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Weckr 3.0

Es ist mal wieder Zeit für Trendbloggen. Das mach ich am liebsten morgens, da jetzt aber nicht morgens ist, sondern abends, sehr trivial, ich weiß, kommt das alles ein wenig komisch, sozusagen eine Momentaufnahme. Am besten morgen früh lesen.

Weckr 3.0
 
Mi, 16.08.2006 |  # | (1268) | 11 K | Ihr Kommentar | abgelegt: trends


bufflon   (16.08.06, 23:48)   (link)  
Der Wecker klingelt, einmal, zweimal, irgendwann haue ich drauf, missmütig und müde und trage den unwilligen Körper in Richtung Bad. Wir sind auf dem neuesten Stand der Technik, Trendscout zu sein ist so unglaublich toll, unsere neueste Errungenschaft und gleichzeitig Testobjekt ist der Weckr 3.0 (natürlich noch beta, darum darf ich auch keine Fotos zeigen) und dieser zeigt nicht nur die Uhrzeit, das Datum, die Innentemperatur und die Mondphasen an, sondern auch die relative Entfernung zwischen Körper und Geist. Der Körper ist wach, der Geist bleibt im Bett, so die Grundidee des Herstellers zum menschlichen Aufstehprozess, heute waren es bei mir 8,7 auf der nach oben offenen Weckr-Skala, ein normaler Wert liegt laut Herstellerangaben zwischen 3,0 und 5,0. Je niedriger, desto besser. Mist.



Der Körper ist also wach, der Geist lümmelt noch in den Federn herum, die gar keine mehr sind, rekelt sich, träumt noch weiter, von blauen Lagunen, netten Menschen und kuschelt. Das Gesicht des augestandenen Körpers blickt automatisch in den Spiegel, die Augen sind noch dick geschwollen, verklebt, die Hände schwingen langsam den Rasierer, der Bart muss ab. Vielleicht sollte ich mich demnächst im Bad setzen, denke ich, obwohl das eigentlich nicht möglich ist, dafür ist der Spiegel zu hoch. Ein Barhocker vielleicht? Eigentlich dürfte ich überhaupt nicht denken können, denn der Geist schläft noch tief und fest, sagt der Weckr 3.0. 7,6, zeigt der inzwischen an, es geht langsam voran. Der, der mich da im Spiegel anblickt, so frisch geschoren, vom Barte befreit, ist nicht der, den ich erwartet hatte. Er sieht aus wie einer, der nicht ich ist, sondern jemand anders, der nur so tut, als wäre er ich. Verworren, manchmal steht man eben neben sich, den ganzen Tag.

Sechs Liter Kaffee, gefühlte zumindest, Druckbetankung, das krümelige Ganze aus dieser wunderbaren Dose, sehr passend, inzwischen regt sich der Geist ein wenig, 5,3 zeigt das trendige Ding auf dem Küchentisch inzwischen an. Blöd, dass ich den jetzt immer mit mir rumtragen muss, vielleicht muss das Ding noch etwas überarbeitet werden, vielleicht wäre eine Aufteilung in eine stationäre Station am Bett mit allen SchnickSchnack-Funktionen, Buttons und Fadern und eine tragbare Miniausgabe zum Umschnallen für das Handgelenk sinnvoll, wahlweise auch im (I-Ah) Glashütte-Design - für die gehobene Klasse, die alle wichtigen Funktionen anzeigen könnte (Uhrzeit, Körper-Geist-Entfernungswert, BMI, Körperfett, derzeitiger IQ, Blogger-Kuschelfaktor, vielleicht könnte man auch die Funktionen des XS100 integrieren und vielleicht sollte ich noch unbedingt vor dem Urlaub "Das Entwicklungslabor", die Trendschmiede schlechthin, besuchen). Der Kaffe wirkt, aktuelle Anzeige 2,7, ein stetig sinkender Wert bescheinigt eine Annäherung von Körper und Geist, wenn der Wert den Nullpunkt erreicht, sind Körper und Geist vereint, so der Hersteller, man selbst als Mensch voll funktionstüchtig und hundertprozentig einsatzbereit, jedenfalls steht das so in der Anleitung, die ein wenig überarbeitet werden müsste, finde ich. Elementare Erklärungen fehlen: Was soll Mensch tun, wenn der Wert nie den Nullpunkt erreicht? Schwanken die Werte tagsüber? Was könnte man dagegen unternehmen? Was bedeutet überhaupt die Einheit von Körper und Geist, ist das wichtig oder nur wieder unsinniger Esotherik-Kram oder so? Muss ich Veganer werden? Brauch ich so ein Ding überhaupt? Solche Sachen bewegen die Menschen, denke ich selbstüberzeugt, allerdings steht der Wert immer noch bei 2,1, man sollte dieser Aussage also nicht all zu großen Wert beimessen.

In der Bahn skizziere ich weitere Ideen, allerdings ist das Hintergrundgemurmel heute wieder unerträglich gleichmäßig und leise, irgendwann hat man sich so sehr an die mitfahrenden Mitmenschen gewöhnt, dass man es allein in der Bahn kaum aushalten würde. Die besten Ideen kommen mir, wenn vor mir zwei russischstämmige deutsche Damen oder besser deutschstämmige russische Damen, egal, lautstark über dies und das in Stakkato-Russisch unterhalten, ein paar Brocken kann ich immer noch verstehen, hinter mir eine Sie und ein Er schonungslos ihre Beziehungsprobleme auswerten (Er: Seit drei Tagen haben wir jetzt schon nicht mehr. Sie: Na und?) und sich irgendwo im hinteren Teil der Bahn zwei Schränke über ihr trinkendes Dasein unterhalten. In neun von zehn Fällen habe ich das Glück, dass es so ist, heute leider nicht. Deswegen bekomme ich auch schlechte Laune, sehe vor mir ein leichtes Ansteigen des Körper-Geist-Entfernungswertes - Welche Reichweite hat der Weckr 3.0 überhaupt? Wie unterscheidet er die verschiedenen Familienmitglieder? Nicht das am Ende der Wert des Hundes angezeigt wird. - und trotz der vielen ungeklärten Fragen lehne ich mich entspannt zurück, um in einen durch Halbträume bestimmten Schlaf zu fallen, ich schätze mal, der Wert steigt gerade wieder auf 5,6 an.

Natürlich gibts dafür nen Logo, logo, nur nicht mit Photoshop gebastelt, sondern hier geklaut. So geht das, mit der neuen Wundertechnik.




schluesselkind   (17.08.06, 00:19)   (link)  
Kann der Weckr3.0 auch negative Werte annehmen? Tolle Idee mal wieder, und tolle Geschichte.


bufflon   (17.08.06, 10:25)   (link)  
Das ist natürlich eine interessante Frage. Ein Anruf im 'Entwicklungslabor löste allgemeines Erschrecken aus, da ein negativer Wert auf Störungen, im System oder beim Menschen, da war man sich noch nicht so sicher, hinweisen könnte. Du siehst, da steckt noch ne Menge Arbeit drin.


lilly-charlotte   (17.08.06, 11:08)   (link)  
Mein gefühlter Weckr 3.0 -Wert dürfte heute morgen auch jenseits von Gut und Böse liegen und ich wäre schon ganz dankbar, wenn Körper und Geist im Laufe des Tages irgendwie zusammenfinden könnten.
Ist der Konsum von Kaffee für die Erniedrigung des Weckr-Wertes eigentlich wissenschaftlich belegt? Sonst gehe ich heute morgen doch lieber zum Tee über...;-)


bufflon   (17.08.06, 14:44)   (link)  
Da gibts schon eine Studie zu, die ist allerdings genauso beta wie der Weckr 3.0 und darf deswegen noch nicht veröffentlicht werden. Eines ist allerdings klar: Ob Tee, Kaffee oder eiskalte Cola auf nüchteren Magen, Hauptsache man wird wach.


lilly-charlotte   (17.08.06, 15:03)   (link)  
Da hilft also nur Verifizierung im Selbstversuch. Auch wenn ich das Gefühl habe, der Geist hat kleinere abwesende Phasen heute - Kaffee ist in jedem Fall definitiv Weckr 3.0 tauglich.


cabman   (17.08.06, 00:30)   (link)  
Feine Geschichte mein Lieber, gute Idee und noch ein Verbesserungsvorschlag:
Ein Router, der anzeigt, wo der Geist gerade verweilt, wenn er denn abwesend ist.
Das würd mich nicht nur bei mir selbst interessieren.


bufflon   (17.08.06, 10:28)   (link)  
Den geb ich weiter. Allerdings wirft das ja auch Fragen des Datenschutzes auf. Wer darf denn nun wissen, wo und wie weit entfernt vom Körper sich der Geist aufhält, müssen die Daten gespeichert werden, 6 Monate, und sind die Daten gerichtsverwertbar? "Das war mein Körper, der da Unfung getrieben hat, mein Geist lag noch selig im Bett und schlummerte. Bin ich jetzt unschuldig?"


zoeo   (17.08.06, 10:34)   (link)  
wenn der geist willig, aber das fleisch schwach ist, dürfte von unschuld gesprochen werden


sillerbetrachter   (17.08.06, 22:15)   (link)  
aufgeweckt!
mit der geschichte hast du dich eingereiht in die liste der trendscouts schlechthin, finde ich. gut, dass son weckr nicht pflicht in verkaufsräumen,bürogebäuden oder werkstätten ist. *besserissesdenkeichhierso*


woody_b   (18.08.06, 00:03)   (link)  
die idee vom barhocker fürs badezimmer hat aber auch was. höhenverstellbar, mit integriertem handtuchhalter und für 5m²-verschläge am besten mit klappmechanismus zum platzsparenden verstauen. würd ich kaufen. vlleicht.











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