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Sweet home Blogorama*

Könnte ich doch nur eine verdammte Geschichte in dieses Feld hämmern, eine wahsinnige, verrückte, eine, die umhaut, ohnmächtig macht, die Gier weckt, Gier nach Leben, Lesen, alles, könnte ich doch nur. Aber nein. Es fehlt an allem, irgendwie. Zuviel gelesen, zuviel gewollt, zuviel gedacht. Aber wie, ist doch egal. Ich kann hier in dieses Feld hämmern, was ich will, niemand kann mir vorschreiben, was. Das ist die Freiheit des Bloggers. Schröbe ich über Sonnenuntergänge, täglich, eine Alltäglichkeit, niemand könnte sich beschweren oder alle, ich täte es trotzdem. Ist es nicht so? Und wären die Fotos noch so schlecht, weil zum Beispiel immer noch der Fettfleck die Linse verschmiert und ich das nicht raffe oder es jemand bemerkt und ich wie Micha da stehe, der dummerweise den Farbfilm vergaß, niemand könnte mich daran hindern, sie hochzuladen, in meinem Blog zu präsentieren und mich ganz allein daran zu erfreuen. Das ist es doch, das ist doch das, was Bloggen ausmacht. So jedenfalls steht es in diesem Bloggermanifest, immer noch unveröffentlicht und nun inzwischen im Norden der Welt zwischen Maulwurfhügeln leise vor sich hin gammelnd, nur noch die Kühe interessieren sich dafür. Egal.

* Noch nicht einmal für diese Überschrift muss ich mich entschuldigen.
 
Mo, 22.10.2007 |  # | (481) | 2 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 

Großstadtfieber

Ich bin allein. Aber das ist nicht schlimm. Manchmal bin ich dabei einsam, das schmerzt dann ab und zu, aber vom Grundgefühl her ist es angenehm. Ich bin freiwillig allein, es ist so wunderbar ruhig und beschaulich und alles ganz zwanglos, von den eigenen Zwängen einmal abgesehen, man muss sich mit niemandem auseinandersetzen, quälen, keine Rücksicht nehmen, Kompromisse finden, die letztendlich immer faul sind. Es gibt Leute, die erträumen sich ihren Traumpartner und je länger sie dann allein sind, um so idealer wird ihr Idealbild von einem Traummenschen, so dass am Ende kaum noch oder besser gar kein Platz mehr für reale Personen bleibt und sie nur noch von und mit ihren erdachten Traumbild zusammenleben. Vereinsamt. Mir ist das egal. Mein Job füllt mich nicht aus, dafür schreibe ich oder setze mich nachts in die Mitte meines Wohnzimmers und lausche der Stille. Die ist natürlich nicht absolut, irgendwo knarzt, kratzt oder quietscht es immer, schlafende Menschen ächzen in ihren Betten, stöhnen, schreien oder lachen im Schlaf, draußen randalieren ein paar Jugendliche, es fahren Autos, dann wieder Stille. Diese relative Stille erfüllt mich, gibt mir Kraft, ich brauche dann keinen Schlaf, meine besten Ideen habe ich zwischen drei und fünf Uhr morgens.

Sonntags gehe ich in die nahe gelegene Rettungsstelle. Ich nehme mir einen Kaffee aus dem Automaten, setze mich zwischen die wartenden Leute und beobachte sie. Humpelnde, fiebrige, schreiende, weinende Kinder, verstört dreinblickende Erwachsene, mit sichtbaren oder weniger sichtbaren, aber dafür am gequälten Gesichtsausdruck erkennbaren, inneren Verletzungen, Schmerzen, all dies schaue ich mir an, nicht aus Sensationslust, nicht, um mich am Leid anderer Menschen zu laben, nein, mich interessieren allein die Geschichten, die sich hinter den Kulissen verstecken, die Wahrheit, der Schmerz, der hier so lange ausharrenden Menschen, die Geschichten ihres Leids. Selten unterhalte ich mich mit jemandem, meist versuche ich anhand von Gesten, des Gesichtsausdrucks, der Körperhaltung und ab und zu gesprochener Sätze das Schicksal jedes einzelnen Wartenden zu ergründen. Sich prügelnde Männer, die ihre aufgeplatzen Lippen kühlen, Kinder, die sich Fremdkörper in diese oder jene Körperöffnung steckten und nun deren, womöglich operativer, Entfernung harren, sehr oft auch allein vor sich her sitzende Frauen, mit starrem, leicht verwirrten Blick, ohne sichtbare Verletzung. Vieles liegt im verborgenen. Spekulation. Was ist ihr Schicksal? Heute früh, höre ich die eine zu der anderen sagen, als sie aufwachte, schmerzte ihr Kopf so sehr, dass sie sofort wusste, der seit Jahren in ihrem Kopf leise vor sich hin wachsende Gehirntumor habe nun das Entstadium seines Wachstums erreicht und sie müsse sofort in die Rettungsstelle, bevor sie endgültig, einsam und allein in ihrem Bett und mit aufgeplatztem Schädel das Zeitliche segnen. Die andere nickt anerkennend und erzählt eine ähnliche Geschichte, meint, sie hätte irgendetwas am Herzen, alles unheilbar. Später gehen beide raus und rauchen.

Wirklich schlimm sind die Fälle, die mit dem Rettungswagen oder gar Hubschrauber eingeliefert werden. Gestürzte Alte, deren Knochen brüchig sind und bei einem Sturz nachgaben, Opfer von Verkehrsunfällen, womöglich auch noch Kinder, blutende Gesichter, offene Brüche, irgendwann habe ich genug Leid gesehen, genügend Geschichten erdacht, mir ist schlecht vom Geruch des Desinfektionsmittels, von der stickigen Luft und dem schlechten Kaffee, helfen kann ich hier sowieso niemandem, ich gehe. Ich verlasse die Rettungsstelle in Richtung Park, in dem ich mich beruhige, herunter komme, langsamen Schrittes dem aufgeregten Zwitschern der Vögel lausche, ein paar Menschen spielen mit ihren Kindern Ball oder werfen Spielzeuge für ihre Hunde, es ist mild und angenehm, die frische Luft tut gut, sie schmeckt jetzt ganz frisch und weich. Den Abend verbringe ich vor dem Computer, ich lese Blogs, immer in der Hoffnung, jemanden zu finden, dem es genauso geht, wie mir. Verlorene Zeit, verlorene Welt, Einsamkeit und dann wieder die Stille der Nacht mit ihren Geräuschen, ich bin allein, aber nein, nicht doch, das ist überhaupt nicht schlimm.
 
Do, 11.10.2007 |  # | (904) | 3 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 

Wahrnehmung, 1. Versuch

Ich lerne sehen. Ich weiß nicht, woran es liegt, es geht alles tiefer in mich ein und bleibt nicht an der Stelle stehen, wo es sonst immer zu Ende war. Ich habe ein Inneres, von dem ich nicht wußte. Alles geht jetzt dorthin. Ich weiß nicht, was dort geschieht.

(aus "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge" von Rainer Maria Rilke)

Ich glaube nur, was ich sehe. Immer wieder bleibe ich an diesem Satz hängen und schränke mich damit ein. Alles ist doch relativ, denke ich auch, Zeit und Raum lassen sich verbiegen, verbiegen Gedanken am Ende die Realität? Alles ist eine Sache der Wahrnehmung. Wie oft habe ich Scheuklappen auf und sehe nur, was ich sehen will, blende bewusst oder unbewusst Dinge aus, die mir vielleicht nicht passen, die mir nicht wichtig erscheinen. Du hörst nur, was du hören willst, wie oft hörte ich das schon, obwohl ich es nicht hören wollte, aber ich muss ihr recht geben. Selektive Wahrnehmung, vielleicht kann man die Welt auch nur so ertragen? In dem man sich an wenig Schlechtem und viel Gutem festhält, verhindert man damit vielleicht den eigenen Fall, aber man schränkt sich ein, oder? Wo bleiben denn dann die neuen Perspektiven? Andere Blickwinkel? Ja, die Offenheit, sie geht doch verloren und am Ende landet man selbst in einer dieser kleinkarierten Ecken, aus Angst, Bequemlichkeit, Resignation.

Der kleine Junge steht vor mir und lacht, ab und zu hüpft er und wackelt lustig mit dem Kopf, so dass seine blonden Locken hin und her fliegen. Schau mal, ruft er, schau, der Ball, er fliegt, ganz weit. Er streckt seinen linken Arm weit nach oben über seinen Kopf und tut mit dem rechten so, als würde er den Ball werfen. Der Ball bleibt in seiner Hand und doch fliegt er, geradewegs auf das Dach des gegenüberliegenden Hauses, auf die Spitze einer in der Nähe stehenden Kastanie, irgendwann ruft er, dass er den Ball nun zum Mond geschmissen habe und lacht dabei. Ich sehe, wie der Ball fliegt und fliegt und fliegt, er ist nicht mehr aufzuhalten und schließlich landet er auf dem Mond, gleich neben dem Fußabdruck von Neil Armstrong, dass der dort oben war, kann ich kaum glauben. Vielleicht verstehe ich jetzt, sage ich zu mir, ich habe meine erste Lektion gelernt, der kleine blonde Junge verbiegt die Realität, denkt sich seine eigene, er sieht, wie der Ball fliegt, weil er es so will, er zaubert, nur für sich selbst und ich, ich lache mit ihm.
 
Di, 05.06.2007 |  # | (571) | 4 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 

ADSR


Bildquelle

Du weißt nicht, wie man das nennen könnte? Dieses Gefrickel? Woher soll ich es denn wissen? Ist das Kunst? Da fragst du mich zuviel, ehrlich, auf diesem Auge bin ich blind, zurückgeblieben, ungebildet, echt jetzt, unkultiviert und unzivilisiert. Was andere für Kunst halten, lässt mich kalt, ist für mich völlig bedeutungslos, berührt mich überhaupt nicht. Dafür schwärme ich für Dinge, die andere für albern halten, emotionslos, bedeutungslos, keine Ahnung, was nicht noch alles. Was musste ich mir nicht schon alles anhören. Und dann immer diese feuilletonistischen Ausfälle, irgendeiner betet dir immer etwas vor. Ja, das ist jetzt gerade hipp und dies und wenn ich morgen mit meinem Hintern und nem Notebook auf dem Kopf als Germanys Next Topmodel über die Kastanienallee wackeln würde, wäre genaus das vielleicht der letzte Schrei. Ich könnte sagen, dass mich das und das und noch viel mehr kalt lässt, aber das tut es nicht, im Gegenteil, es macht mir ganz feuchte Hände und rote Wangen und eine ganz belegte Stimme, weil ich das alles als ungerecht empfinde, nein, nicht ungerecht, du siehst, mir fehlen schon die Worte, nein, es ist ekelhaft. Ja, ekelhaft, das ist es. Anderen erzählen, was sie zu denken, fühlen, sehen, schmecken, hören haben, pffft. Totalitäres Gehabe irgendeiner selbst zusammen gewurschtelten Elite, Scheinintellektualismus, anderen vorschreiben, wie grün denn nun die Wiese tatsächlich ist. Pah! (Oder Pomm-Pomm-Pomm! - frei nach Detlev D! Soost) Mainstreamelite? Vorreiter einer breiigen Masse von Menschen, Millionen, die alle auf der gleichen Welle reiten, gleich denken, fühlen, sehen, hören, schmecken, riechen? Meinungsmacher für die Massen? Argh! Könnt ihr alles machen, ohne mich. Aber was reg ich mich auf, selbst erhöhen will ich mich ja auch nicht, vielleicht gehöre ich ja gar dazu? Bin Teil einer Masse. Ist mir völlig schnuppe. Echt jetzt, Und trotzdem landet man immer in irgendeinem Suppentopf. Wie damals, in der Szene, HipHop, nicht so idiotisch wie Sido oder Bushido oder dieser Frauenarzt, anders eben und trotzdem wurde man blöd angeschaut, wenn mal ab und zu andere Musik hörte, womöglich noch was mit Gitarren oder was elektronisches. Alter, ey, bistn du fürn Vogel? Hier wird gekifft, gerappt und gesprayt, das ist unsere Kultur. Fuck, dachte ich schon damals, was soll das? Nee, Leute. Ich will nur in Ruhe rumfrickeln, mein CD-Regal durchforsten oder meine Festplatte und mir nicht von so einem dahergelaufenen Penner erzählen lassen, dass das ja alles gar keine Musik sei, sonder prekariöse Kokskacke für Dumpfbacken auf crystal speed, Überreste einer längst untergegangenen Jugendkultur, liegt gleich irgendwo neben Atlantis und jetzt soll ich mir wohl noch diesen Mark Medlock anhören oder wen nicht noch alles. Nee, mein Lieber, frag mich nicht, wie man das nennen soll, Kunst oder Rumgemache oder Irgendwas 2.0, wenn es sich für dich gut anfühlt, dann mach es und lass die anderen anders sein.

ADSR ist übrigens keine Verhaltensstörung, sondern dies hier. Und auch ein Album von Simian Mobile Disco. Töne verbiegen, kann man auch mit Gedanken, tanzen und träumen und jetzt weiter mit Musik.
 
Mi, 30.05.2007 |  # | (5300) | 7 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 

Hafen der Glückseligkeit

Eigentlich wollte ich diesen riesigen Beitrag mit dem Song "The Joker" einleiten, Sie wissen schon "Some people call me the space cowboy, yeah" und so, allerdings wusste ich nicht so recht, warum eigentlich. Schließlich geht es nicht um den "Gangster of Love", sondern um die Wiederentdeckung des Schrebergartens, ja, im wesentlichen um: Holzkohlenentschleunigung. Oder so.

Der Boden ist ziemlich trocken, die Erde verklumpt in von der Sonneneinstrahlung ungeschützen Ecken zu dicken Brocken, trotzdem wuchert in diesem Jahr der Löwenzahn wie verrückt, aus dessen Blüten könnte man auch Löwenzahnhonig herstellen, so jedenfalls behaupte ich es gegenüber den Kindern. Alles sprießt, wächst und gedeiht, Ackerbau ohne Viehzucht, die zwei Rebstöcke am Haus, für sie muss ich mir noch etwas einfallen lassen, anders beschneiden vielleicht, aber das auch erst im Herbst, Gartenschläuche schlängeln sich wie Riesenschlangen über den kargen Borden. Die Liebste stiefelt wie verrückt durch ihre selbstgestalteten Beete, alles ist liebevoll angerichtet, Steinmosaike auf Sand, mit einer gestalterischen Kreativität, die mir oftmals fehlt, Gartenkünstlerin. Ein Kräutergarten fehlt, der könnte doch hier hin kommen, ein sonniges Plätzchen für Tomaten und gut, dass die Hecke so hoch ist, da können wir in Ruhe rumliegen und ungestört lachen oder weinen oder so.


Als mich die Liebste im Winter vor zwei Jahren durch unzählige Kleingartenanlagen schleppte und von Idylle und Entspannung schwärmte, von einem Plätzchen an der Sonne, nur für uns und Urlaub von der Großstadt in der Großstadt, da maulte ich gequält herum und mochte diese Idee überhaupt nicht. Niemals. Vereinsmeierei, erzwungenes Beisammensein mit anderen, Nachbarn und Zäune, Maschendrahtzaun und Knallerbsenstrauch, unsinnige Verpflichtungen, kleinbürgerliche Piefigkeit schreckten mich ab, außerdem noch eine feste Bindung und dann müssten wir Gemüse anbauen und Obstbäume beschneiden und überhaupt stank mir diese ganze Kleingärtnerei, weil ich von Vorurteilen zehrte, mein schwarz/ weiß - Bild pflegte ich beflissen. Die Macht der Frauen, denke ich mir manchmal, sie ist nicht nur verführerisch, Mann beugt sich ihr und merkt dann oft, wie gut und weise manche Entscheidungen doch war, mir geht es jedenfalls oft so, hinterher bin ich ganz still und leise und freue mich, dass ich nur so ein kleines bisschen rebelliert habe. Und dann lobe ich und bedanke mich.


Nun liege ich also unter dem Apfelbaum und lese Zeitung, das Radio läuft und die Kinder spielen Cowboy und Indianer oder Fußball oder rennen durch Wasserpfützen, ab und zu segeln weiße Blütenblätter herab, mitten in den Bauchnabel oder in die Haare, es schneit, es schneit, höre ich helle Kinderstimmen und wir sehen lustig aus, irgendwo wird Rasen gemäht oder gegrillt oder laut gelacht, na und? Vorurteile haben sich bestätigt, man meiert sich so durch, im Verein, bei der Gartensuche wurden wir beobachtet und begutachtet. Wollt ihr das? Könnt ihr das? Assessment center im Vereinsheim, bei nem Bierchen und nem Kurzen, am Ende der obligatorische Handschlag und heute regt sich der Vorsitzende über die Beat-Musik auf, die aus der nahen Schule schallt, Bandproben am Wochenende, irgendwas mit Schlagzeug, Bass und Gitarre, yeah. Es gibt sie, die piefigen Kleinbürger, die Zaunwarte, die penibel auf die Einhaltung von Ruhezeiten achten und überhaupt Regeln, na ja, gibt es ja auch im Straßenverkehr und überall sonstwo, wir bewegen uns durch eine geregelte Welt. Trotzdem ziehen wir nun oft und regelmäßig ein, in unseren Hafen, unseren ganz persönlichen Kollwitzplatz, nur für uns allein, lassen die anderen anders sein, liegen herum und trinken Bier, wie kleine Spießer, oder Kaffee mit Latte, harken den Boden und mähen den Rasen (Kein englischer!) und ab und zu lassen wir uns zu einer Wasserschlacht hinreißen, mit Wasserbomben und Wasserpistolen und lautem Jauchzen, natürlich nur außerhalb der Ruhezeiten. Schließlich halten wir uns an die Regeln.
 
Mi, 02.05.2007 |  # | (622) | 7 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 

Und in der Ferne das Meer

Mittags rodelten wir um die Wette, wälzten uns im Schnee, lachten laut, Schneebälle flogen mit breitem Grinsen durch die Luft und zerplatzten lautlos an doppelt angelegter Kleidung, Zwiebeltechnik gegen die Kälte. Am Abend rutschten wir Hand in Hand über das Kopfsteinpflaster, ein dünner Eisfilm verwandelte es zur Rutschbahn, wie betrunken wankten wir durch die Straßen, feiner Nieselregen kühlte unsere erhitzen Wangen, dann kam die Nacht. Nun hat es uns wieder, das matschige Grau des Alltags, kalt und nass, die Zeit vergeht, unerbittlich, hat kein Erbarmen mit niemandem, laut hörte ich das Ticken der Uhr im Wohnzimmer, als du leise atmend neben mir schliefst, ruhig und zufrieden. Ich kann das Meer schon riechen, in der Ferne, wir werden fliehen, mit wehenden Fahnen, so schnell wir können, weg von allem, in eine traurig schöne Einöde, tagsüber diese stille Melancholie, nachts gibt es keine Lichter, die durchs Fenster scheinen und das einzige laute Geräusch wird der Wind in den Windräder sein, die sich unermüdlich drehen, während wir auf die Schiffe schauen, die langsam und gleichmäßig in Richtung Meer fahren. Meer! Noch liegt es weit in der Ferne, doch wir kommen näher, müssen noch die eine oder andere größere Klippe umschiffen, eine Woche noch oder zwei, was macht das schon, volle Kraft voraus und am Ende werden wir sagen: Meer, schön war es.
 
Mo, 12.02.2007 |  # | (525) | 4 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 

Richtig

Von einer Minute auf die andere war alles anders. Es war, als hätte jemand einen Schalter umgelegt, ein ganz bestimmtes Ventil geschlossen und dafür ein anderes geöffnet, um den Gedankenstrom in andere Bahnen zu lenken. Ich habe keine Ahnung, woher dieses Gefühl plötzlich kam, aber es fühlte sich gut an, denn es war klar und rein, wie die Luft an diesem sternenklaren Winterabend und so wie die einzelnen Wolkenfetzen schnell am dunklen Himmel vorbeitrieben, strömten plötzlich längst vermisste Gedankenfetzen in den nunmehr richtigen Bahnen durch meinen Kopf.
 
Do, 25.01.2007 |  # | (869) | 5 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 

Nichts

Der freundliche Herr Strunz ist ein fleißiger Arbeiter. Mit stoischer Ruhe und unbewegtem Gesichtsausdruck arbeitet er sich durch Papierstapel, liest, stempelt, locht und heftet ab, sein Büro gleicht einer keimfreien Fertigungshalle mit Fließband irgendwo im fernen China.

„Was denkst du dabei?“

Diese Frage konnte ich mir nicht verkneifen, als ich ihn kürzlich in seinem Büro besuchte und sein Treiben eine Weile beobachtete. Zuerst staunte ich über die Ruhe und Sorgfalt, die er trotz der offensichtlichen Monotonie seiner Tätigkeit an den Tag legte, wie akkurat er mit den einzelnen Papieren umging, es hätte mich nicht verwundert, wenn er bei seiner Arbeit weiße Handschuhe getragen hätte. Schloss er einen Ordner, veränderte sich sofort sein sonst eher unbewegter Gesichtsausdruck, er sah für einen ganz kurzen Augenblick unglaublich zufrieden aus, vielleicht sogar glücklich und so stellte ich meine Frage, die er, nun wieder mit versteinertem Blick, mit einem einzigen Wort beantwortete:

„Nichts.“

Wie, nichts? Kann man nichts denken? Ich fragte noch einmal nach, er lächelte nur und meinte, dass er überhaupt nichts denke, rein gar nichts. Nun war ich noch verwirrter. Bei einer monotonen Arbeit an nichts zu denken, das konnte ich mir vorstellen, aber überhaupt nichts zu denken, das wollte mir nicht einleuchten. Ständig musste ich an etwas denken, kleine Dinge, die schnell an mir vorbei huschten und auch mal verloren gingen, größere Gedankenpakete, die sich zu mir setzten und mich manchmal fürchterlich piesackten, selbst im Schlaf hörte das nicht auf, furchtbar realistische Träume, dunkel oder hell, alles nur nicht nichts.

Ich beschloss, ihn weiter zu beobachten, weiter in die Tiefe zu gehen, ihn bis in die letzte Ecke zu verfolgen, sein gesamtes Leben zu hinterfragen, der Sache auf den Grund zu gehen. Ich verfolgte ihn wie ein Detektiv, nur ohne Trenchcoat, ohne Zigarette, die verwegen im Mundwinkel klebt, ohne Loch in einer verkehrt herum gehaltenen Zeitung.

Meine Arbeit begann in seiner Mittagspause, die Strunz mit dem schon bekannten Gesichtsausdruck einleitete. Sein Kollege, der ihm gegenüber saß und sich sonst wenig für ihn interessierte, verschwand eilig in Richtung Keller, um sich dort mit einer Kollegin aus dem dritten Stock in einem abgelegenen Raum zu einem Schäferstündchen zu treffen, verständlicherweise im dunklen, unbeachteten Keller, es wäre für beide sicherlich unangenehm, wenn die Sache auffliegen würde. Eine gelangweilt drein schauende Dame im Nachbarbüro lehnte sich in ihrem abgewetzten Bürostuhl zurück und begann ein scheinbar längeres Telefongespräch mit irgendeiner Freundin, belangloses Zeug, ständig unterbrochen von Gekicher und Gegacker. Strunz streifte sich elegant sein Jackett über und ging ohne ein weiteres Wort zu verlieren aus dem Haus.

Sein Gesichtsausdruck änderte sich nicht, als er durch die Straßen ging. Er schaute niemanden an, er schien nicht einmal ein Ziel zu haben, die Augen fixierten keine bestimmten Punkte, erließ sich treiben, im Strom der Massen, ohne ein Teil von ihr zu werden. Er überragte alle mit seiner außergewöhnlichen Körpergröße, so musste er niemanden in die Augen schauen, er schien es auch gar nicht zu wollen. Strunz ging in einen Bäcker und bestellte mechanisch ein belegtes Brötchen, setzte seinen Weg ohne Ziel fort und biss ab und zu von seinem Brötchen ab. Man sah ihm förmlich an, dass er an nichts dachte, seine Bewegungen wirkten mechanisch, der Weg vorgezeichnet, es gab keine Überraschungen, wäre der Gehweg nicht aus Beton, hätte man wohl einen ausgetretenen Pfad erkennen können. Nach einer Weile merkte ich, dass es wieder zurück in das Büro ging, der Kreis schloss sich scheinbar, die Pause war beendet, das Tagwerk konnte fortgesetzt werden.

Der weitere Tag glich dem Mittagsspaziergang auf ausgetrampelten Pfaden: Fahrt mit der S-Bahn, scheinbar ohne auch nur einen Bruchteil der Umgebung wahrzunehmen, der tägliche Besuch in einem Solarium, unter dem UV-Bräter schlief er nicht einmal ein, der Gang in die kahle Wohnung, keine Zeitung, keine Zeitschrift, kein Buch, kein Radio und auch kein Fernseher, nichts. Andächtig widmete er sich seinem Abendbrot, machte sich ein paar Brote, die er langsam aß, während er die leere Wand anstarrte, ohne seinen Gesichtsausdruck auch nur einmal zu verändern, wusch er das dreckige Geschirr ab, legte sich auf das Ledersofa und schaute an die Decke, scheinbar an nichts denkend, irgendwann stand er auf, zog seinen ordentlich gefalteten Schlafanzug an und legte sich in sein Bett, um in einem traumlosen Schlaf zu versinken.

Tage später besuchte ich Strunz wieder in seinem Büro, schaute ihm noch einmal bei seiner scheinbaren Fließbandarbeit zu und kurz bevor er in seiner üblichen Mittagsrunde verschwinden konnte, fragte ich ihn:

„Wenn man dich so beobachtet, könnte man meinen, dass du tatsächlich an rein gar nichts denkst, den ganzen Tag. Bist du eigentlich glücklich?“

„Ich bin der glücklichste Mensch der Welt.“

Diese Antwort verwunderte mich und ehrlich gesagt, muss ich seine Aussage bezweifeln.
 
Mi, 17.01.2007 |  # | (759) | 15 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 

Geschwätz

Bedeckt halten, so ist mein Motto in diesen Tagen. Die Sinne schärfen, genau zuhören, merken, fotografisch im Hinterstübchen ablegen, ruhen lassen, nach einer Weile wieder in die Hand nehmen, durch den Fleischwolf drehen, neu formen und am Ende schauen, was dabei heraus kommt. Pech, wenn ich das dann selbst für Murks halte, belästigen werde ich Sie damit sicherlich nicht.

Nebenher lese ich viel zu viel, kürzlich stellte ich fest, dass sich in meinem alten, abgewetzten Rucksack ganze vier mehr oder weniger schwere Bücher versteckten, ich wunderte mich schon, woher diese (meine) komische Körperhaltung in den letzten Wochen kam, ein Orthopäde hätte wohl seinen Spaß daran. Den Oberkörper leicht nach hinten gebäugt, das kleine Bäuchlein nach vorn heraus gestreckt, sind Sie etwa schwanger? Frechheit, Bier schuf diesen wohlgeformten Körper, nein, das nimmt mir nun auch wieder keiner ab. Abnehmen in diesem Zusammenhang, zweideutig. Nein, antwortete ich, in Wirklichkeit bin ich Teil eines Experiments, mehr darf ich allerdings nicht verraten. Top secret!

Die Sache mit den Büchern erwähne ich hier auch nur, um eine intellektuelle Aura zu simulieren überprüfen können Sie das ja alles nicht: Waren da überhaupt Bücher drin, waren es am Ende nur Wackersteine oder die Ritterbüchersammlung des großen Minibüffels oder Luft oder was weiß ich, gibt es diesen Rucksack überhaupt, vielleicht gibt es mich selbst überhaupt gar nicht? Wunderbar, dieses Blogdings, voller Überraschungen, expext the unexpected. Warum der Cabman das allerdings Weblogin nennt, erschließt sich mir nicht, hat wohl was mit Kunst zu. Künstlerische Freiheit. Künstlich.

Das ist doch auch alles wieder nur Geschwätz, nichts großartiges, aber wer will das am Ende schon? Na gut, ein paar vielleicht, eigentlich wohl irgendwie alle, aber das ist wohl ein Thema ganz für sich allein und ich halte mich ja gerade eher bedeckt. Lesen Sie doch mal hier oder schauen Sie mal dort, es gibt viel zu viel, stelle ich immer wieder gerne fest, und dann ist einiges davon auch noch sehr schön. Nein, ich möchte Sie nicht fortschicken, um Himmels willen, ich will Sie interessieren. Ja, das könnte so hinkommen und dann ist es am Ende vielleicht doch kein Geschwätz mehr.
 
Mo, 15.01.2007 |  # | (580) | 4 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 

Just for you, Miss Schlüssi (natürlich nicht nur, aber vor allen Dingen). Nichts besonderes mehr, in diesem Jahr, nur dieses Ende hier noch, vielleicht ein wenig verwirrend, komisch, womöglich so eine Art Jahresrückblick nach Bufflon-Art, nicht für ein perfektes Dinner geeignet. Mir bleibt nur noch zu sagen: Rutschen Sie alle gut, aber nicht aus, lassen Sie es krachen, wie auch immer und natürlich sehen wir uns im nächsten Jahr.
 
Fr, 29.12.2006 |  # | (584) | 3 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 



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Letzte Aktualisierung: 03.06.2024, 07:57


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