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Wird schon, alles.

Kalter Mai, wer hätte das gedacht. Schuhe nass, Hose nass, Jacke pitschnass. So stiefelt man dann in den Zeitungsladen hinein und sieht mit an, wie der graumelierte Herr zum Berliner Boulevardblatt greift und Zigaretten kauft. Das schlimmste am Rauchen sind die Zigaretten, sagte ich schon einmal großväterlich zum Nachwuchs und steckte mir später heimlich, hinterm Haus, eine an. Schlimm. Das Boulevardblatt beschäftigt sich natürlich mit dem klammen Griechenland ("Feta und Tsatziki gratis für alle") und Herthas Abstieg, wobei letzteres bei weitem tragischer ist, als der finanzielle Ruin der blauen Lagune, des Reichs der Götter. Sicher, die Herren mit den dunklen Anzügen werden jetzt dorthin fahren, vielleicht trinken sie Ouzo oder griechischen Wein ("das Blut der Erde") und essen ein paar Oliven (vorzugsweise schwarz) dazu und dann packen sie die Koffer auf den Tisch und retten den Schuldner mit Schulden. Eigentlich wollte ich den Mann fragen, ob er schon mal einen Sonnenaufgang auf Kreta erlebt hat, aber dann verkniff ich mir diese Frage, von Wirtschaft habe ich sowieso keine Ahnung.

Regen, immer noch kalt. Überall kalt, ich hatte anderes erwartet, vom Mai. Vor dem Einkaufszentrum zwei Saufkumpane, der ein pinkelt in die Ecke, während der andere zwei frische Sternburger mit einem Feuerzeug öffnet, es zischt, die Kronkorken fliegen durch die Luft und fallen scheppernd auf den nassen Beton. Na dann, Prost. Ich nicke dem Bieröffner zu und frage mich, ob die beiden in den letzten Wochen auch nur mal eine Stunde nüchtern waren. Wahrscheinlich nicht. Sternburger ist billig und Gesellschaft gibt es hier auch, warum also sein Leben anders verbringen, als vor einem Einkaufzentrum sitzend und Bier trinkend. Das muss am Ende jeder selbst wissen. Ob die beiden noch eine Wahl haben, weiß ich nicht. Vielleicht sitzen sie schon viel zu tief drin, im Sternburger Sumpf, im Wodkawahn, die alten Schnapsdrosseln, wieviel Gehirn bleibt noch übrig, wenn man morgens um acht das zweite, dritte, vierte Bier kippt?

Kaffee kippen. Das ist sowieso der Antriebsstoff, auch wenn es nicht für einen Roman reicht. Ich habe schon einmal eine Seite geschrieben und dann weiter gedacht. Aber das klingt alles nicht. Mir fehlt da etwas. Man muss sich auch mal selbst beobachten und sagen: Nein. Gefülltes Leben, ohne große Nöte, das ist kein gutes Polster, darauf kann sich kein Dichter betten, Dichter müssen leiden oder zwölf Stunden am Tag arbeiten. Ich leide nicht oft und arbeite anderweitig gut, ein Dostojewski wird nie aus mir, auch wenn ich manchmal davon träume. Der große Junge träumt davon, ein großer Fußballspieler zu werden. Ich sage "Lerne etwas anständiges." doch wer will schon etwas anständiges lernen? Doch, soll ich ihm sagen, dass er es nicht kann, dass Fußball das Letzte sein wird, mit dem er irgendeine müde Mark verdienen wird? Kinder, auch so ein Grund, keine Romane zu schreiben. Dafür tanzt man, in den Mai, auch wenn er kalt ist und grau, aber das wird schon noch. Wie alles wird. Irgendwie.
 
Di, 04.05.2010 |  # | (871) | 4 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Berlin



 
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