Zweiter Teil 7.000 Dinge sprangen gestern schon wieder durch meinen mit Depeche Mode beschallten Schädel, Erinnerungen an vergangene Zeiten, sogar ein paar vertraute Gerüche stiegen mir wieder in die Nase. Alles war plötzlich so real, dass ich während meiner nächtlichen Wanderung schon damit rechnete, an der nächsten Ecke alte Freunde wieder zu treffen. Zum Glück wurde das kein Alptraum, später, denn mit denen kann ich schwer umgehen, weil ich sie meist nicht verstehe und deshalb möglichst schnell vergessen möchte. Tröstlich zu wissen, dass ich mit diesem Gefühl nicht alleine bin. Aber nun weiter im Text. Protokoll eines Unzufriedenen (eine Fortsetzung)
23:30 Uhr Kurzes Gespräch mit der müden Herzdame, ein wenig lachen, ein unmoralisches Angebot, dass dankend abgelehnt wird. "Du bellender Hofhund hast Glück, dass du nicht auf der Couch schlafen musst. Hustendes Etwas, du." Sie lacht und schläft und ich krümme mich mit einem Hustenkrampf, von wegen Lachen sei gesund. Besagtes Buch liegt im Wohnzimmer, die Zeitung neben dem Bett und da der Mensch zu allem zu faul ist, greife ich mir das raschelnde Ding. Tolle News, aber insgesamt nicht so wirklich erhellend. Menschliches Versagen auf ganzer Linie: Transrapid, Gesundheitsreform, in Italien wurde abgehört und keiner weiß warum, im Kongo gibts Rebellen, man kann die Asche eines geliebten Menschen einfach so aus einem Ballon streuen und dabei sogar relativ glücklich sein, ein interessantes Buch wird vorgestellt, raschel, raschel, nichts über die Blogosphäre, kein Artikel, keine Geschichte, nichts. Ich bin zu müde, um das Notebook noch einmal anzuwerfen und dort einzutauchen, aber auch an diesem begehrten und unfassbaren Ort (Klein-Bloggersdorf) würde ich nicht alles finden, wonach es mich so unglaublich dürstet. Irgendetwas hat mich in seinen Bann gezogen und es ist schwer zu begreifen, was eigentlich dahinter steckt. Sind es die Gedanken anderer Menschen? Das voyeuristische Unterbewusstsein, dass sich an den persönlichen Geschichten unbekannter Menschen satt sehen und dabei noch mehr Hunger entstehen lassen möchte? Ich kann es nicht wirklich beschreiben und trotzdem habe ich das Gefühl, darüber schreiben zu müssen, die Gedanken in irgendeiner Form festzuhalten, vielleicht zu ordnen und dabei zu einem Ergebnis zu kommen. Wieder ein Hustenkrampf, Schwindsucht, denke ich, und schlafe trotz aller Erwartungen über diesem Gedanken ein. 01:00 Uhr So muss es sich anfühlen, wenn man erstickt. Egal, auch hier werde ich durchmaschieren und wieder mal alles geben, die Herzdame stöhnt etwas von Ruhe und Capval-Saft, der im Arzneischränkchen auf einen willigen Benutzer wartet. Ich bin willig und hau mir eine doppelte Portion dieses doch recht gewöhnungsbedürftigen Zeugs rein, auf der Packung steht "Depot-Antitussivum", Hauptsache, es hilft. Noch einmal ordentlich abhusten, umdrehen und endlich sanft in die Traumwelt entschlummern, ahhhh. Doch auch hier habe ich keine Ruhe, ich treffe Leute, die sich alle mit Pseudonymen ansprechen, ich kenne das noch aus meinen verspielten Zeiten, als wir uns abends auf dem Teamspeak-Server trafen, jeder mit einem Headset auf dem Kopf und dann hörte man die unterschiedlichsten Stimmen über den Kopfhörer, sprach mit Leuten, die man noch nie gesehen hat, nannte sich bei den Nicknames ("Yo, hey, kuck mal, der f1r3 iss wieder da, haha.") und ballerte gemeinsam drauflos. Durch das graue, nebelverhangene Traumland schleichen nun die verschiedensten Blogger, mehr oder weniger munter und jeder erzählt eine Geschichte, es wird gelacht, anerkennend genickt, stummer Beifall gespendet, ich frage nach einem Kommentarfeld, was für ein dummer Witz. In einer Ecke steht ein Skeptiker, er murmelt leise vor sich hin, niemand hört ihm wirklich zu und es sieht so aus, als wäre er damit sogar glücklich. Alles in allem ein skuriles Bild, so sieht das wohl aus, wenn man im Bann einer nicht wirklich fassbaren Sache steht, man malt sich ein eigenes Bild, um das alles zu fassen zu bekommen und trotzdem bleibt es unfassbar. 02:00 Uhr Leises Wimmern aus dem Kinderzimmer, das ist echt und kein Traum, der Durst plagt und die Sehnsucht nach Geborgenheit, immer noch dieses dringende Bedürfnis die Nähe eines Körpers zu spüren, auf der einen Seite ist es schön, diese warme und zarte Haut zu spüren, das leise Atmen und Stöhnen, auf der anderen Seite teiben einen herumwirbelnde Arme und Beine fast in den Wahnsinn, der Platz ist begrenzt und eigentlich will man doch wenigstens nachts einmal seine Ruhe haben. Der blogistische Traum ist beendet, der folgende Schlaf traumlos, was bleibt ist die Lust aufs blogosophieren, die Lust an den Geschichten anderer und die Gewissheit, dass dieser Spaß mehr ist als nur das, auch wenn man den wirklichen Sinn kaum zu fassen bekommt. >> Kommentieren Ein interessanter blogosophischer Traum. Und wieder ganz besonders ;-) geschrieben. Mir ging heute früh auch durch den Kopf, was es mit dem Blogdings so auf sich hat, Leute kommen, Leute gehen, manche sind mir tatsächlich schon richtig ans Herz gewachsen, so virtuell sie auch (noch) sind. Spannend ist auch, wie die persönliche Bedeutung noch im Fluss ist, die Intention zu Beginn war ja bei mir und auch bei vielen anderen eine ganz andere als sie sich jetzt entwickelt hat und wohl weiter entwickeln wird.
Schöner Text. Sie können mal gut schreiben, der Herr...
anti-tussivum? ich kringel mich... ;)
zum schleimlösen empfehle ich (kind einer apotheken-mama) immer fluimucil. zum hustenstillen silomat-dragees, da codeinfrei. ansonsten: vitamin c, zink, inhalieren. gute besserung!
@Schlüssi: Ach ja, immer dieser parallelen Gedankengänge, schon fast wie beim Cabman. Ähem, ja. Ich habe nach längerem Überlegen festgestellt, dass die Bloggerei auch einen ordentlichen Einfluss auf mich hat, so stark, wie kaum etwas anderes zuvor. Ok, bei mir kommt noch dieses typische Ichwerdeerwachsenfeeling dazu, sozusagen die Vorvorstufe zur Midlife-Crisis, aber trotzdem, die Bedeutung fließt und verändert sich regelmäßig: Gestern schrob ich anders als heute und morgen ist auch wieder ein anderer Tag. Oder so ähnlich und trotzdem toll.
@Gorilla: Du quälst mir immer die Röte in die Wangen, schäm dich. @Morphin: Ja, bei dieser Bezeichnung bekam ich auch gleich einen kleinen zusätzlichen Hustenanfall. Die Silomat-Sache ist ein toller Tipp, besorg ich mir morgen gleich, Vitamin C ist schon im Einsatz, in Verbindung mit ein paar Zinksoldaten. Danke und dieselben Wünsche zurück, sollte das überhaupt noch notwendig sein.
Schon seltsam - ob's am nahenden und nicht aufzuhaltenden Herbst liegt, daß allenortens über das Bloggen an sich nachgedacht wird? Solang's aber so schön geschrieben ist, darf gern jeder weiter drüber nachdenken. Dazu ist man als Blogger ja da. Sachen aufzuschreiben. Und sei es später mal die gute Erinnerung daran, dass man mal über's bloggen gebloggt hat!
Ich glaube, es hat auch etwas mit der Zeitdauer zu tun, seit der man bloggt. Die ist bei uns ja auch in etwa ähnlich. Vielleicht scheint uns deshalb allerorten die Hinterfrage-Phase auszubrechen. Das Bloggen ändert seine Bedeutung, während man es tut, man hinterfragt sich und lernt, dass es sehr zeitaufwändig ist, dass man lieber dies als das schreibt, lieber hier als dort liest, freut sich sehr über die interessanten, witzigen, liebenswürdigen Menschen, die man überraschenderweise kennenlernt oder auch nicht ;-), geht in sich und: macht anders weiter, genauso weiter, gar nicht weiter.
Oder es liegt nur an der Post-Urlaubsdepression. Das ist auch möglich. :-) >> Kommentieren |
(geborgt bei flickr)
Online seit: 08.02.2006
Letzte Aktualisierung: 03.06.2024, 07:57 Links: ... Home ... Blogrolle (in progress) ... Themen ... Impressum ... Sammlerstücke ... Metametameta ... Blogger.de ... Spenden Archiviertes:
Suche: |
|