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Geschichtet, ungerührt

Adieu, Winter.

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Ein Sonnenbrand an der See, im kältesten Frühjahr aller Zeiten, die Eiszeit kommt und alle haben den Jammermodus voll aufgerissen und lassen dir Mitteilungen über die aktuelle Schneehöhe im Nordosten Berlins auf dein Telefon rieseln, doch du sitzt auf dieser Bank, in der Nachmittagssonne, den Kopf auf einer warmen Schulter, den Blick gen Südwesten, vor dir Wasser, ein paar Seevögel, sonst Stille, willst du wirklich mehr?

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Der von den Jungs eingestellte Radiosender hat in den letzten vier Stunden rund acht Mal Sidos Welthit “Flugzeuge im Bauch” “Bilder im Kopf” heruntergedudelt und ich ertrage es mit äußerer Fassung. Innerlich brenne ich. Ich möchte den Radioempfänger an die Wand schmeißen, darauf herum trampeln, Menschen, die für diese Wiederholungsdudelei verantwortlich gemacht werden können, verantwortlich machen, natürlich nicht den armen Eventansager im Radio, der die Superhitendlosschleife auch noch mit style und verve ansagen muss, als würde er die fresheste aller freshen Platten ankündigen, den Megahit von übermorgen, den man heute schon hören kann, aber nur hier, aber nur jetzt und später erst wieder auf den anderen Sendern, die freshe Platten in der Endlosschleife zu Tode spielen, bis sich die Musikindustrie fragt, warum niemand ihre toten Pferde kaufen will. Bevor mein Innerstes nach außen gelangt, schaltet einer der Jungs das Radio aus, auch ihm scheint es zuviel und ich freue mich, denn der Mensch ist ohne Frage lernfähig.

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Leuchtturm sollst du sein und kein Teelicht.
 
Di, 09.04.2013 |  # | (816) | 3 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 

Schnee als running gag?

Wie das damals war, im Winter 2012/ 2013; aus der Reihe “Opa B. erzählt vom Wetter”.
Ich weiß noch, wie es am ersten Advent des letzten Jahres schneite. Es schneite wie verrückt, nicht nur ein paar kleine Flöckchen, spärlich, zählbar, heimlich, still und leise den Winter ankündigend, kleine, weiße Vorboten des Schneegestöbers, am liebsten bis zum heiligen Abend, nein, Resendinger schneiten tonnenweise aus dem grauen Himmel, als würde Frau Holle ein ganzes Lager voll unausgeschüttelter Bettdecken räumen und die Goldmarie hätte sich noch die fleißigen sieben Zwerge von Schneewittchen ausgeliehen.

Die Kinder waren natürlich froh und glücklich und freuten sich ganz wahnsinnig, stürmten heraus und wälzten sich in der weißen Pracht, warfen Schneebälle, versuchten Schneemänner zu bauen, später dann eine ganze Armee stummer, weißer Götzen im Stile der chinesischen Tonkrieger. Und wir standen drinnen, im warmen Heim und umarmten uns, schauten unsganz tief in die Augen, ganz romantisch, machten Kamin und Kerzen an, tranken Glühwein und hörten dabei Weihnachtslieder, vorgetragen vom Rundfunk Kinderchor Berlin. Und natürlich schneite es den gesamten Dezember hindurch, sogar am Tag vor Heiligabend und alle, die den Weihnachtsbaum fröhlich schmückten (Kerzen, Kamin, Glühwein, Sie wissen Bescheid) freuten sich auf eine weiße Weihnacht.

Die natürlich ins Wasser fiel. Tauwetter bis Anfang Januar, Regen in der Silversternacht, die sowieso total daneben war, Lichtjahre entfernt vom vorweihnachtlichen Kerzen-, Kamin- und Glühweingehabe, ein Stilmittel der Übertreibung, man sedierte sich dagegen anderweitig, aber dazu vielleicht irgendwann mehr.

Anfang Januar schrieb ich in einer Mail zu einer Verabredung “es wird wohl schneien” und natürlich schneite es, aber nur, weil nicht ich, dafür aber der Wetterbericht immer immer immer wieder recht hat. Und es schneite weiter. Und dann taute es wieder. Und dann schneite es. Und dann taute es wieder. Bis in den Februar hinein ging dieses Spiel, sogar bis Ende Februar. Und dann kam endlich der Frühling und er brachte gleich den Sommer mit und den Herbst, das Thermometer vermeldete an einem denkwürdigen Nachmittag fast zwanzig Grad, wir spazierten am See entlang, wir fütterten Enten, zogen die Mäntel aus und setzten Mützen ab, von den wir dachten, sie seien auf unserem Kopf bereits fest gewachsen, wir schwitzten sogar bei der Gartenarbeit.

Bis der Schnee kam. Und bis heute blieb. Und ich meinem Gehirn erklären muss, dass zwitschernde Vögel und dicke Knospen an Sträuchern nicht automatisch Frühling bedeuten.

Wobei ich eigentlich sagen wollte: Ostereier im Schnee? Winter, willst du mich eigentlich veräppeln?
 
Di, 19.03.2013 |  # | (827) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 

Was den Himmel erhellt

Es gibt einen neuen Papst,
warum sollte ich dann nicht mal wieder etwas aufschreiben?
Bufflon, Blogger


Rase mit gefühlten zweihundertachtzig über mecklenburgische Alleenstraßen, vorbei an Kreuzen, auf denen Namen wie Marie-Jana oder Thorsten stehen, es sind eine Menge und weil das mecklenburg-vorpommersche Verkehrsministerium zusätzlich so nett ist, darauf hinzuweisen, dass Raserei mit gefühlten zweihundertachtzig den sofortigen Tod bedeutet, bremse ich ab. Sehe zur Rechten den wunderbarsten Sonnenuntergang dieses Jahrhunderts, die Sonne orange-rot, darunter weiße Felder, dunkle Wälder, ein paar Rehe, Bauern, ein bisschen Dorfjugend, die Frei.Wild hört, von denen ich noch nie gehört habe.

Ich dagegen höre Tocotronic, ganz laut. Ich muss die hören, war die letzte CD, die sich im Handschufach finden ließ, eigentlich war etwas ganz anderes geplant, doch die CD, die ich hören wollte und für diesen Zweck am heimischen Digitalherd mit umgebundener Schürze heimlich brannte, schien irgendwie angebrannt zu sein und nicht mehr lecker. Vielleicht bin ich inzwischen auch einfach nur zu doof, irgendwelche Daten auf Rohlinge zu brennen, weil niemand mehr Daten auf Rohlinge brennt, Schwarzbrennerei war gestern, heute ist alles anders. Alt bist du geworden, denke ich, wenn ich in den Rückspiegel und dabei nur mein Gesicht, aber keine dreisten Verfolger, alte, tiefer gelegte Opels mit Frei.Wild-Aufklebern oder irgendwas mit Thor Steinar sehe. Mecklenburg-Vorpommern ist leer, wenn keine Touristen da sind.

Kleiner Zwischenstopp, das Kaufland in Rostock bietet nämlich wunderbarste Schnäppchen, zum Beispiel eines der größten Windel-Pakete, das Ostdeutschland je gesehen hat und das auch ich je sah - und ich sah schon eine Menge Windelpakete - kostete aber nur nen Zwanni. Wermutstropfen: Es gibt keine Mategetränke. Was Rostocker nicht wissen: Berliner brauchen Mategetränke genauso zum Überleben wie feinstaubgeschwängerte Großstadtluft, die für sehr interessierte Amerikaner auch frisch in Dosen abgefüllt und verschifft wird, sie brauchen einen Vollbart und ne schicke Brille und kein Berliner hört mehr Tocotronic, Schall & Wahn.

Weiter geht es mit gefühlten hundert, die Kreuze am Straßenrand und die netten Hinweise des mecklenburg-vorpommerschen Verkehrsministeriums hängen nach und irgendwie auch die Sehnsucht nach allem und eine magenunfreundliche Bassline der Brüder Kalkbrenner, deren Machwerk "Berlin Calling" sich unterm Kindersitz, zwischen Kekskrümeln und graubärtigen Gummibärchen finden ließ. Für die nächste Tour durch den wilden Osten ist allerdings eine noch viel tollerere Beschallung geplant, alles aus dem Hause van-Cleef, aber nur wenn der Digitalherd mitmacht. Wenn nicht, muss eines dieser neumodischen Dinge ran, die mit fortschreitendem Alter der Kinder angeblich unbedingt im Haushalt benötigt werden und mich unheimlicherweise ein wenig an meine eigene Erfindung erinnern.
 
Do, 14.03.2013 |  # | (1130) | 5 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 

Alte Liebe rostet wohl

Dinge gehen verloren, manchmal vermisst man sie dann nicht einmal.

Dinge bleiben, ohne zu vergehen, schauen dich morgens an, vorwurfsvoll vielleicht, weil sie vernachlässigt werden und du denkst: Bitte geh!

Alte Liebe rostet wohl und wenn man sich nicht aufraffen kann, Politur und Putzlappen in die Hand zu nehmen, ist schon fast alles verloren.

Sorry, liebes Blog, ich gehe fremd. Weil ich dich nicht mehr aufpolieren kann, weil die Liebe fad geworden und ich in den letzten sechs Jahren ein anderer Mensch geworden bin.

Gehen also, so einfach ist das. Abschied nehmen, kurz winken und zum Abschluss sagen: Enjoy the silence.
 
Di, 25.10.2011 |  # | (1342) | 1 K | Ihr Kommentar | abgelegt: blogosophie



 

Und wieder: Herbst

Das Gefühl, keine Lust mehr haben zu wollen, auf die Dinge, die einen jahrelang trieben. Alles langweilig. Am Spielfeldrand stehen und das Gemüt erhitzen, um später in der heimischen Höhle festzustellen, wie sinnlos dies doch war, jedes Wort ein verschwendetes Wort. Wunderbarer sei doch der Baum an der Ecke, der im Frühling so schön blühe und im Herbst wunderbar rot strahle. Dann hält man sich auch ein wenig für bekloppt.

So viele erwähnen die Krankheit burn-out, einige leiden oder litten daran, persönlich kenne ich vier Fälle (allesamt Frauen, Männer sind sicher die Dunkelziffer). Dann behaupte ich manchmal, das Leben biete einfach zu viele Optionen, von denen man neunzig Prozent sowieso nie erreichen könne und sowieso strebten viel zu viele nach Perfektion. Dings sucht seit Jahren den perfekten Job und wird dabei immer ärmer, Bums sucht seit Jahren die perfekte Frau und wird dabei immer einsamer. Undsoweiter, ohne Wertung, antürlich. Kennst du überhaupt noch jemanden, der von sich behauptet, glücklich zu sein? Was ist Glück? Bin ich glücklich, auch wenn heute mal nicht die Sonne scheint? Und wer weiß, wie es hinter deiner eigenen Fassade aussieht? Das jedoch schmiere ich keinem aufs Butterbrot, nicht bei Facebook, Twitter, Google, sonstwo. Die Fassade dürft ihr sehen, meine Leichen trage ich immer noch unbeobachtet in den Keller.

Das wird der Herbst sein, dieses kleine Chaos im Kopf. Wie immer. Ein wenig Rückenschmerz hier, ein bisschen Kopfschmerz da, Schlafmangel geht noch. Inzwischen läuft der Körper am Stück knapp 6 Kilometer in einer halben Stunde, das ist schon Tempo. Was bringt es? Nüscht. Nur ein wenig Schweiß, die Tränen des hart arbeitenden Mannes. Beim Laufen denkt man an nichts, Leere im Kopf. Einatmen, ausatmen, eins, zwei, drei. Das erscheint langweilig, aber wer hat gesagt, Meditation sei spannend? Das Beste ist immer noch die Dusche danach, die den Dreck wegspült, und das Gefühl, eine Runde gedreht zu haben, ohne sich im Kreis zu drehen (wegen der Leere im Kopf).

Das Gefühl der Lustlosigkeit, man redet sich das nicht nur ein. Es sind die Optionen, die überfordern. Was fehlt ist die Langeweile, das Nichtstun, die langanhaltende Leere im Kopf, nicht nur für eine halbe Stunde. Was bleibt ist ein Alltag aus Mails, Word-Dokumenten, Gedankenschnippseln, die nie so richtig zu Ende gedacht werden können, weil die Unterbrechung das alltägliche Übel ist. Und dann vergisst man eben mal, dass der Mülleimer rauszubringen ist. Oder ein Buch gelesen werden will. Wo war noch mal meine Hollywoodschaukel? Ach stimmt ja, der Sommer ist jetzt vorbei.
 
Do, 06.10.2011 |  # | (1301) | 2 K | Ihr Kommentar | abgelegt: melancholie



 

2050

In dieser Stadt hat man es als Melancholiker leicht. Du gehst aus dem Haus, womöglich scheint die Sonne und sagst du dir, nun ja, es könnte schlimmer kommen. Du bewegst dich ein wenig, weil du Termine hast, weil wichtige Dinge zu erledigen sind. Die Liebste hat diese CD im Auto gelassen, die du dir anhörst, während du am alten Kiez von Freunden vorbei fährst, und du singst mit, weil niemand dich dabei hören muss und erinnerst dich an die Freunde, die ins Grüne gezogen sind, ins wunderschöne Brandenburg, in den wunderschönen Wald, weit Weg vom Jubel und Trubel des Molochs, an den Arsch der Welt. Es gab Zeiten, da seid ihr einfach mal so vorbei gefahren, auf ein Bier, einen Plausch, eine Zigarette, waren ja nur fünf Minuten oder so, jetzt wäre es ein Tagesausflug, Auto fahren, Stau, jottwehde und so weiter. Und nach Zigaretten verlangt es dir inzwischen sowieso nicht mehr. So schaust du wehmütig auf den hässlichen Elfgeschosser, den sie eintauschten gegen die marode Bruchbude am Rande eines Kiefernwaldes, das Dach vom Holzwurm zerfressen, eine Hexenhaus, das für viel zu viel Geld neu aufzubauen ist und schaust noch ein bisschen wehmütiger, weil du keine Zeit hast, ihnen bei diesem eher sinnlosen Unterfangen zu helfen und weil niemand auf dich hörte, als du Vernunft ins Feld führtest. Nun ja. Sonne, ein paar Wolken, ein kühler Herbstwind, Elfgeschosser und Gedanken an vergangene Tage, das findet man hier an jeder Ecke, ein Paradies für melancholische Gemüter.

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Es gibt Stimmen, die den Menschen der Piratenpartei (irgendeine, nicht näher definierte) politische Kompetenz absprechen. Diese Stimmen mögen recht haben. Trotzdem sollte man diesen Stimmen entgegentreten und darauf hinweisen, dass die Kompetenzen anderer wählbarer Parteien auch nicht überzeugen, zumindest wenn man die schöne bunte Welt der Wahlplakate mit dem grauen Alltag in Einklang zu bringen versucht. Man wird in den nächsten Jahren noch einmal darauf zurück kommen müssen.

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Wir wissen im Prinzip überhaupt nicht, wie man Kinder erzieht. Wir wollen es auch gar nicht wissen. Und wenn man genau hinschaut, muss man behaupten, sie sind ganz gut geraten, die Kinder. Aber die Pubertät steht ja noch bevor.

(Kürzlich mal so gegen halb neun am Abend durch den örtlichen Ikea gerauscht und über Menschen, die mit ihren kleineren Nervensägen gemütlich durch selbigen spazierten. Die Nervensägen wirkten aufgedreht und störten vor allem wegen ihrer spätabendlichen Lautheit. Man urteilt ja doch insgeheim über andere und hier dachten wir, dass diese Kinder wohl immer abends durch die Gegend heizen und ihre Erziehungsverpflichteten auf Trab halten, was wir nicht kennen, weil bei uns strenges Kasernenregime gilt: Zähne putzen, Vorlesen, Augen schließen. Klappt seit ungefähr neun Jahren ganz gut.)

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Mein Gott, sind wir konservativ. Und eingebildet.

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The reason I will never buy an eReader.

(Obwohl man niemals "Nie!" sagen sollte. Ich kann es mir nur nicht vorstellen, rumzuliegen, sagen wir mal auf einer Hollywoodschaukel im Grünen, in der Hand einen solchen eReader, prall gefüllt mit eBooks, die hin und her und rauf und runter zu scrollen sind, ein paar tausend Seiten, eigentlich ein paar Kilo Papier, hinein gepresst in so ein elektronisches Ding, für deren Erwerb ich meinen langsam wieder in Form kommenden Körper nicht einmal mehr einen Millimeter bewegen müsste. Nö. - Ich hätte aber auch nie gedacht, irgendwann mal irgendwas ins Internet rein zu schreiben. Also.)
 
Mi, 21.09.2011 |  # | (1395) | 4 K | Ihr Kommentar | abgelegt: fragmente



 

Stadt mit Baustellen

Aus welchen Gründen wir an einem Samstag nach dem Weckerklingeln aufstanden, statt einfach liegen zu bleiben und dem Alltag ein Schnippchen zu schlagen, ist vorerst nebensächlich. Wir standen auf und draußen lauerte leichter Nebel, der sich aufs müde Gemüt legte und ein wenig die Gedanken lähmte, während wir Straßenbahn fuhren. Ganz schön was los, um diese Uhrzeit, stellten wir fest, dabei hatte Ikea noch gar nicht geöffnet, nur der Kamps an der Landsberger Allee, über die, glaube ich, auch noch niemand sang, obwohl sie unglaublich lang ist, so unglaublich lang, wie Straßen nur in Großstädten sein können, Metropolen, die niemals schlafen, undsoweiter.

Metropolen, in denen Häuser abgerissen werden, um neue Häuser zu errichten.

irgendwo am velodrom

Am Velodrom hat man versucht, einen Park zu errichten, der nun ein bisschen Bio-Irrgarten ist. Das Gras steht hoch, ist durchsetzt von Unkraut und Kräutern, ein paar Obstbäume vegetieren vor sich hin, gammeln an verschiedenen Stellen, tragen viel zu kleine Früchte und auf der anderen Seite der Straße entstehen Townhouses, die schweineteuer sind und trotzdem gekauft werden, weggehen wie warme Semmeln vom Industriebäcker Kamps in der Landsberger Allee. Überhaupt, was dort entstand, an der Storkower Straße, ein zweites Kaulsdorf, nur näher dran am Alex und noch ein bisschen exklusiver, kein Haus unter dreihundertfünfzigtausend, hier wohnt irgendeine Mittelstandselite.

Samstags trifft man sich dann mit denen und anderen (denen aus Marzahn-Hellersdof, die mit den verwaschenen Jeans, billigem Kaffee im Pappbecher vom Discountbäcker an der Ecke und Zigaretten vom Polenmarkt, aber nee, ich zähl mich nicht zur besseren Mittelstandselite, nee, nee) auf Fußballplätzen und schickt den Nachwuchs ins Rennen. Ab und zu unterhält man sich und eine von denen, die irgendwas sein wollen - und jeder will hier irgendwas sein - erzählt, dass ihr Kind eine Kapitalanlage sei und alles zurück zahlen wird, wenn er mal Profi ist. Wir schauen uns dann die Kapitalanlage an und denken ganz still in uns hinein, dass hier keine Zinsen zu erwarten sind, hier wird nur drauf gezahlt. Wir schauen und schweigen.

Irgendwer sang einmal von der Stadt mit Loch, wir singen von der Stadt mit Baustellen. Mit dem Auto durch die Stadt zu fahren ermüdet. Warum man das macht ist klar: Kinder, Kapitalanlage, irgendwann riesige Rendite, Townhouse an der Landsberger Allee, schicker Vorgarten, Zweitwagen von VW, Zweithund. Und dann kommt Moabit. Hinter einem alten Gefängnis - ungenutzt, verfallend, ein Wunder in dieser Stadt - liegt das Poststadion, Bälle fliegen, Schiedsrichter pfeifen, Amateurfußballalltag in der Stadt, hoher Migrantenanteil. Neben dem Platz entstehen auch ein paar Townhouses, dicht gedrängte Reihenhäuser in einem quasi modernen Stil (viel grau, dunkelgrau, nicht hellgrau, wie damals in Marzahn-Hellersdorf, trotzdem irgendwie kasernenartig) mit Handtuchgärten, Blick auf den Hauptbahnhof und den Kunstrasenplatz des Berliner AK, wer hier nicht hinziehen will, ist selber schuld.

Den ganzen Tag lag graue Schwüle über der Stadt, ein bedrückendes Grau, spätsommerlich und trotzdem leicht novemberartig. Am Abend meldet sich die Sonne noch einmal zu Wort, erheitert ein wenig das Gemüt, wir spielen moderne Gesellschaftsspiele (alles elektronisch), vor allem damit wir nicht auf der Couch einschlafen, mit unseren vollen Mägen und müden Köpfen und die Kapitalanlagen zeigen, dass sie schlauer sind als wir, die alten, gammligen Eltern, ohne Townhouse, in der Stadt mit unendlich vielen Baustellen.

to be continued
 
Mo, 12.09.2011 |  # | (975) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Berlin



 



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(geborgt bei flickr)


Online seit: 08.02.2006
Letzte Aktualisierung: 02.04.2024, 15:05


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