Begegnung der dritten Art Mit einem freudigen Hallo begrüßte mich der befreundete Schrifststeller, als ich ihn im Warteraum der Zahnarztpraxis traf. Ich grüßte still zurück. Muss der jetzt hier sein, fragte ich mich und versuchte eine dicke Backe zu simulieren. Eigentlich war ich nur hier um irgendwie hier zu sein, im Warteraum der Zahnarztpraxis, womöglich wollte ich mir einen Termin geben lassen oder den typischen Zahnarztpraxengeruch inhalieren und mich inspirieren lassen. Der befreundete Schriftsteller begann zu reden, obwohl er doch nach jahrelanger Freundschaft hätte wissen müssen, dass ich nichts für Gespräche übrig habe, schon gar nicht in Zahnarztpraxenwartezimmern. Ich glaube, er stellte mir seinen neuen Roman vor, so ein Berlin-Ding, irgendwie hip und am Ende scheitert der Held (die Heldin?), vermutlich im Berghain, in der er (sie?) sich die Birne zudröhnt und Menschen jeden Geschlechts vögelt. Weißt du, nuschelte ich nach ein paar Minuten aus meiner simulierten Schmerzbacke heraus, typische Berlin-Romane interessieren mich genauso wenig wie Romane über die männliche Verdauung, im Gegenteil, sie bringen mein Blut zum Kochen und mein Kopf schwillt an, bis er explodiert. Wie dir bekannt sein sollte - und ich sah dabei wohl aus, wie Bruse Willis in "Stirb langsam", ganz zum Schluss, Blut verschmiert und völlig verzweifelt an einer kaputten Kippe nuckelnd - tue ich mich mit so gut wie allem schwer, vor allen mit Menschen. Aus mir heraus betrachtet gefällt mir mein Leben also ganz und gar nicht und schon allein deshalb, weil ich mir selbst schon nicht ganz passe, geht mir dein pseudoliterarisches Boheme-Geschwafel so dermaßen auf die Ketten, dass ich dir dringend raten muss, das Wartezimmer dieses meines Lieblingszahnarztes sofort und maximalem Tempo zu verlassen und dich nie - und ich meine damit nie nie nie - wieder in meiner Gegenwart zu solchen oder ähnlichen Themen zu äußern. Der sterbende Bruce Willis schien ihn überzeugt zu haben, sofort setzte er sich, die Sport-Bild in der Hand, in den Nachbarraum und verschwand aus meiner Wahrnehmungssphäre, die nun angefüllt wurde mit den wunderbaren Klängen einfachster Fahrstuhlmusik und dem einzigartigen Geruch einer Zahnarztpraxis. Aufgewacht.
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(geborgt bei flickr)
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