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Eine Indianergeschichte?

Was mit Indianern...

Ein Radfahrer fährt vorbei, er grinst, erst nach vorne schauend und dann später auch nach mir blickend, mit leicht angewinkeltem Kopf und unter ihm das Fahrrad surrt durch den Morgen, an der leeren Bushaltestelle vorbei. Übrig bleibt eine Spur von "Tabac Original" oder ist es "Old Spice"? Ich trete hindurch, durch die Duftspur und nehme Witterung auf, Erinnerungen werden wach, Gerüche wecken immer Erinnerungen, weißt du noch, denke ich und rede mit mir selbst oder mit dem Hund oder dem Radfahrer, der sich aber nicht mehr an mich erinnern kann. In der Ferne sieht man ihn noch fahren, auf seinem surrenden Rad, aber er ist bereits Vergangenheit.

Vergangenheit und dann dieser Duft, Geruchsspuren, alles Assoziationen, die aus dem Nichts gerinnen, aber jetzt bloß nicht in eine künstliche Kunstsprache verfallen, das wäre doch zu künstlich. Dran bleiben, am Leben, erleben, aufnehmen, lagern und später neu zusammensetzen, konstruieren, das vorhandene Material verformen und Neues erschaffen. Jetzt aber bitte nicht abweichen, diese Betrachtung vielleicht an anderer Stelle.

Eine Indianergeschichte. Geburt, Leben, Lernen, später der erste Blick in ein Regal voller Bücher, das ist schon Jahre her, eher Jahrzehnte, in diesem Regal, in einer Wohnung, die schon längst von anderen bewohnt wird, die erste Rarität zum Thema, aber kein Winnetou, kein Old Shatterhand, kein Lederstrumpf, kein Tokei-ihto, nein, "Blauvogel", damit fing alles an. Allerdings beschränkt sich diese Erfahrung lediglich auf Literatur, kindliche Spiele und jugendlicher Leichtsinn bezogen sich auf anderes, wir klauten keine Pferdewagen, bauten keine Tipis und taten auch nicht so, als würden wir Friedenspfeife rauchen, im Höchstfall waren wir Sherriff und Schurken, irgendwann mal auch ein Steinbruch im Riesengebirge, dort ein paar Indianerutensilien, zum Spaß wurde jemand an den Marterpfahl gebunden, ach, da fällt es mir ein, gleiche Szene auch im Brandenburgischen, jemand steht angebunden an einer Kiefer, der Boden mit Kiefernadeln bedeckt, märkischer Sand, märkische Heide, das ist schon fast preußische Kindheit, wenig Prunk, dafür staubige Kartoffelfelder, der Hochsitz eines Jägers, in der Ferne ziehen Schiffe über die Dahme, dort das Ufer, an dem also jemand an eine Kiefer gebunden war, nur Spaß, eine Indianerhaube war mit im Spiel, selbst gebastelt, aus den Federn von Schwänen, aufgelesen am See, der längst versumpft ist und dazu helles Indianergeheul aus dem Munde eines Kindes mit Sommersprossen auf der Nase, in der Hand ein Gewehr aus Plastik, eine Attrappe, Imitation. Also doch eine Indianergeschichte.

Später dann die Flegeljahre, aufgebrochene Bauwagen, heimlich aufgelesene Pornoheftchen, mitgenommene Verlängerungskabel, Bagger, die nicht kurz geschlossen werden konnten, ein geklautes Radio und durch die Luft fliegende Lehmklumpen, durchs knietiefe Gras waten, während in der Ferne S-Bahnzüge rollten und die Füße später in der Wuhle, zur Abkühlung, echte Freundschaft, unerschütterlich. Schöne Jahre, Berliner Jahre, aber keine Indianergeschichten mehr. Oder vielleicht doch, jedenfalls im übertragenen Sinne, nämlich Spuren lesen, sich auf Kriegspfade begeben, Kriegsbeile begraben und dann Zusammenkünfte bei Maracuja-Brause, die beste Brause für den Großstadtindianer, nen paar Pfennige hatte man ja immer dabei und klauen, nee, klauen musste man nicht, warum denn auch?

Der Tag verrinnt, später dann ein Spaziergang im Tierpark, Sonne wärmt, aus dem Boden schießen Osterglocken, Krokusse, lila und gelb, Schneeglöckchen und die Tiere sind ganz aufgeregt. Die Assoziationskette ist abgerissen, Realität spricht dagegen, Neues kommt hinzu, neue Eindrücke, neues Leben, auch ein wenig Abneigung gegen die Umwelt, aber man muss ja auch mal raus aus der Bude und den Frühling erleben. Die Kinder sind inzwischen selbst Cowboys, Indianer sind eher unbeliebt, die Schurken, ich denke, sie werden noch merken, auf wessen Seite sie stehen wollen, nicht die Cowboys natürlich, die Kinder, das ist dann ihre Entscheidung, ihre Erinnerung, ihre Assoziation, ihr eigenes Leben.
 
Mi, 27.02.2008 |  # | (827) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: reality blogging



 

Hier, Berlin

Schon am Morgen hat sich dieses unbeschreibliche Berlin-Gefühl eingestellt. Eine Mischung aus Euphorie und Melancholie, herbstlich, Erinnerungen an Novembertage, die Welt scheint von einer dünnen Schneeschicht überzogen, obwohl bereits Vögel fröhlich vom Frühling singen und die Luft von einer frühlingshaften Lauigkeit erfüllt ist. Einen Großteil des Lebens in dieser Stadt verbracht, das bedeutet Zerrissenheit, gleichzeitige Liebe und Abneigung, Freude und Trauer. Ständig ist man versucht, auch nur jeden Anflug von Feindlichkeit gegen diese Stadt rigeros abzuwehren, sich schützend vor sie zu stellen, es ist doch alles nicht so schlimm, jedenfalls nicht schlimmer als anderswo, was Sie immer gegen Berlin haben, manchmal kommt es mir so vor, als gäbe es einen kollektiven, unterbewussten Beißreflex, wütende Ablehnung als Resultat engstirniger, kleinbürgerlicher Spießigkeit, aber das ist auch nur so ein Gefühl. Auf der anderen Seite gibt es diese ganz eigene Abneigung gegen diese Stadt, gegen alles andere, gegen jedes hier und jetzt, gegen Menschen, die nur so tun, als wären sie das, was sie vorgeben zu sein, Flüchtlinge, Gestrandete, von sich selbst Überzeugte, Menschen, die mir sagen, wie ich zu sein habe und dann dieses ständige müssen, müssen, müssen, das einem hier so oft vorgehalten wird und die Hektik auf den Bahnhöfen und dazu diese panische Angst, man könnte am Ende etwas verpassen oder gar out of order am Rande der Gesellschaft enden, in Neukölln oder Reinickendorf oder Marzahn. So ist das hier. Das ist das Berlin-Gefühl.

Und dann Bloggen: Man regt sich auf oder erlebt irgendwas, das einen irgendwie nur persönlich interessiert und was sonst kaum einer hören will oder freut sich über die kleinen Alltäglichkeiten oder oder oder. Und dann bloggt man einfach drauf los. Irgendwie.* Das stimmt auch heute noch und morgen auch und am Ende zählt das ganz eigene Gefühl, völlig abgehoben von allem anderen, unwichtig das, was andere scheinbar von einem erwarten, aber vielleicht erwartet auch niemand mehr etwas, ja, das wäre das Beste: Keine Erwartungshaltung, hinnehmen, was hingenommen werden kann und darf und alles andere ignorieren, ohne dabei die Offenheit zu verlieren, die ja doch notwendig ist, um neue, schöne, bewegende Dinge zu entdecken. Und jetzt weiter mit heiterer Musik (nein, aber nein, das ist hier keine Beerdigung).
 
Fr, 08.02.2008 |  # | (952) | 10 K | Ihr Kommentar | abgelegt: reality blogging



 

Kleine Jammerei

Zahnärzte. Also, aber wem sage ich das. Wer geht schon gern dorthin. Ich meine, man liegt dort auf dem Stuhl, der Kopf extrem nach hinten gebeugt oder zur Seite oder beides und dann fummeln einem ständig Finger im Mund herum, Finger mit Instrumenten, kalt blitzender Stahl (hier: Made in GDR) und Geräusche verursachend, mit denen man schlimmste Foltermethoden in Zusammenhang bringt. Licht an, Luke auf. Und dann wird der Mund zur Baustelle, Bagger, Rammen, Presslufthammer arbeiten sich durch die lädierte Landschaft und ständig fragt man sich: Wie lange noch? Wie kann ich mich am besten ablenken? Ich versuche es immer mit Gedanken an supischöne Ereignisse, bis mir überhaupt nichts mehr einfällt, weil die Geräusche im Kopf alles übertönen, furchtbar, weil der Rücken verbogen, nein, verrenkt wird, weil die Kieferknochen blockieren und irgendwann eine Maulsperre droht. Stellen Sie sich doch einmal vor, Sie kommen aus der Zahnarztpraxis und bekommen Ihren Mund nicht mehr zu. Schrecklich. Schön, wenn es vorbei ist. Dann stört auch nicht mehr das taube Fleisch, der Blutgeschmack im Mund oder das Gefühl, es würde einem Sabberfäden aus den Mundwinkeln laufen, weil man eine Gesichtshälfte noch nicht unter Kontrolle hat. Ja, schön, wenn es vorbei ist. Ende Mai gehts weiter. Ich freu mich schon.
 
Mi, 06.02.2008 |  # | (392) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: reality blogging



 

726

Erwartungshaltung erwartend. Regengrauer Tag, zuerst, dann Schnee, starker Wind, von Sturm möchte man aber noch nicht reden, Sturm ist etwas anderes, Sturm im Wasserglas, schrieb man mir, ja, da draußen auch. Ein paar Tanzschritte in der Küche, hey boys, hey girls und dann: here we go! Lasst uns Schuhe kaufen. Aber nicht solche, sondern andere, helle Sohle, gefütterter Spann, auf dass es nicht so schmerzt beim Schusse, wir sind auf Teamgeist eingestellt.

Später: Sonnenklarer Himmel, ein paar zerfetzte Wolken ziehen, in der Ferne, in regelmäßigen Abständen, landende Flugzeuge, von Kinderaugen argwöhnisch beäugt, saßest du nicht auch mal darin? Ja, ja, und du auch und du und als ich dort drin saß, sah ich euch fast, glaube ich, jedenfalls winkte ich, innerlich. Kälte, noch nicht ganz klirrend, aber spürbar an den Hosenbeinen empor kriechend, die Zehen leicht fröstelnd, Bewegung! Die Straßen leer, ein wenig feucht, weißes Salz sammelte sich auf der Fahrbahn, Spuren eiskalter Frostnächte, auf das die Fahrzeuge nicht ins Schlingern geraten und man selbst dann auch nicht. Schlaf. Und dann plötzlich Menschenansammlung. Ein Großteil in praktischer Jack-Wolfskin-Uniform. Ein Symbol, popkultureller Art vielleicht? Herauskehren einer bestimmten Lebensform? Kinder haben komische Namen, Strickpullover in angedreckten Farben, in ihren Händen Kekse aus dem Basic-Biohandel. Nun ja, hier ging ein fokussiertes Objektiv ans Werk, subjektiv.

Komm, lass uns gehen, in andere Sphären, Buchholz, was für eine andere Welt. Reihenhäuschen, vierstöckige Appartmenthäuser, angetäuschter und echter Wohlstand. Kinder rennen durch eine Sporthalle, angetrieben von Trainern und Eltern, hier regiert der Ehrgeiz der anderen, übertragen auf einzelne (noch) Unwissende. Allerdings ist das Mitreißende ausreichend mitreißend um einen selbst mitzureißen und so ist man plötzlich mit dabei. Oha. Wollen wir nicht? Wäre es nicht besser wenn? Spuren von Übermüdung laufen in leicht salzigen Bächlein über gerötete Wangen, Schlaf schleicht spürbar durch den schnell erwärmten Wagen, nach Haus, nach Haus, ja wo ist das denn? Gut, wenn man immer wieder den Weg zurück findet.

[Den neuesten Bretterknaller von Monrose für einen Song von Evanescence halten, ohne die Härte der letzteren allerdings. Fatale Unkenntnis, nicht so schlimm, es kam nur im Formatradio. # belledejour - Vielleicht bloggt sie demnächst auch mal wieder. # Wie vielleicht ist eigentlich ein vielleicht? # Nutella (!) zum Frühstück, das mögen sie außerordentlichst!]
 
Mo, 04.02.2008 |  # | (362) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: reality blogging



 

Nachwehen

Ach, lass ihn doch noch eine Weile stehen. Und so kommen wir überein, dass der Glanz noch ein wenig erhalten bleiben soll, das weiche, gelbe Licht im Tannengrün, Spielereien in Rot und Gold, auch ein Erhalt von Gefühlen. Irgendjemand sagt, der Baum müsse seinen Preis noch "abstehen", immerhin kostete er soundsoviel, aber, das ist doch lächerlich. Es geht ja um das Gefühl, die Ästhetik und um die Empfindungen beim Anblick, Erinnerungen die man damit verbindet. Weißt du noch? Die Füße ausgestreckt und draußen regnet es, eine dünne Eisschicht bildet sich auf allem Ungeschützten, Autos, Pflanzen, Gehwege, Straßen. Autos schlittern über Kopfsteinpflaster, Winterdienst fährt vorbei, orangene Rundumleuchte, wild in den Nieselregen hinein blinkend, der Dieselmotor dröhnt bis auf den Hinterhof, Kies rieselt aus einem Behälter, Salz auf der glänzenden Straße, hier kann man noch schnell nach Hause fahren und sich verstecken.

Alles schon einmal da gewesen, Tannengrün und Blitzeis, ja, zur besinnlichen Zeit, alles ganz still im Haus, in der kleinen Wohnung unterm Dach, Fußmarsch über glatte Straßen und dann der riesige Baum, der noch per Hand angespitzt werden musste, damit er in den vorsintflutlichen Baumständer passte, ohne wirklich nutzbares Werkzeug, Blasen an den ungeübten Händen. Und jetzt? Schon wieder alles vorbei. Lauf der Zeit. Erst Kälte, dann Regen, aufgerissene Lippen, ich las davon auch bei Goetz, von dem auch noch ein merkenswertes Zitat in der Spex, aufpassen, dass man nicht zum Jünger, Anhänger, Fan wird, ein breites Spektrum wird doch verlangt, Benn, Bukowski und im Fernsehen irgendetwas von Tolstoi, im Vorbeigehen, dann der Koch, irgendein anderer wirrer Redner, Dinge behauptend, wie man eben so Dinge in die Kamera hinein behauptet, als Politiker. Politisch gesehen erreicht das Jahr schon früh seinen Tiefpunkt, ich wähle irgendwas links von der Mitte, rede ich mir ein, aber wen denn da, zum Teufel noch mal, wenn sie alle selbst in der Mitte stehen wollen, die Mitte sein wollen? Ach komm, schmeiß das Ding doch raus, nadelt nur, riecht nach Wald, lässt mich in Romantik schwelgen und ändert doch nichts an diesem oder jenem. Raus damit und Kerzen an!

[Jemand sprach von Differenzierung, aber kaum einer verstand, was er meinte. Und dann kam die Melancholie angeschlichen, versteckt zwischen elektronischem Traumtanz und einer Truppe namens Shitdisco, die einen Jungen am Verstand seines Vaters zweifeln ließ. Ein später Gedanke: Als Raucher stände ich gern am Fenster einer schlecht besuchten Eckkneipe, darin ein paar traurig in das fahle, gelbe Licht blickende Männer, stumm Bier trinkend, ich würde mir eine Zigarette anzünden, inhalieren und den Rauch demonstrativ in Richtung Scheibe ausatmen, rauspusten. Protestdampfen, yeah. I know kung fu.]
 
Mi, 09.01.2008 |  # | (450) | 4 K | Ihr Kommentar | abgelegt: reality blogging



 

Adieu und good bye

Am Morgen tanzte kleiner, feiner Schneegriesel durch die kalte Luft, Winteranfang, bravo. Kalt und dunkel, zum Glück gibt es Kerzen und irgendjemand hat bestimmt auch einen Kamin oder Ofen, diese wohlige Wärme, das Knacken der verbrennenden Holzscheite, lodernde Flammenzungen, Lagerfeuerromantik im Wohnzimmer, das alles gibt es auch auf DVD, das sah ich schon einmal, bei uns nur Zentralheizung. Ich schrieb einen kurzen, ironischen Jahresrückblick, kannste vergessen, denke ich jetzt, das ist so, so, ach, ich weiß es nicht. In einem Krimi von Anne Holt taucht mehrmals das Wort "Weblog" auf, jedes Mal, wenn ich darüber stolpere, zucke ich leicht zusammen, was denkt sie wohl darüber, wie ist ihre Meinung, wie wird sie darüber schreiben? Aha, sie teilt es bald mit, selbstreferenzielle Internet-Tagebücher, egozentrisch und schrecklich, steht dort und der Protagonist, ein exzentrischer Künstler mit der großen Hoffnung, irgendwann vielbeachtet im öffentlichen Rampenlicht zu stehen, endet in einem dunklen Park mit einem Mont-Blanc-Kugelschreiber im rechten Auge, er merkte dies aber nicht mehr, starb schon vorher, eine Taschenlampe knippste ihm das Licht aus, wie lustig. Zwei andere Opfer starben noch etwas grausamer. Diesen einen Satz über Weblogs fand ich trotzdem unpassend. Kein Jahresrückblick also, dafür kalte Finger und Zehen, ich stehe nicht so auf Winterschuhe, es sei denn, ich kugelte Wham-like durch tiefen Schnee, die Liebste an der Hand, ein Berghüttchen im Hintergrund und das letzte Weihnachtsfest besingend. Dann hielte ich Winterschuhe für angebracht.

Das Fernsehprogramm lud zum ausgiebigen Schlaf ein, Kontrastprogramm zu leichtem Ohrenschmerz und dickem Auge - nicht ich. Am frühen Abend dann eine Reise durch Ligurien, wunderbar herzerfüllend und warm, da will ich hin, sofort, sagte ich mir, ganz selbstrefenziell und egozentrisch, ein alter Mann schnitt Wein mit einer Schere, hinter ihm das blaue Meer, er sagte, wichtig sei guter Fisch und guter Wein, das sei das tägliche Streben der Familie, alles um mich herum kam mir plötzlich nutzlos vor, ich bekam Hunger und Durst, eine Schar Menschen saß an einem langen Tisch, in der Mitte des Dorfplatzes, ein alter Mann sang von der Liebe, die Sonne strahlte, wachsende Sehnsucht, alles molto bene, der Fernseher als Fenster zur Welt, mach ihn doch bitte aus, der Krimi wartet.

Also kein Jahresrückblick, Rückzug ist das neue Offensiv. Liebste, komm doch herein, das Jahr ist fast hinüber, aber, du humpelst ja, nun, alle tragen wir wohl leichte Blessuren davon, aber nun kommt das frohe Fest, haha, wir tun jetzt mal so, als ob und die Kinder freuen sich sowieso. Und hier? Frohes Fest und guten Rutsch, an alle, die möchten, die Mails, die ich schreiben wollte, ich schob sie solange auf, jetzt habe ich auch gar keinen Antrieb mehr. Verzeiht mir, bitte. Jaja, sag alles ab (Zitat, Referenz) und starte neu, im nächsten Jahr, selbstreferenziell und egozentrisch, auf der Suche nach ein wenig Rampenlicht, aber bitte ohne Kugelschreiber im Auge. Adieu und good bye, ihr Lieben.

[Und in 2008 dann ein paar Ideen auch mal umsetzen. Und auch mal wieder dies machen und sogar vielleicht jenes zum ersten Mal. In 2007 surfte ich zum Beispiel zum ersten Mal, jedenfalls tat ich so, als ob, Jack Johnson auf der Lippe, Fotos davon vernichtete ich sofort, denn die Liebste konnte das viel besser als ich. Ja, die Dinge anpacken, das nächste große Ding in 2008, in diesem Jahr hörte ich ja schon mit dem Rauchen auf und klopfe mir dafür täglich auf die Schulter. Supi! Und nächstes Jahr wieder mehr Melancholie und vielleicht auch noch nen Blogger treffen, wenn ich mir selbst mal in den Allerwertesten treten kann, dann, ja. Nun ja. Also, adieu.]
 
Fr, 21.12.2007 |  # | (516) | 8 K | Ihr Kommentar | abgelegt: reality blogging



 

...

Bilanz: Zwei Bände "Harry Potter" in fünf Tagen ausgelesen, was auch immer mich anspornte, wohl allein die Frage nach dem Unsinn im Sinn. Oder so. "Schneewittchen und die 7 Zwerge", davon zwei weiblich, in der Schule wird auch nur mit Wasser gekocht, denn die böse Stiefmutter musste am Ende nicht auf glühenden Kohlen tanzen und kam auch nicht zu Tode, ansonsten wunderbar. Eine Fahrt im Riesenrad - ich bin ein Schisser. Glühwein. Einen tot geglaubten Staubsauger zum Leben erweckt, einem weiteren Haushaltsgegenstand künstliches Leben eingehaucht (DVD-Player), beim Kartenspiel nur zweiter geworden - Glück in der Liebe? Wahrscheinlich. Einen Weihnachtsbaum erlegt, zünftig beim Händler, nicht im Wald, man muss noch Steigerungsmöglichkeiten offen lassen, allerdings ließ man von mehreren Seiten durchblicken, dass die Perfektion eines nicht lebendigen und wiederverwendbaren Baumes auch geschätzt würde. Blasphemie! Wo bleibt da die Kültür!? Kürzlich las ich, dass diese echten, duftenden Weihnachtsbäume, so nicht im heimischen Wald von Hand geschlagen und mit dem Pferd nach Hause transportiert, ökologisch bedenklich sind. Also doch die wiederverwertbaren? Mit Tannenduftspray? Es kommt ja nur auf das Feeling an. In zwei Wochen ist es soweit, DAS Geschenk ist schon da. Ja, wie geht das denn? Was denn noch? Und dann alles hier auch noch im Poesieälbchen breittreten, überhaupt völlig uninteressant for the professionellen Journalisten from the Süddeutsche Zeitung. Mir doch egal. Demnächst noch mehr unprofessionelles Zeug, ich hab da meine Meinung.
 
Mo, 10.12.2007 |  # | (488) | 7 K | Ihr Kommentar | abgelegt: reality blogging



 

Auch hier ist Musik drin

Überall ist Gold. Rote Farbe hier, bisschen weiße Watte dort, Adventszeit kommt angerollt, lässt sich nicht aufhalten, die Geschäfte haben sonntags geöffnet und auch bis Mitternacht, shoppen ohne Ende, die Säcke vollmachen, die vom Weihnachtsmann, versteht sich, und alle haben sich lieb, auf der Zielgeraden des Jahres, im letzten aller Monate dieses Jahres. Gehen wir noch ein Eis essen, am Potsdamer Platz? Irgendwann kommen die Feiertage, man setzt sich zusammen, trinkt heißen Tee und erzählt die eine oder andere Geschichte, der Weihnachtsmann schaut auch vorbei, der echte, natürlich, wir haben Kontakte! Dann lässt man es krachen oder auch nicht, vielleicht gemütlich und am Ende geht alles wieder von vorne los, 2008.

Aus dem Ohr der jungen Dame links neben mir tönen Akkordeon-Töne. Wohlbekannt. Mein Großvater soll begnadeter Akkordeon-Spieler gewesen sein, Schifferklavier und so, kann ich leider nicht mehr nachprüfen. Ich hätte auch mal einer werden sollen, sagte man mir, Akkordeon-Spieler, ich vermied das sicherlich nur, weil ich besser zuhören als spielen kann. In der Schule borgte mir mal jemand eine Kassette (Orwo) von Quetschenpaua, auch so ein Akkordeon-Bespieler, leider vergaß ich, mir das nette Kassettchen zu kopieren (überspielen). Das dauerte ja auch früher, auf dem Doppelkassettendeck, ein tolles Ding übrigens, ein 90 Minuten Tape brauchte sage und schreibe 90 Minuten, bis man eine vielleicht rechtmäßige Kopie in der Hand hielt, aber man konnte sich daneben setzen und in Zeitschriften blättern, andächtig lauschen und den Dolby-Rauschunterdrücker überwachen. Heute klickt man hier und da und nach ein paar Sekunden hat man 90 Stunden Musik in der Hand, womöglich rechtswidrig, als Straftäter, Verbrecher. Nun ja, das nennt man wohl Fortschritt. Quetschenpaua gibt es also nur noch in meinem Kopf und bei youtube, natürlich, im Internetz ist bekanntlich alles möglich.

Nun will ich aber gar nicht so tun, als wäre ich ein Kenner der Szene, ein Insider, das war purer Zufall, dieses Tape in meiner Hand, später spielte man mir auf einem SKR 700 auch noch die Skeptiker vor, kurz nachdem mir ein Werber der Wiking-Jugend über den Weg lief (ich wohnte nämlich mal in der Landsberger Allee), ich aber nur Blicke für lilafarbene Viking-Jacken hatte, die allerdings auch irgendeine Bedeutung hatten, genauso wie aus den Taschen heraushängende Tücher und verkehrt herum aufgesetzte Sonnenbrillen, und noch vor der Wende, neunundachtzig, lauschte ich mit ein paar russischen Freunden sogar in der Ostzone den Ärzten und Böhsen Onkelz, wobei ich letztere doof fand. Geschmackssache. Ich war schon immer ein Musikstaubsauger, Aufnahmeknopf direkt im Oberstübchen, Musik als Träger von Ideen, diese Idee finde ich gar nicht mal so schlecht. So könnte das stundenlang weitergehen, musikalische Assoziationsketten, hängen fest, in den Windungen im Dickschädel, wie Gerüche, verbinden Gedanken und Erinnerungen, daraus entsteht dann neues, wird hier gebloggt, mal sehn, welche Platte als nächstes aufgelegt wird (womöglich Tomte, dann, 2008).

PS: Gibts eigentlich einen Weihnachtskalenderdingsbums in diesem Jahr?
 
Di, 27.11.2007 |  # | (479) | 4 K | Ihr Kommentar | abgelegt: reality blogging



 

Alltag

Aus dem Radio tönen abwechselnd die Stimmen von Beck und Müntefering, über allem schwebt schon wieder dieser Schröder, der aber wichtigeres zu tun hat (Geld verdienen?) und außerdem schon gar nicht mehr dazu gehört. Ex. Die Agenda war ja nur ein schlechter Scherz ähem ein Instrument und diese ganze neoliberale Kacke ja im Prinzip und eigentlich gar nicht so gemeint. So geht also Politik. Hinterher ist alles anders. In fünf Jahren wird Schäuble wohl auch sagen, dass diese ganze Terrorgeschichte ja gar nicht so gemeint war und die Bürgerrechte, die Freiheiten als Grundlage der Demokratie vor Politikern wie ihm ja im Prinzip geschützt gehören. Oder so ähnlich. Keine Lust mehr, Radio aus. Die Musik war sowieso schlecht, alles Wiederholungen, kein Wunder, wenn keiner mehr diesen Schrott kauft, man muss ja nur das Radio anmachen. Zwischendurch wunderte ich mich, dass Grönemeyer nun auf Englisch singt, war aber der Springsteen, den ich plötzlich ein bisschen gut fand. Besser als dieses Parteitagsgeschwurbel, wir sind gut aufgestellt, rollte irgendwann der Müntefering aus dem Lautsprecher, seid ihr nicht, dachte ich sofort, euch wählt doch keiner mehr, wenn, dann wollen die doch alle nur noch die echten Konservativen. Man darf gar nicht drüber nachdenken. Lieber hole ich den Olli Schulz aus der Schublade und lass mir Geschichten erzählen, die klingen wenigsten nach etwas, Liebe, Leben, das ist ehrlich, da kann man sich beruhigen. Geschichten überhaupt, der Große ließ kürzlich in sein sogenanntes Sprachlerntagebuch, das von Migrantenerkennungsfragen (Welche Muttersprache sprechen deine Eltern?) nur so strotzt, wenn man doch wenigstens und überhaupt, ach egal, der Große diktierte also in dieses Tagebuch hinein, dass er gerne Geschichten erzähle und das stimmt wirklich, jeden Tag mindestens eine wahnsinnig unrealistische, fiktive Geschichte aus berufenem Kindermunde, möglichst unter Benutzung aller historischen oder erdachten Figuren und Plastiktiere aus dem Spielzimmer, das ist ehernes Gesetz. Und ich Idiot mach das Radio an. Und dann legt der andere, der Kleine, seinen Lockenkopf lachend auf sein Kopfkissen, nein, er schmeißt ihn geradezu fröhlich drauf und seine kleine, weiche Hand streicht mir übers unrasierte Gesicht und dann sagt er leise: "Papa, ich bin der kleine Eisbär und du bist der große Eisbär und wir tanzen zusammen übers Eis." Müssen Eisbären wirklich nie weinen?
 
Mo, 29.10.2007 |  # | (436) | 6 K | Ihr Kommentar | abgelegt: reality blogging



 

Am schönsten ist immer noch die Einsamkeit im Windpark. In der Ferne der knatternde Motor eines Traktors, weit hinten, auf dem Feld, wie es wohl wäre, darauf zu sitzen, mit ihm über die dunkle, schwere Erde zu fahren, die Erde zu beherrschen, die Maschine zu beherrschen, diesen Gigant mit den riesigen Rädern, weit über dem Boden sitzend, Jungensträume. Möwen fliegen über die frisch gemähte Wiese, das Schlagen der sich ständig drehenden Rotoren der Windräder, die Sonne strahlt immer noch, am Himmel ein paar Wolken und außer dem Wind und dem Motor des Traktors ist nichts zu hören, nichts, und der Blick geht wieder in Richtung Unendlichkeit, ungebremst, kein Häusermeer, keine Hektik, nur Ruhe und nachts dann diese unglaubliche Dunkelheit, so dass einem bei jedem kleinen Geräusch ein wenig Angst und Bange wird und kleine Schauer über den Rücken jagen.

Norden der Welt
 
Do, 25.10.2007 |  # | (359) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: reality blogging



 



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