eben gerade nicht fühlte, was man aß, was man trank, sechs Tage, einhundertvierundvierzig Stunden, eine gefühlte Ewigkeit. # Es war auch viel Kitsch dabei, gedanklicher, aber wer denkt denn nur den ganzen Tag tatsächlich denkenswerte Gedanken? Ab und zu leidet man auch unter Visionen. # Ich möchte handwerken. Täte ich mehr mit der Hand, statt mit dem Kopf, würde mich also morgens in ein Gefährt setzen, das mich zu einer Baustelle bringt, auf der ich zu arbeiten und meine Stunden mit handwerklichem Sinn zu füllen habe, würde dort Maß nehmen, anzeichnen und die Dinge mit lauten Maschinen bewegen, statt nur mit freundlichen Gesprächen, belanglosem Tastaturgeklimper, müdem Gekritzel, wäre ich ein glücklicherer Mensch? Natürlich nicht, das ist nur der pseudoromantische Gedanke an die Dinge, die man nicht hat. # Beobachtungen hinter der Gardinenstange: Jeden Abend, gegen zehn, fährt eine Frau vor, die nicht mehr richtig gehen kann, irgendetwas stimmt mit ihrem Fuß nicht, sie humpelt. Sie humpelt, nachdem sie aus ihrem alten Clio ausgestiegen ist – altes Dieselmodell, Klack, Klack, Klack, bräunliches Gelb – zu einem recht neuen Volkswagen, den sie Stunden vorher mittig in zwei freie Parklücken geparkt hatte, wirft diesen an, um ihn vor zu fahren und dann ihren alten Clio dort einzuparken. # Gute Mischung: Schnee, Matsch, Eis, Pfützen, Lehmboden, Muttererde, Gummistiefel, bis zur Haut durchnässte Schneehosen. Früher, so sagt man, trank man viel und sorgte sich wenig, heute ist es umgekehrt. [Musik des Tages: Kings Of Leon - Sex On Fire]
Alle Jahre wieder Weihnachtszeit, man hat Jahresabschiedsgedanken. Ende, Gelände. Gutes Beispiel für dämliche Verdichtung. Finde ich. Trotzdem neigt sich einiges, auch dem Ende entgegen, der Anfang steht aber schon vor der Tür. Man wird sich dann zusammensetzen und es ehrlich meinen oder aber auch nur so tun als ob. Hey, rief ich letztens noch durch die vorweihnachtlichen Hallen, wo bleibt denn nun die Altersmilde, die vielversprochene Güte in der dunkelsten Jahreszeit? Vielleicht wird auch viel zu viel erwartet. Auch die versprochene Weihnachtsfeier fiel aus. Dafür entfernten in Signalfarben gehüllte Männer mit Kapuzen auf dem Kopf die letzten Reste des nun vergangenen Herbstes, machten die Straße hübsch für den Einzug des Winters, für den dunkelsten und kürzesten Tag des Jahres, das Tal der Täler, jetzt geht es wieder aufwärts. Hofft man. Ein stürmisches Jahr geht nun vorbei, man wird ihm wohl keine Träne hinterher weinen und das Internet ist natürlich der Meinung: Es kann noch schlimmer kommen. Natürlich nicht bei mir. Oder dir. An dieser Stelle dachte ich auch, dass wahrer Wohlstand nur bedeuten kann, warme Füße zu haben und ein gutes Buch in der Hand, dazu vielleicht der eine oder andere Leckerbissen zwischen den Kiemen, ein Käsebrot oder was sonst noch da ist und wenn es einem ganz, ganz schlecht geht, singt man „Ein bisschen Frieden“ und alles wird gut. Vielleicht. In diesem Sinne: Feiern Sie gut und rutschen Sie rein, ohne Hals- und ohne Beinbruch, gehaben Sie sich wohl und im nächsten Jahr bitte mehr Kommentare. Danke. [Auch wieder ein Jahr, in dem es viele erste Male gab, also ist man selbst noch lange nicht am Ende, allerdings spielt man nun in der sogenannten Erwachsenenliga, denn es waren schwerwiegende Entscheidungen zu treffen und man stand kurz vor einem Magengeschwür. Nun, da diese Gefahr vorerst gebannt scheint, kann der Bauch ordentlich mit Gans gestopft werden, auch um im nächsten Jahr ein sogenanntes Fitnessprogramm absolvieren zu dürfen. Frohes Fest.]
Vereinzelt Kind2 steht am Tisch, schau dir mal die Haare an, sagen wir, und schneidet ganz in sich versunken Dreiecke aus einem Blatt Papier, konzentriert und weltvergessen, rollt dabei die Zunge und schneidet und schneidet, mir fällt der Satz des Pythagoras ein, Kind1 interpretiert diesen gleich richtig und kurz vor der obligatorischen Gute-Nacht-Geschichte protestiert Kind2 lautstark gegen das Wegräumen des entstandenen Minischnippselhaufens. # Paul Kalkbrenner (sehr laut und auch wunderbar melancholisch) und The Matthew Herbert Big Band (einfach nur). Trotzdem die Welt nicht verstehen. # Immer wieder Reisen in virtuelle Welten. Die Faszination des Künstlichen, Grafiken, Interaktion, manchmal träume ich von Literatur, die in Bits und Bytes gegossen wurde. Aber bitte nicht Second Life. # Im Traum Abwasserrohre verlegt. Mit bloßen Händen im lehmigen Boden gewühlt. # Ich glaube, Kafka verstanden zu haben. In einem Raum stehen und denken: Genau so wird er das gemeint haben. # Wie man es schafft, an die Oberfläche steigende Beschimpfungen und Wutausbrüche immer wieder zu bändigen. # Irgendwann kommt der Gedanke, ein virtueller Messie zu sein. Wissen wird gesammelt, es liegt herum, auf Festplatten, in Mailaccounts, irgendwo, und es bleibt die Frage: Was nutzt dieses Wissen? Ist es am Ende nicht völlig nutzlos? Die Dinge wiederholen sich, als wollte man wirklich, dass sie sich immer wieder genau so wiederholen. Natürlich gibt es immer wieder Stimmen, die viel Gutes sagen und von Veränderungen sprechen, sie werden aber nicht gehört oder missverstanden und fehlinterpretiert oder aber die Veränderungen benötigen Jahrtausende, um ihre Wirkung zu entfalten, so dass sie über viele Generationen gar nicht wahrgenommen werden. Dazu gehörte allerdings Wissen, Wille, Verantwortung. Und genau daran zweifle ich.
Vereinzelt Krisenzeiten bringen die unglaublichsten Gerüchte ans Tageslicht, Ängste, die in dunklen Kellern schmoren und nur auf günstiges Klima warten, kriechen die Kellertreppe hinauf und klopfen leise, aber stetig an die Hintertür. Dunkel, neblig, feucht und kalt, schön kalt muss es sein, dann kommen sie hervor, werden an die Oberfläche gespült und halten die Leute davon ab, ebend die Dinge zu tun, zu denen sie die schöne bunte Werbewelt animieren möchte, animieren muss. Nein, sie werden lieber in der Hütte sitzen und Pläne schmieden. # Lego-Basteln statt Beruhigungspillen. # Angefangen, interessant erscheinende Wörter auf alten Visitenkarten zu notieren. Von abgeblasen bis Zwiebelsaft. # Ärzte, Bigotterie in weiß. (Im Meer der Pauschalisierungen.) # so löst man wohl letztlich auch die frage mit berlin: ist es schön oder hässlich? nicht, indem man stilfragen diskutiert. sondern, indem man lebt, entdeckt und es lieben lernt, stück für stück. # Mehrmals den Himmel über Berlin gepriesen, der an allen anderen Orten auch nicht anders ist, mehr oder weniger spektakulär, heute, morgen, irgendwann, aber ich bin ja hier und nicht an anderen Orten und deswegen pries ich mehrmals den Himmel über Berlin. # Eine alles umfassende Müdigkeit.
Tanz, Baby, tanz. Der Aufkleber "MeisterJäger" an deutschen Volkswagen, gleich neben "No fear", "Ostberlin" und "Nur die Besten sterben jung", dazu noch Böhse Onkelz, Böhse Opelz, Waffenschmiede Wolfsburg, irgendwas mit Hooligan und als Kennzeichen B-FC, so ist das hier. Gleich auf dem Parkplatz bei Lidl, gegenüber sind Getränke Hoffmann und Schlecker, alte, verfallene Gebäude der Staatssicherheit, der alte Knast und rund 7.000 m² unbebautes Land zu verkaufen, provisionsfrei und bereits seit drei Jahren. Es ist neblig grau, kalt, ein wenig Nieselregen, die Straßenbeleuchtung kalt umdampft vom stillen Nebel. "Stell dir vor, wir wären in London.", sage ich und du sagst "Stell dir vor, wir wären überhaupt ganz woanders." Das stimmt natürlich. Ich gehe in den Keller, um die Leichen wegzuräumen, die dort staubig und schimmlig ihr längst vergangenes Leben fristen, ich füllte also Tonnen mit Müll, über die Jahre ändern sich die Ansichten und was einem vor ein paar Jahren noch etwas wert war, fliegt jetzt im hohen Bogen in die Müllpresse. Schwuppdiwupp. Wir nennen es "Tanz in den November". Die Geschäfte laufen immer noch gut, hört man, aber aus Amerika kommt keiner mehr, auch der verrückte Ire kommt nicht mehr, nun ja, Dumme werden sich immer wieder finden. Erstaunlich, die Fassaden, die sich Menschen aufbauen, Bäumchen wechsel dich wird dann gespielt und nur, wenn man genau hinschaut, kann man vermuten, dass noch anderes dahintersteckt. Wie sieht das eigentlich bei einem selbst aus? S. schenkt immer wieder ein, aus großen Flaschen fließt Gesöff. Als ich S. kennenlernte, war sie für strikte Abstinenz, heute schaut sie einen grimmig an, wenn man nicht mit trinkt. Auto fahren ist auch kein Argument mehr. Na dann, Prost und bei Polarkreis 18 wird munter geschunkelt. Doreen ist auch mal wieder da. Inzwischen wird sie auch hinter vorgehaltener Hand nur noch "die Kodderschnauze" genannt, das ist nicht nett, aber vielleicht nicht ganz falsch, was sie in die Waagschale wirft sind ihr Arschgeweih, ihr Zungenpiercing, ihre ununterbrochenen SMS-Chats mit "coolen Typen" und die Eigenschaft, bei anderen Frauen sofort Verlustängste auszulösen. Darüber hatte ich mir bisher noch keine Gedanken gemacht. Nun saß sie dort, mit Löckchenfrisur und Klimperblick, klimperte in der Gegend herum und prostete allen zu, als gehöre sie schon immer dazu und sie schaute die Männer an, die wiederum von ihren Frauen angeschaut wurden, die des Raumes Aura wandelte sich von hellblau in granatapfelrot und im nächsten Jahr wird es sicher noch viel besser, denn dann wird endlich auf den Tischen getanzt und noch viel lauter gesungen, im nächsten Jahr, wenn es wieder heißt: "Tanz in den November".
Vereinzelt Zu viert in einem Bett liegen, davon hatte auch schon Oma erzählt, allerdings war es damals Not und Kälte. Heute liegt es wohl an der alles verdunkelnden Dunkelheit. Draußen pladdert Regen, Sturm stürmt herbstlich, Blätter fallen, man sehnt sich erst nach Wärme, dann nach dem befreienden Wecker, endlich aufstehen. Ans Meer gehen? Kein Meer da. # Der erste Gedanke galt dem Bloggen: Was könnte ich denn heute so aufschreiben? Bloggen bedeutet Bedeutungslosigkeit, vielleicht? Allerdings bietet es auch nicht mehr oder weniger Bedeutungslosigkeit als das ohnehin schon bedeutungslose Leben. Ich meine das im übrigen überhaupt nicht negativ. Man muss das Beste daraus machen. # November, der Monat in dem man alles in Frage stellt. Es heißt nun ausharren und abwarten und im Dezember kommt dann die Zeit der Versöhnung, adventsbekränzte Kaffeekuchenrunden (Stollen, Mohnstollen, sage ich nur, Mohnstollen), beleuchtet mit Kerzen und duftendem Irgendwas, Glühwein vielleicht und auch ein Besuch auf dem Weihnachtsmarkt (Dicke Wollsocken bei Kälte!), das haben wir schon längst abgemacht. Opernpalais, Kunsthandwerk, fettes Futter und keine Kinder mehr im Kinderwagen, das sichert ein Mehr an gesellschaftlicher Akzeptanz. Ausweichmöglichkeiten: Potsdam, Spandau, Rixdorf. # Man kann sich auf niemanden (mehr) verlassen, sagt man auch schnell mal und bekommt es prompt bestätigt. Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott, sagte schon die Oma, aber na ja, mit Gott ist das so eine Sache. Kind 2 behauptete kürzlich, Gott sei tot, wahrscheinlich zu viel Nietzsche gelesen. Man kann ja nie früh genug damit anfangen. # # "Es gibt doch gar keinen Weihnachtsmann." - Und dann behaupten, der Fernsehturm könne laufen. # Hat jemand Erfahrungen mit Buchticket oder ähnlichem?
Vereinzelt Ein unvermutetes Abendessen. # Das Gefühl, sich von so vielem zu entfernen. Als würden die Dinge einfach verschwinden. Aber es ist nur ein Gefühl. # Kinder scherzen immer mit Phantasiezahlen. Du bist blöd. Du bist eine Million mal blöder. Milliarde, Billion, Trilliarde, Zilliarde, Unendlich. Man hielt diese Zahlenreihen immer irgendwie für abwegig, allerdings hat inzwischen ein Teil dieses phantastilliardischen Zahlenraumes ein Gesicht bekommen, das man lieber hätte nicht sehen wollen. An Verstand glaube ich schon lange nicht mehr. # "Es kommen allerdings trübe Stunden, wie sie jeder hat, wo man glaubt, nicht das geringste erzielt zu haben, wo es einem scheint, als hätten nur die von Anfang an für einen guten Ausgang bestimmten Prozesse ein gutes Ende genommen, wie es auch ohne Mithilfe geschehen wäre, während alle anderen verlorengegangen sind, trotz allem Nebenherlaufen, aller Mühe, allen kleinen, scheinbaren Erfolgen, über die man solche Freude hatte." Franz Kafka - Der Prozess # Der unerwartete Sonnenschein, immer noch viele Blätter an den Bäumen, der Sonnenaufgang, der nun wieder so ist, wie man ihn am liebsten hat. # Die Sache mit der Langeweile, mit der Langweiligkeit des Textes, ich denke täglich daran, ich muss dem zustimmen. Unbedingt. Die Feststellung ärgert mich nicht, viel mehr ärgert mich der Umstand, nicht zu wissen, wie es anders gehen soll. Es kommt ja auch nicht mehr viel, vielleicht alles zu verschroben, zu tiefgründig, um viel zu viele Ecken gedacht? Vielleicht fehlt der rote Faden? Wo bleibt die Frische, wo bleibt der Wind? Im Herbst wird vieles in Frage gestellt.
|
(geborgt bei flickr)
Online seit: 08.02.2006
Letzte Aktualisierung: 03.06.2024, 07:57 Links: ... Home ... Blogrolle (in progress) ... Themen ... Impressum ... Sammlerstücke ... Metametameta ... Blogger.de ... Spenden Archiviertes:
Suche: |
|