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Zwischenspiel, das fehlende Ende.

Lesen Sie bitte zuerst hier, sonst könnten Sie verwirrt werden. Und ich will ja nicht, dass Sie so werden, wie ich.

3
Als ich nach einer Weile wieder erwachte, spürte ich einen pochenden Schmerz im Schädel. Ich wollte mir an den Hinterkopf fassen, doch konnte ich meine Arme nicht bewegen. Langsam schaute ich an mir herab und stellte erschrocken fest, dass ich in einem alten Ohrensessel saß, die Arme an den Armlehnen festgeschnallt, ebenso die Füße am unteren Teil des Sessels, offensichtlich ein furchtbar altes Stück aus dem vorletzten Jahrhundert. Wo war ich gelandet? Wer hatte mich hier festgeschnallt? Ich sah mich um, es war relativ dunkel und die Umgebung nur schemenhaft zu erkennen. Ich befand mich in einem Raum, der wie ein Internetcafé aussah, überall standen flackernde Bildschirme herum, angeschlossen an leise rauschende Computer, die unter den Tischen standen. Langsam erhellte sich mein Blickfeld, ich konnte schemenhaft Personen erkennen, die an den Computern saßen, manche hatten Kopfhörer auf, andere unterhielten sich, scheinbar nahm mich keiner wirklich war, jedenfalls schien ich nicht aufzufallen, niemand sprach mich an. Nach einer Weile erkannte ich mehr, allerdings fiel mir auf, dass ich scheinbar in einem schwarz-weiß Film gelandet war, die Bilder, die ich wahr nahm, waren jedenfalls ohne jede wirkliche Farbe. Ich ließ meinen Blick schweifen und erkannte nun in der Ecke ein DJ-Pult, an dem der Beetfreeq stand, mit Kopfhörern auf dem Kopf, er legte Platten auf, glaubte ich, jedenfalls kam aus dieser Richtung die Musik, die ich auf dem Hof nur gedämpft gehört hatte. Der Beetfreeq, schoss es mir durch den Kopf, wie geht denn das? Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Was war geschehen? War dies vielleicht nur ein Traum? Oder doch die Wirklichkeit?

Nun erkannte ich weitere Einzelheiten, wie zum Beispiel den Fernseher, der in einer anderen Ecke stand. Es liefen die Tagesthemen, seltsame Nachrichten, gelesen vom Gorillaschnitzel, gerade ernannte er Tokio Hotel zu den Halbdackeln des gesamten Jahres 2006. Ein Stück weiter saß Frau Morphine auf dem Schoß vom Cabman und knutschte wild mit ihm rum, ab und zu schauten sie zu mir herüber, schienen sich aber nicht von meinem wirklich seltsamen Erscheinungsbild stören zu lassen. Miss Schlüsselkind saß vor einem PC, mit einem Headset auf dem Kopf und ärgerte sich gerade über ein unausgereiftes Programm zum Produzieren von Podcasts, daneben Frau Bona, die sich angeregt mit einem als wilden Schutzgeist verkleideten Mann über die richtige Pflege von Tulpen unterhielt, zwischen zwei Tischen stand ein kleines Minilabor, an dem der Biochomiker sich zu schaffen machte, überall standen kleine Gefäße mit brodelnden Flüssigkeiten herum und er murmelte ständig etwas vom Klonen von Bloggern. Die Szenerie erinnerte mich irgendwie an einen Hitchcock-Film, alles ein wenig gespenstisch, alles ein wenig skuril, andächtige Stille und wildes Treiben mischten sich zu einem beunruhigenden Geräuschteppich und ich fragte mich inzwischen, ob ich vielleicht in einer Parallelwelt gelandet war, gespeist von den Gedanken bloggender Menschen. Wen konnte ich wohl noch entdecken? Herr Engraver versuchte mit seinem neuen Tele einen alten Holzstuhl ins rechte Licht zu rücken, Frau Cosmo schlürfte den nach ihr benannten Drink und unterhielt sich mit mir unbekannten oder schwer erkennbaren Schatten, teilweise buntgestreift, ab und zu wurde das Gespräch von einem herzerfrischenden, gemeinschaftlichen Lachen unterbrochen, der Zampano hielt vor einer staunenden Menge einen Dia-Vortrag der etwas anderen Art über Dschibuti ab, die Bildershow und die Geschichten wurden ab und an von artistischen Übungen des Bären Farnstoff unterbrochen, gerade fuhr dieser auf einem Einrad über die Minibühne, daneben referierte Herr Kuhlumbus über den tatsächlichen Einfluss von Kuhabgasen auf das Weltklima.

Alles irgendwie schön, aber skuril. Und warum war ich gefesselt? Inzwischen vermutete ich, dass ich in einem geheimen Quartier einer Bloggerloge oder so etwas ähnlichem gelandet war, hier trafen sie sich also, dachte ich, um unter dem Deckmantel von scheinbaren Banalitäten Großes zu planen, ich malte mir Verschwörungstheorien aus, hier wurde also die Übernahme der Weltherrschaft geplant, nichts war dran an der Vermutung, dass so manche das Bloggen als heimlichen Zeitvertreib am Arbeitsplatz benutzten oder einfach nur aus Spaß an der Freude ihre Zeit im Internet verschwendeten, diese sogenannten Onlinetagebücher waren mehr als nur sinnloses Geplänkel, diese Leute hatten Handfestes vor, sonst würden sie sich nicht auf diese komische Weise zusammenrotten und Unbescholtene wie mich mitten in der Nacht zu sich rufen. Hatten sie mich wirklich gerufen oder bildete ich mir das nur ein?

Es wurde noch merkwürdiger, zu meinen Füßen stand ein Grammophon aus den zwanziger Jahren, darauf eine alte Schellack-Platte mit der Aufschrift „Opa Edi liest Gottfried Benn“, an einem Monitor direkt neben meinem Sessel machte sich ein unglaublich übel gelaunter Herr an einem furchtbar langen Text zu schaffen und gerade als erkennen konnte, worum es sich in dieser Kurzgeschichte drehte, es war, soweit ich mich erinnere, eine Story über einen komischen Kauz aus kaputtem Elternhaus, der einen unglaublichen Aufstieg in der Bloggerszene mitmachte und dann über sich selbst stolperte (die Notizen des übel gelaunten Herrn, ich konnte sie nur schwer erkennen, gingen noch weiter, aber er sagte ständig zu sich selbst: Das kann ich nicht schreiben, das geht zu weit, das ist viel zu schrecklich, außerdem ist es viel zu viel Text, sowas liest heutzutage keiner mehr.), erschien Herr Kid in der Szene, verkleidet als Franziskaner-Mönch mit einer Gitarre in der Hand und spielte einen selbstkomponierten Song namens Hallo, das bin ich und this is some of my music.

Das war mir zuviel. Jetzt wollte ich nicht mehr, ich schrie, wie ich noch nie in meinem Leben geschrien hatte, ich schrie mir den letzten Funken Leben aus meinem Leib, ich schrie „Lüge, das ist alles Lüge, so ist es nicht, es ist alles ganz anders. Nein. Nein. Nein!“ und begann mich wie wild zu schütteln, versuchte mich zu befreien, hantierte mich wie ein Wahnsinniger und betete, dass dies ein Traum war, nur ein Traum, meilenweit von der Realität entfernt. Alle drehten sich zu mir um und lachten, eine Hand packte mich von der Seite und schüttelte mich, erst ganz zart, dann wilder und am Ende hörte ich jemanden rufen:
„Papa. Papa? Papa! Paaapaaa!“
Ich öffnete meine Augen und fand mich in unserem Bett, in unserem Schlafzimmer wieder. Der Große schaute mich entsetzt und mit großen Augen an, ich schwitzte am ganzen Leib und das ganze Bettzeug war völlig zerwühlt. Was für ein Traum. Ich brauchte lange, bis ich wieder zu mir fand, lange hatte ich das Gefühl für die Realität verloren und dachte daran, dass dieser Traum irgendwie real gewesen sein konnte, in irgendeiner Form und erst als der Große sagte:
„Papa, weißt du, ich bin immer noch aufgeregt. Auf nächstes Weihnachten, da müssen wir heute noch den Wunschzettel fertig machen, ja, und dann bin ich auch noch auf Silverster aufgeregt, wegen der ganzen Knallerei, vor der ich ja so ein bisschen Angst habe, also komm, steh auf und spiel mit mir, ja?“
war ich mir sicher, dass der Rest dieser Nacht nur ein dunkler, komischer Traum war, zum Glück nur in schwarz-weiß.
 
Fr, 29.12.2006 |  # | (1073) | 3 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 

Zwischenspiel im Zwischenspiel

Warum? Darum.

2
In der Dunkelheit sah ich keinen Tunnel mit einem hellen Licht am Ende, das langsam näher kam, obwohl es wohl gepasst hätte. Nein, ich sah einen Bildschirm auf dem alten Sekretär meines Urgroßvaters, den er Ende der zwanziger Jahre irgendwie aus Posen nach Berlin gebracht hatte, schwach ausgeleuchtet auf einer sonst schwarzen Bühne, jedenfalls sah es so aus. Auf dem Bildschirm war ein Browserfenster geöffnet und es lief folgendes Video:



Lange konnte ich dieses Bild allerdings nicht genießen, irgendwann kam die Dunkelheit wieder. Und die unglaubliche Stille.
 
Do, 28.12.2006 |  # | (487) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 

Zwischenspiel

oder Das Ende einer Spaßgesellschaft

1
Was für ein Fest. Nein, nicht turbulent, aber auch nicht spektakulär, eher erkenntnisreich. Keine tiefgründigen Erkenntnisse, nein, überhaupt nicht, im Prinzip war es eher ein dumpfer Schlag, der das lang gehegte und gepflegte Brett vor dem Kopf entfernte, endlich, ein Ende der Spaßgesellschaft, im nächsten Jahr fahren wir vielleicht ganz weit weg. An die Ostsee, das wäre meine spontane Idee. Am Ende stolperte ich, den Gürtel ein Loch weiter gestellt, durch die kalte Nacht und drehte den MP3-Player auf volle Lautstärke. Endlich wieder ordentliche Musik, nicht dieses Gesäusel vom heiligen Abend, von der heiligen Nacht, endlich wieder ich, endlich wieder ein wenig Normalität. Selbst der Hund atmete wieder auf, nicht mehr diesen leckeren Gerüchen nachhecheln, darauf hoffen, dass etwas von der leckeren, fetten Gänsekruste vom Tisch fällt. Nein, das Fest war nicht schlimm, es war ok. Und gerade in diesem Moment sang Thees Uhlmann etwas von einem passionierten Mensch in einem mediokren Land und ich fragte mich, warum diesmal das Mittelmaß ausreichte, um trotzdem ein gutes Gefühl zu hinterlassen. Egal, ich sang laut mit und sprang herum, wie ein Verrückter, mir doch wurst.

In der Wohnung schliefen schon alle, selbst die Angebetete schnarchte süß vor sich hin. Ich stürzte mich hinein, in das wunderbar kühle Bett, tief schlafen, dies war mein einziges Ziel in dieser Nacht, tief schlafen, mehr nicht. Noch schnell ein paar Zeilen lesen, doch das Buch fiel mir schnell aus der Hand, die müden Augen zu, der Körper wurde ganz schwer. Komm zu mir Nacht, dachte ich und ließ mich fallen. Süße Schwere umfing mich, ein tiefer, bodenloser Fall, erst ein dunkles Nichts, dann wohlig warme Farben und doch stand ich irgendwann unvermittelt wieder auf, zog mir ein paar dicke Socken an und schaltete die wunderbar gelblich-warme Beleuchtung des Weihnachtsbaums ein. Ein kurzer melancholischer Blick auf die Geschenke unter dem Baum, die der Weihnachtsmann dort angeblich hinterlassen hatte und ich lief schleichend durch den Flur, nahm meinen Schlüssel und ging durch die Wohnungstür hinaus.

Der Hausflur war dunkel und kalt, jemand hatte die Tür zum Hof aufgelassen, immer wieder dasselbe, ärgerte ich mich, zog doch dann immer die kalte Luft in unsere Wohnung. Ich schaltete das Licht an und entdeckte an der gegenüberliegenden Wand eine Postkarte, die dort jemand mit durchsichtigem Klebeband auf den Fliesen befestigt hatte. Auf der Vorderseite war Albert Einstein zu sehen, er stand vor einer Tafel und auf deutete verschiedene Formeln, auf der Rückseite stand mit hecktischem Schriftzug der Spruch „Geist ist geil!“ Wer hatte diese Karte dort angebracht? Albert Einstein? Geist ist geil? Und warum war eigentlich diese verdammte Tür offen?

Ärgerlich ging ich zur Hoftür, um sie zu schließen, über die Karte konnte ich mir später noch Gedanken machen. Auf dem Hof hörte ich komische Geräusche, die eindeutig nicht zum normalen Geräuschpegel in unserem Haus gehörten. Es war ein wildes durcheinander von Stimmen, gedämpft, aber trotzdem hörbar, ein wenig Musik dazu und ich fragte mich, woher diese Geräusche wohl kamen. War etwa der DJ aus der dritten Etage im Hinterhaus wieder eingezogen und versorgte uns nun wieder mit den neuesten Klängen aus der Berliner Clubszene, zu jeder Tages- und Nachtzeit? Ich trat heraus auf den dunklen Hof, der Boden war feucht und kalt, alles andere als angenehm, aber ich war neugierig. Der gedämpfte Lärm kam nicht von oben, aus irgendeiner der Wohnungen im Hinterhaus oder den Nachbarhäusern, sondern eher von unten und mein Blick fiel augenblicklich auf die Kellertür, die komischerweise offen stand. Doch nicht nur dies war komisch, merkwürdigerweise leuchtete nicht das sonst übliche grelle weiße Licht der Kellerbeleuchtung aus dem Keller, sondern nur ein schummriges blaues Licht, das von dichten Nebelschwaden verschleiert wurde. Was war da los? Neugierig ging ich in Richtung Keller und versuchte, die Treppe herunter zu schauen und irgendetwas zu erkennen. Die Stimmen und die Musik wurden zwar deutlicher, doch ich konnte nicht in den Keller hineinschauen, überall hingen die dicken Nebelschwaden, beleuchtet von diesem kalten, blauen Licht. Ich trat auf die Schwelle zu Kellertreppe und wollte auf den Schalter für die Kellerlampen drücken, als der Boden unter meinen Füßen nachgab und ich mit einem heftigen Ruck nach unten rutschte. Ich fiel mit dem Rücken auf den staubigen Boden des Kellers, konnte meinen Kopf kaum halten und schlug hart mit dem Hinterkopf auf dem kalten, bröckeligen Lehmboden auf. Das blaue Licht verwandelte sich schlagartig in tiefe, schwarze Dunkelheit, die Stimmen und die Musik verschwanden sofort und plötzlich wurde es unheimlich still.
 
Do, 28.12.2006 |  # | (869) | 1 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 

Zwei Seelen in einer Brust, beobachtet beim Kaffeklatsch, die eine mit doppelten Espresso in einer Tasse mit viel zu kleinem Henkel, mit ordentlich Zucker, das ergibt ein bittersüßes Gebräu, bittersüß ist ja nicht unbedingt die schlechteste Gemütslage, die andere mit einem frech süßen Mocchachino, ein komisches Mixgetränk, für die mittelmäßigen, langweiligen Tage im Leben, ab und an ganz interessant. Dazu gibts scheinbar auch Alkohol.

"Schreibst grad nicht so viel, mmmhhh?
"Joa, ähm, nöö, na ja, doch, eigentlich schon. Wie mans nimmt."
"Hör auf zu stammeln, Stammliger. Und nicht rot werden. Wollte ja nur wissen."
"Ja, nee, hast ja recht, aber, irgendwie kriecht es vor sich hin."
"Was?"
"Das innere Tier."
"Du meinst deinen Schweinehund, den du nicht in Griff bekommst?"
"Pah, Schweinehund, den lass mal stecken. Gestern erst habe ich den Angriff der sieben Zwerge über mich ergehen lassen. Zum Glück war ich nicht ganz allein, sondern hatte noch Rotkäppchen mit dabei, eine ganze Flasche für mich allein. Und noch eine für die Angebetete."
"Und dann sitzte hier schon wieder und trinkst Rum?"
"Hahaha, was für ein Wortspiel. Wir haben sie in den Griff bekommen, alle sieben Zwerge, wir hielten sie in Schach, obwohl Schneewittchen nicht kam, nur eine böse Hexe."
"Lass mal deine Familienprobleme stecken."
"Probleme? Probleme? PROBLEME? Du bekommst gleich welche. Jedenfalls legten wir sie um, nein, nicht wirklich, obwohl wir das zeitweise gern getan hätten, aber sehen wir aus wie Vincent Vega und Jules Winnfield? Nö, ich bin dünner als Travolta und die Angebetete hat schon gar nicht solche Löckchen. Na ja, ganz abgesehen von der Hautfarbe. Trotzdem haben wir sie umgelegt, haben uns nicht übertölpeln lassen. Doch nicht von sieben Zwergen. Aber, das muss man ihnen lassen, sie haben uns geschafft. Selbst die shopping-erprobte Angebetete."
"Jammerlappen. Es gibt Menschen, die ertragen so etwas berufsmäßig."
"Dickes Fell, vermute ich. Aber: Hut ab! Was ich aber eigentlich sagen wollte: Den Schweinehund, diesen räudigen, hab ich dreckiges Tier sein lassen, hab mir blütenweiße Gedanken gemacht und schon gings. Trotzdem kriecht das innere Tier vor sich hin, ganz gemächlich, aber stetig."
"Rätselhafter, sprich dich aus."
"Kennst du das nicht, dieses Gefühl, an etwas unbestimmtes denken zu müssen, dieses Gefühl, dass sich irgendwo in der letzten Ecke der Denkanstalt etwas ungreifbares eingeschlossen hat und nur ab und zu ganz kleine, gold-glänzende Fäden herauslässt, die dich vermuten lassen, was dahinter stecken könnte? Und denn stehst du vor der Tür, bist verblüfft über das ganze glitzernde Gewusel, dass aus den kleinen Ritzen hervorkommt und rüttelst wie ein Verrückter an der Tür, ohne sie tatsächlich öffnen zu können?"
"Hol doch mal Luft, Verrückter."
"Hör zu, hör zu! Was steckt denn nun dahinter, was? Was versteckt sich dort? Und, was, wenn die Tür tatsächlich irgendwann aufgeht? Erstrahlt dann alles in goldenem Glanz? Oder vergeht das wunderbare Glitzern in genau diesem einen Moment und dann ist alles vorbei? Oder öffnet sich gar so eine Art Büchse der Pandora und heraus tritt eine Ansammlung von Bösartigkeiten?"
"Du verwirrst mich. Was meinst du denn mit diesem ganzen Mist?"
"Manchmal hebe ich diese Streifen auf, schaue sie mir an, schau mir an, was sie bedeuten könnten, vermute, rätsle, staune. Manches davon schreibe ich auf, manches vergesse ich auch gleich wieder, die Streifen zerrinen einfach so in meiner Hand, lösen sich auf und das tut meistens weh. Und dann, meistens nachts, wenn alles still ist, alles schläft, liege ich wach und dann stehe ich eben vor dieser Tür, rüttle daran, mal ganz vorsichtig, dann wie ein Verrückter, aber sie öffnet sich nicht. Nein, sie bewegt sich nicht einmal. Nur den Glanz dahinter, den kann ich trotzdem erahnen, kann spekulieren, rätseln, mich verzaubern lassen, sehen kann ich dasgroße Ganze nicht. Ein komisches Gefühl."
"Spinner. Echt jetzt. Trink mal noch einen. Ich werd dich nie wieder fragen, ob du schreibst oder nicht. Du machst mir Angst."
 
Mi, 20.12.2006 |  # | (476) | 1 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 

Einer von vielen



Einer von vielen, nichts besonderes.

Es ist wieder mal so weit, ich bin gesättigt von mir selbst, ich mag nichts mehr von mir selbst hören, sehen oder lesen, auch nichts mehr schreiben. Ich schaue den Kindern zu, wie sie ihre eigene Ordnung im Zimmer herstellen, ihr eigenes Königreich errichten, Piraten gegen Diebe, irgendwann kommt die Feuerwehr, ich schaue der Geliebten zu, wie sie dezent Weihnachtskram in der Wohnung verteilt, besonders wichtig ist der Stern, leuchtet er, leuchten wir, alles ist gut.

Wäre ich heute in einen Buchladen gestolpert, und das wäre ich, denn ich bin momentan ein hastiger Zeitgenosse, hätte ich nicht lange gefackelt und wäre wohl mit einem kaum zu bändigenden Stapel Bücher herausgekommen, über den Kopf ragend, schwer zu tragen und trotzdem noch nicht genug. Ich bin satt, aber nur von mir selbst, für andere bin ich offen, geradezu hungrig, ich möchte aufnehmen, inhalieren, mich in eine dunkle Ecke zurückziehen, in andere Welten, dabei denken, genießen, träumen.

Am Buchladen stolperte ich auf meinem Weg zur Bahn vorbei, hastig, hurtig, die Bahn kommt gleich, jetzt gerade stolperte ich in den iTunes-Shop. Olli Schulz landete schnell auf der Platte, die neue Scheibe auf der Festplatte, komisch, Musik, die man nicht mehr anfassen kann, jetzt lausche ich und lass mich treiben, lese hier und dort, suche, ohne wirklich finden zu wollen, denke, genieße und träume, als einer von vielen, nichts besonderes.
 
Mi, 29.11.2006 |  # | (547) | 2 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 

Ein guter Tausch

Schlämmerei, Völlerei, sich gehen lassen, Eisbein, Erbspürree, Tiramisu, dazu dem Rauschen aus der Unterschicht lauschen, das war jetzt gemein. Statt den überfetteten und dehydrierten Körper, wie gesagt, Katzen mag ich nicht wirklich und Kater gehören sicher dazu, mal ganz abgesehen von J. R. Cabman, natürlich, in die Sonne zu hieven, durch das verwelkte Laub zu stapfen und sich dabei ein wenig selbst zu beweinen, während Kinder ab und an jauchzend an einem vorüberziehen, die letzten dicken, braunen Kastanien und komisch verpackte Haselnüsse aufsammeln, sitze ich hier und schreib das mal ins Internet rein, 99 Prozent ist Schrott oder Müll, mir doch egal, denn gestern wurde es mir wieder bewusst, dass mehr dahinter steckt, hinter dieser Bloggeritis, Bloggorrhoe, es ist nicht nur das belanglose Aufschreiben von uninteressanten Kleinigkeiten, mehr oder weniger gelungene Versuche, geschriebener Sprache Herr zu werden, gute oder weniger gute Geschichten zu erzählen, auf Kommentare zu warten, sich daran erfreuen, zu lernen und zu genießen, es steckt mehr dahinter, wenn man will.

Der Postmann klopfte, genau drei Mal, er brachte das erwartete Unerwartete, rückte das leicht schief aufgehangene Bild von Kleinbloggersdorf, Satellitenfoto powered by Google, hahaha, wieder gerade und weil das Päckle breiten Anklang fand, sage ich hier mal laut "Danke.", statt leise aus dem Hintergrund, wie es eigentlich meine Art ist. Und lachen musste ich und am Ende dachte ich: Ein Schwabe sollte Finanzsenator in Berlin werden.

And now for something completely different, die Minifahrzeugsammlung muss noch sortiert werden, auch eine schöne Form der Zeitverschwendung, der Lohn ist ein verschmitztes Lächeln, ein lautes Lachen, wären die Monster nicht da, würden wir jetzt wohl wieder ins Bett fallen.



So geht das, mit dem Familiensonntag. Spielen, spazieren und dann und wann was ins Internet reinschreiben. Schön und sexy, wenn ich das als Berliner mal so sagen darf.
 
So, 22.10.2006 |  # | (486) | 2 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 

Lose Gedanken über die Liebe

Das Tagwerk ist vollbracht und am Ende bleiben nur noch lose Bruchstücke des Tages liegen, die man sorgfältig aufklauben und nach der bewährten Methode "Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen" in die mehr oder weniger vorhandenen Schubladen einsortieren kann. Der komische Sonnenaufgang, das mehr oder weniger nutzlose Gespräch am Mittag, dass nur zur Stärkung demotivierender Tendenzen beigetragen hat, die faden Gesichter in den Cafes rund um den Hackeschen Markt, lustlos am latte machiato schlürfende Trendsetter oder solche, die es werden wollen, die Tatsache, dass Kinder eben immer Kinder ihrer Eltern bleiben und das Kauzigkeit ein Problem fortschreitenden Alters ist und ganz am Schluss die Frage, ob für das leckere Essen beim Lieblingschinesen nun eine herumstreunende Ratte oder der letztens noch so nett mit dem Schwanz wedelnde Hund dran glauben musste, das ist natürlich nur ein Spaß. Hauptsache ordentlich Knoblauch. Übrig geblieben sind auch ein paar lose Gedanken über die Liebe. Auch gut.

Lose Gedanken über die Liebe
 
Di, 03.10.2006 |  # | (612) | 18 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 

Zweiter Teil

7.000 Dinge sprangen gestern schon wieder durch meinen mit Depeche Mode beschallten Schädel, Erinnerungen an vergangene Zeiten, sogar ein paar vertraute Gerüche stiegen mir wieder in die Nase. Alles war plötzlich so real, dass ich während meiner nächtlichen Wanderung schon damit rechnete, an der nächsten Ecke alte Freunde wieder zu treffen. Zum Glück wurde das kein Alptraum, später, denn mit denen kann ich schwer umgehen, weil ich sie meist nicht verstehe und deshalb möglichst schnell vergessen möchte. Tröstlich zu wissen, dass ich mit diesem Gefühl nicht alleine bin. Aber nun weiter im Text.

Protokoll eines Unzufriedenen (eine Fortsetzung)

 
Mi, 27.09.2006 |  # | (625) | 7 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 

Protokoll eines Unzufriedenen

U-Blogger, Befreiungsfront, Unzufriedenheit und das alles ist doch sowieso nur ein Teil des unbekannten Ganzen, von dem niemand weiß, woher es kam und wohin es uns führen wird. Deshalb protokollieren Blogger akribisch ihr tägliches Leben, so können sie später im Archiv nachblättern und sagen "Ich habe es schon immer gewusst." oder "Ich war schon auf der richtigen Spur." oder "Ich habs fotografiert." Der hier schreibende Unzufriedene gehört zu dieser Meute, allerdings weiß er nicht so richtig warum überhaupt und ob ihm der Blogpsychologe bei der Bewältigung seiner Unzufriedenheit helfen kann, ist nur noch ein weiteres fehlendes Puzzleteil im Puzzle der offenen Fragen.

Protokoll eines Unzufriedenen
 
Di, 26.09.2006 |  # | (536) | 6 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 

Morgen fahr ich wieder Bahn

Der Wecker klingelt, ich war schon vorher wach, einen kleinen Fuß im Gesicht, wie hat der sich hier schon wieder reingeschlichen? Draußen ist es angenehm kühl, der Himmel strahlt aber schon gefährlich blau, ohne Wölkchen, das Gesicht im Spiegel meint, ich solle doch bitte schön wieder in der Falle verschwinden. Denkste. Ich hätte schon vor einer Stunde aufstehen sollen, wach werde ich abends zwischen neun und zehn, bin es irgendwann zwischen eins und zwei und dann wieder nach vier Uhr, morgens. Nicht besonders gesund, man kann ja auch nicht den ganzen Tag verschlafen und deshalb richte ich mich auch nicht nach diesem Rhythmus, höchstens ab und zu mal, damit ich mich nicht vollend einschränke. Mit den entsprechenden Folgen, Kinder haben die unangenehme Eigenschaft, Frühaufsteher zu sein, jedenfalls die, die hier rumspringen und das dürfen die auch. Der Tag wird dann allerdings lang und abends fallen einem die Augen zu, wenn man mal wieder eine Nacht durchgemacht hat, da helfen auch nicht gefühlte vier Liter Kaffee. Diese Zeit vergeht wieder, irgendwann werden sie uns anmaulen, weil wir es wagen, sie vor vierzehn Uhr zu wecken, womöglich noch mit einem Staubsauger, ich kenne das auch noch so, alte Familientradition.
Dem Straßenbahnfahrer winke ich munter zu, er weiß damit nichts anzufangen, ich kann es ihm aber auch nicht erklären. Heute mal wieder Daft Punk im Wechsler, einfach auf irgendeinen Knopf gedrückt, passt schon. Siebzehn Grad, da kann man noch atmen, gestern abend war das Haus noch ganz heiß von außen, soll es die Wärme ruhig speichern, der Winter mit Temperaturen unter minus zehn Grad wird wiederkommen, wahrscheinlich. "Around the World" - das wäre jetzt etwas für mich, bloß weg von hier, kann man doch alles nicht ertragen. Selbst der Große hat genug, wovon weiß ich nicht, aber fragen wie "Wenn man tot ist, kommt man unter die Erde, oder?" kommen ja nicht von irgendwo her, nicht das der auch so einer wird, der lieber über den Tod nachdenkt, als über das Leben. Wahrscheinlich haben wir in letzter Zeit zu wenig mit Lego gebaut und zuviel "Räuber und Gendarm" gespielt. Ich sage "Ja, bei uns ist das so." Ihm genügt diese Antwort, vorerst. Gern hätte ich ihm noch gesagt, dass der Tod unvermeidbar ist und es sich deshalb nicht lohnt, darüber nachzudenken, dass viele aber hoffen, dass es danach irgendwie weiter geht, ich aber befürchte, dass dies nicht so sein wird. Sichere Erkenntnis gibt es dazu nicht. Irgendwann wird er das alles wissen wollen.
Im Strom der vor sich hin plätschernden Autos schweift man ab, lässt die Gedanken kreisen und irgendwann erinnere ich mich an einen Sommertag vor Jahren, dieser Gedanke hatte gestern schon kurz aus dem Gedächtnis herausgelugt, angeklopft und kurzzeitig Gänsehaut verursacht, bei vierundreißig Grad im Schatten. Ein Anruf, eine zittrige Stimme, panisch, ängstlich, weinend - "Es ist schon wieder passiert." Ich wusste nicht, was sie genau damit meinte, aber es muss schlimm gewesen sein. Sie wusste nicht wohin, sie wollte nicht reden müssen, nur weinen, still in sich hinein, vielleicht ein wenig Wärme spüren, Liebe, eine einfache Umarmung. Dieses Gesicht werde ich nie wieder vergessen, die Verzweiflung in ihren Augen, stumme Hilfeschreie, die heute immer noch keiner wirklich hört, hören kann, wer sieht schon die Schnecke, die sich in ihrem Haus verkriecht.
Letztens sagte jemand zu mir, ein oder zwei Klapse auf die Hand oder den Hintern sind nicht schlimm, die gehören zur Erziehung dazu. Ich fragte ihn, wo da die Grenze sei, ob er sich nicht vorstellen könnte, dass er auch mal wütend wird, wenn diese Mittelchen nicht mehr helfen sollten und ob es dann nicht schnell passieren könnte, dass er die Kontrolle über sich verliert und ausrastet. Er hat sich unter Kontrolle, sagt er, ich wünsche es seinem Kind.
Dunkle Gedanken an einem warmen Sommermorgen, wahrscheinlich wird es mal wieder Zeit, eine oder viele lustige Runden einzuberufen, nicht um zu verdrängen oder zu vergessen, sondern einfach um lustig zu sein, für die helle Seite im Leben, die nicht zu unterschätzen ist, die mir besser gefällt, als tiefe Abgründe, die unvermeidlich sind und nie in Vergessenheit geraten können, immer wieder auftauchen und zu überspringen sind.
 
Mi, 19.07.2006 |  # | (490) | 8 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 



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Online seit: 08.02.2006
Letzte Aktualisierung: 03.06.2024, 07:57


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