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aus dem Tagebuch "Darf ich das so notieren?" von Win K., Eintrag vom 07.06.2000

Irgendwann rief Liz an. Das macht sie häufiger in letzter Zeit und ich frage mich warum. Warum, fragte ich sie, aber sie wich immer aus. Warum? Ja, warum eigentlich? Liz ist ein dicker, fetter Betonklotz, der tief in meinem Kopf, in meinem Gehirn verankert ist, hineingegossen, eingeflochtenes Eisen darin und kein Sprengstoff vermag derzeit, diesen Klotz zu sprengen. Ich bin mir selbst ein Klotz am Bein. Lernen. Ich lerne nächtelang, ich lerne und lerne und lerne, morgens fiese kleine rote Schweineaugen, die mich im Spiegel anstarren, der Rest des Körpers zittert, ich lerne, lerne, lerne und wenn ich Notizen auf die leeren Blätter schreibe (ganz schief, die Buchstaben, bröckelig), geht es mir gut. Der Betonklotz im Kopf zieht mich runter. E. ist sauer auf mich. Du öffnest dich nicht, sagte sie und sie wollte doch, dass ich bleibe, mit ihr frühstücke, den Tag verbringen und ich, ich wollte es nicht. Du, wollte ich sagen, du tust mir gut. Hätte ich Liz nie kennengelernt, könnte ich dich lieben, jetzt, aber so. Nein, ich sagte das nicht, nein, E. tut mir gut und das würde sie kränken, glaube ich. Mich würde es kränken, an ihrer Stelle. Hannes ist meine beste Stütze. Wir trinken viel, lachen und heulen, fahren an die See und sitzen dann die ganze Nacht vor dem Zelt, warum schlafen? Kälte kriecht von unten die Hosenbeine hoch und wir trinken Cola-Whisky aus großen Biergläsern, einszwanzig im Supermarkt. Da muss man nicht so oft nachschenken. Hannes hat genauso viel Ahnung vom Leben wie ich, nämlich keine, Schmerz, sagt er immer wieder, andächtig, das kann man ja gar nicht beschreiben, Schmerz kennen wir doch noch gar nicht. Doch sage ich, doch, ich weiß immer noch, wie du vor der Tür standest und nur "Scheiße" sagtest, da sah man dir den Schmerz an. Doch, den kennen wir. Du, ich, wir alle. Jammern tut gut, aber jammern bringt auch keinen weiter. Irgendwie muss man das überwinden, das alles. Nur wie?

Liz rief also wieder an. Ob ich Zeit hätte. Natürlich hatte ich Zeit und das wusste sie. Natürlich griff ich nach jedem kleinen Strohhalm, wollte sie sehen, ihr in die Augen schauen, vielleicht ein Zeichen erhaschen, das nicht alles verloren ist, kein Ende, vielleicht ein Anfang. Es ging ihr nicht gut und ich hatte Zeit. Drei Stunden Notaufnahme. Sieh mal, der Ausschlag. Furchtbar. Vor T. schämte sie sich, sie kannten sich doch noch nicht so lange, ich wollte sie anschreien. Bist du nicht mehr ganz richtig? Und am Ende wollen wir vielleicht noch beste Freunde bleiben? Noch ganz richtig? Ich sagte nichts. Es sah schlimm aus, Herpes oder so, gefährlich, tut höllisch weh, vielleicht auch was mit den Nerven? Bleib noch, sagte sie später und ich blieb, schaute sie an, rauchte, versuchte nicht zu jammern, nicht zu flehen, nicht zu betteln, irgendwann musste ich raus, hielt es nicht mehr aus, konnte sie nicht trösten, in ihrer Nähe sein, ich sagte nichts und ging. Später rief ich wieder an, entschuldigte mich, sie weinte. Ich will dich, sagte sie, und ich will dich nicht, sie könne sich nicht entscheiden, es sei so schwer, sagte sie, immer mit dieser ehrlich schluchzenden Stimme und ich glaubte ihr, fühlte die Zerrissenheit. Ich kann dir die Entscheidung nicht abnehmen, sagte ich, ich bin hier und warte und sie war still, schluchzte und bevor sie auflegte, fragte sie noch hecktisch, wie aus der Pistole geschossen, irgendwie vorbereitet: Willst du mit mir in den Urlaub fahren? Sprachlosigkeit. Ja, dachte ich. Nein, auf keinen Fall, gleich darauf. Nein, nein, nein. Nein. Und doch, doch, doch, dachte ich noch, kurz bevor ich einschlief.

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Fr, 03.08.2007 |  # | (1013) | 3 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Schreib mal wieder



 
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