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Sonntagsprogramm

(Die gleiche Musik, die gleichen Gefühle, Erinnerungen im Schnee, die Musik viel zu laut, die Songexte kenn ich schon auswendig, schon wieder eine Zigarette in der Hand.)

Tage, an denen die Zeit still zu stehen scheint. Durch die Wohnung zieht eine Wolke von Eukabal, Schnupfnase und Röchelhusten, alles nicht so schlimm, wie es sich anhört. Der kleine, winternackte Baum vor dem Fenster kämpft gegen den Wind, hatten sie denn schon wieder Sturm angesagt oder kommt es einem in diesen Augenblicken, in denen der Sand in der Sanduhr scheinbar viel langsamer rieselt, nur übertrieben stürmisch vor? Wilder Regen ergießt sich in Strömen auf die glänzenden Pflastersteine und hinterlässt, getrieben vom Wind, kleine Wassertropfen am vom Straßenstaub verdreckten Fenster, wie ein kleiner Bach rauscht das Wasser durch das Fallrohr an der Außenwand.

Die Ruhe setzt Gedanken in Bewegung, keine unbekannten, Wiederholungen bereits bekannter Übungen, die verfeinert werden, am liebsten auf diesem Schaukelding im Kinderzimmer, während die Kinder um einen herumwuseln, sich ab und an streiten, vertragen, wieder von vorne anfangen und dann mit ihren Bauwerken prahlen. Innenleben. Es gibt kein Draußen, es gibt nichts anderes außer uns, keinen Fernseher, keinen Computer, noch nicht einmal ein Radio, doch, dort gibt es noch ein paar Töne, aus der kleinen Anlage ist die Stimme von Felix zu hören, diesem kleinen Kuschelhasen, der die Welt mit seinem kleinen Köfferchen entdeckt und Briefe schreibt. Briefe schreiben, echte Handschrift auf echtem Papier, das war nie meine Stärke, Briefe schreiben; echte Handschrift auf echtem Papier, das geht noch, wie man sieht.

Ab und zu landen kratzend ein paar kurze Gedanken auf dem linierten Papier, zuweilen unleserlich, ich weiß, was gemeint ist. Es geht um die Frage, was wichtig ist und was weniger oder gar nicht wichtig ist. Wichtig ist dieser dunkelgraue Sonntag, erhellt durch kleine Lampen, die im Fenster stehen und warmes Licht verbreiten, wie kleine Leuchttürme, die Gästen den richtigen Weg zeigen sollen, Gäste, die die wohlige Wärme teilen könnten, die diesen frischen, feuchten Geruch vom Draußen hereintragen könnten, uns mit Geschichten und Anekdoten ein weiteres Lachen entlocken könnten. Alles andere ist unwichtig. Für diesen Moment. Und doch denke ich dann: Geht doch vorbei, mit euren Geschichten, ich bin ein Träumer, die reale Welt kann mir für heut gestohlen bleiben.

Ich blicke durch das obere Fenster in den Himmel, die Wolken ziehen stetig, unaufhaltsam, ein Auto fährt vorbei und wirft kurzzeitig einen Lichtkegel an die Decke, gerade flüstert mir ein Pirat ins Ohr, dass er sein Piratenschiff für die große Schlacht in Stellung gebracht hat, Felix lässt einen Riesentroll zu Stein erstarren, alles fühlt sich gerade an, es klingelt und als ich müde die Tür öffne, kommt mir dieser frische, feuchte Geruch des Draußen entgegen, die Zeit bleibt nicht stehen, doch heute vergeht sie nicht so schnell wie sonst.
 
Mo, 29.01.2007 |  # | (463) | 2 K | Ihr Kommentar | abgelegt: reality blogging



 
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