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"Leben ist Brückenschlagen über Ströme, die vergehn." - Gottfried Benn, 1956

Schreibtisch

Am Schreibtisch sitzen. Durch die breite Fensterfront finden warme Sonnenstrahlen ihren Weg, jede noch so verwinkelte Ecke wird ausgeleuchtet, das glänzende Parkett erstrahlt, der dunkle Schreibtisch wirkt warm und einladend und die staubigen Ecken, in denen kleine Staubmäuse ihr Unwesen treiben, betteln um dringende Reinigung. Den Staubsauger schwingen, sagst du dir, das könntest du auch mal wieder und trotzdem versinkst du dann, in Gedanken, Träumen, Buchstaben auf dem Bildschirm, der Tastatur.

Es ist ja nicht so, dass du weltvergessen bist, irgendwie abgehoben, anders, nein, du stehst mitten drin, in deinem Leben, hast dich gefragt und geprüft und hast gewollt, denn hättest du nicht gewollt, säßest du nicht hier und tätest deine Arbeit, dächtest nicht an die Kinder, deren Bilder auf deinem Schreibtisch stehen und die Frau, die du liebst, liebte einen anderen.

Nein. So ist es nicht. Und trotzdem bist du unzufrieden. Deine Umwelt, die Unvermeidlichen, die du liebst und die, die du nicht liebst, denen du aber irgendetwas verdankst, sie rauben dir den letzten Nerv, saugen die Kraft aus deinen Adern, wie Vampire das süße Blut aus den warmen Körpern schlafender Jungfrauen. Erwartungen, ständig stellen sie Forderungen, die du zu erfüllen hast oder sie bitten dich, bitten dich in einer Weise, die es dir unmöglich macht, ihnen ihre Bitten abzuschlagen, sie alle machen dich unzufrieden.

Aber: Ist es denn wirklich so? Oder bildest du dir das nur ein? Und ist es nicht auch so, dass es anderen schlechter geht als dir, ist es nicht so, dass andere weitaus mehr zu ertragen haben, als deine Minimalprobleme, die rein menschlich sind, gedanklich, nicht existenzgefährdend? Ja, mein Lieber, es wird immer jemanden geben, dem es schlechter geht als dir.

Das macht es trotzdem nicht besser, sagst du, während du dir schon wieder eine Zigarette anzündest, obwohl du seit Monaten damit aufhören willst. Ja, aber was willst du denn dann? Du weißt es nicht. Du bist unsicher, unfähig, deine Stärken zu sehen, geschwächt von den Schwächen, die nicht nur du allein hast. Und ich könnte noch viele „Vielleicht“ nachlegen, all die Dinge in Frage stellen, das ganze Leben, dein Leben, dein Leben mit den Sonnenstrahlen, der Fensterfront, den staubigen Ecken und dem kaputten Staubsauger, mit den Füßen auf dem Boden unter deinem Schreibtisch und doch würde es nichts ändern. Du musst selbst suchen, du musst selbst in den Spiegel schauen und dir diese Fragen stellen, denn tust du es nicht, wird am Ende nur noch die Hülle von dir bleiben, ein bloßes Abbild deiner selbst, leer und verlassen.
 
Mi, 09.12.2009 |  # | (868) | 2 K | Ihr Kommentar | abgelegt: melancholie


bonafide   (09.12.09, 23:30)   (link)  
puh.
sehr dicht geschrieben.

aber spiegeleien jeder art bin ich heute nicht gewachsen.

SO verschwende ich meine zeit!


hora sexta   (10.12.09, 15:50)   (link)  
Sie trauen sich, es zu sagen, Herr Bufflon: dass die Füße auf dem Boden nicht alle Rettung sind. Auch wenn es schon ein verdammt guter Platz ist für sie, so man Boden hat.











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Letzte Aktualisierung: 02.04.2024, 15:05


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