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Frisch aus dem Stauraum gebloggt

Neujahrsmorgen, halb vier vielleicht oder schon um vier, es ist kalt, nein, es ist eher bitterkalt, so dass man gerne sagen möchte „Verdammte Scheiße, ist das kalt.“ Und natürlich sagt man es auch. Hand in Hand durch leise vor sich hin rieselnde Eiskristalle gehen, das wird der ganze Pulverdampf sein, der sich jetzt langsam in den kommenden Morgen verzieht, an dem viele merken werden, dass auch ein frischer Rollmops kaum etwas gegen diese verdammten Kopfschmerzen ausrichten kann. Ab und zu hört man noch einen Knall und sieht ein Leuchten, trotzdem ist es ruhig, sehr ruhig, fast schon gespenstisch. Haben wir etwas getrunken? Zitternd und schwankend, aber nein, meine Liebste, kaum etwas bis gar nichts, nicht einmal diese riesige Flasche ist angebrochen worden, Sparsamkeit und Enthaltsamkeit wünschen wir uns für das neue Jahr, aber bitte, Liebste, nicht in jeder Hinsicht. Nein. Fast eingefrorenes Kichern, eine Zigarette, noch ein Bier und dann viel Schlaf. Schlaf. Damit fängt immer ein neues Jahr an.

In der Zeit der Feiertage, davor, dazwischen und auch kurz danach, in der Zeit, die ich in einem Ansturm leiser Melancholie unter dem leuchtenden Weihnachtsbaum als schönste Zeit des Jahres bezeichnete, entstand, neben sehr vielen und angenehmen Dialogen, so mancher ausschweifender Monolog, allerdings bin ich ein fauler Mensch, viel zu bequem, einen Zettelkasten, ein Moleskine, ein sonstiges Irgendetwas mit meinen Gedanken zu belästigen, nun ja, vielleicht doch ab und zu, aber vieles geht dann eben doch verloren, so wie eben diese Monologe. In kalten Winternächten denkt man meist zurück und blickt nach vorn und bilanziert und auch weil dies alles wenig rosig anzuhören oder anzuschauen war und ist, ganz global gesehen, denn individuell gibt es doch noch hin und wieder ein wenig Glück und Lichtblicke, vergaß ich vieles, wenn nicht sogar alles. Nun ja, Spuren werden noch vorhanden sein.

Das viele Gerede im Kopf, manchmal wird das auch zu viel. Man verwirrt sich selbst, dann schaltet man den Fernseher ein, um sich eine kleine Denkpause zu gönnen, aber nein, dieses Gerät bringt keine Linderung. Im Gegenteil. Was kommt ist merkbefreiter Brei, nicht mehr als das ameisenhafte Gewimmel schwarz-weißer Punkte, wenn man den Antennenstecker zieht und man weiß: Sinnlose Zeitverschwendung. Ich bin seit frühen Jahren ein Kistenmensch, wenn ich nicht vor dem Radio saß, hockte ich vor der Flimmerkiste, meine Oma tat das auch und meine Mutter und so auch ich, der Fernseher lag also in schon in meiner Wiege, gleich neben dem Bücherregal. Man darf dabei allerdings nicht vergessen, vor allem sage ich dies denjenigen, die gern und schnell zu reflexartiger Schubladisierung oft unbekannter Individuen neigen: Es gab auch Zeiten, in denen man das Flimmern unbeschadet genießen konnte. Gut dosiert und nicht alleine. Vorbei die Zeit. Gerade in der Weihnachtszeit, die früher (früher!) doch immer mit verschiedenen Wunderbarkeiten überladen war, aber. Heute nicht mehr. Ab und zu ein altes Defa-Märchen oder eines aus der Tschechoslowakei (die gab es wirklich mal), vielleicht noch ein wenig Sport, der Rest kann abgeschaltet werden, es gibt auch gute Brettspiele. Trotzdem auf der Couch liegen und warten. Von der Festplatte läuft „Kill Bill“, Tarantino, ach ja, vor allem der Soundtrack, später noch eine Doku über das Star sein und so, Udo Lindenberg anno 1976, die bekifften Beatles, Amanda Lear und MIT, für die neue Generation, die den WDR sowieso nicht mehr schauen. MIT gefallen mir. Danach Winnetou und Old Shatterhand, gegen halb vier, warum das nun nachts gezeigt wird, anstatt nachmittags, wer soll das schon wissen. Oder verstehen. Allerdings, ich bin kein Reich-Ranicki.

Jahresrückblicke erspare ich mir, das langweilt, nervt, das gibt es doch überall und das olle Jahr ist sowieso vorbei. Der Rest steht in den Sternen und die sollen in diesem Jahr nicht schlecht für Bufflönner stehen, vielleicht legte man mir aber auch nur eine geschönte Auswahl vor, um meine Nerven zu schonen und eine positive Grundstimmung zu erzeugen, wer weiß das schon. Ein Bild überraschte mich allerdings, in einem nachsilvesterlichen Traum: Ich, in einem Garten auf einem bequemen Sitzmöbel sitzend, die Sonne geht langsam unter und ich lege die Beine hoch und lese in einem kleinen weißen Büchlein, mein Lieblings-Benn, wie ich vermute. Schöne Aussichten, wenn das wahr wird.

[Allen, die sich bis hier hinab gearbeitet haben, wünsche ich ein gutes neues Jahr. Den anderen auch.]
 
Do, 08.01.2009 |  # | (455) | 6 K | Ihr Kommentar | abgelegt: reality blogging


jean stubenzweig   (08.01.09, 11:42)   (link)  
Sie wissens ja
längst: auch Zettelkästen oder Moleskines oder ähnliches helfen nicht sonderlich, also wäre es müßig, sie tatsächlich zu benutzen. So dürfte das, was Sie Faulheit nennen, nichts anderes sein als weise Erkenntnis.

Werden Sie auch langsam alt? Das geht ja spätestens Mitte dreißig los, lese ich in der hiesigen Gemeinde immer öfter. Andererseits: wer die Tschechoslowakei und Udo Lindenberg 1976 kennt, kommt dem Alter bereits gefährlich nahe. Ohnehin klingen Sie bereits lebensrückblickend, wo andere noch das Jahr nehmen. Aber Sie tun's fröhlich und behaglich. Ich habe mich wohlig mitgeräkelt.


bufflon   (08.01.09, 14:31)   (link)  
Alt werden? Das habe ich mir für Mitte sechzig vorgenommen, kleinere oder größere Weisheiten, die mich vorher ereilen (sollten), verbuche ich unter reinem Erkenntnisgewinn im unvermeidlichen Lauf der Zeit.

In der Tschechoslowakei verbrachte ich schon so manchen Urlaub, in Zeiten, als Malle oder die Malediven noch als unerreichbare Paradise hinter Mauern und Stacheldrahtzaun galten. Die Hohe Tatra, zum Beispiel, heute Slowakei, günstig und inzwischen ohne Währungstausch erreichbar, kann ich nur empfehlen.

Seit Jahren versuche ich mich an verschiedensten Zettelagen, allerdings will ich mich gar nicht strukturieren und lese mir das meiste auch gar nicht mehr durch, nachdem es aufgeschrieben und gelesen wurde, Pfundstücke kommen und gehen und inzwischen reicht mir die reine Erkenntnis als Essenz im Gedankengang aus. So bewahre ich mir persönliche Fröhlichkeit.


jean stubenzweig   (09.01.09, 02:20)   (link)  
Hohe Tatra –
ich erinnere mich. Zumindest an die Photographien, die meine Mutter beim Skilaufen in den Dreißigern zeigen. Ich hab's vor etwa dreißig Jahren drangegeben, weil's mir zuviel wurde. Vor allem die Menschen, als sie meinten, allesamt denselben Sport betreiben zu müssen. Und mit den Bergen hab ich's auch nicht mehr so (allenfalls mit denen aus Papier). Nachdem ich mal mittendrin lebte und dann nach München flüchtete. Aber auch davor bin ich nach fast drei Jahrzehnten geflohen und lebe nun glücklich an zwei Meeren. Im Status, den Sie sich für Mitte sechzig vorgenommen haben. Und durchaus fröhlich.

Anderes Thema am Rande: Ob Sie vielleicht da mal hineinschauen und mir eventuell Hilfestellung geben könnten?

https://hilfe.blogger.de/stories/1306905/

Ich wäre Ihnen sehr dankbar.


c17h19no3   (08.01.09, 12:29)   (link)  
die besten wünsche aus hamburg, wo es ebenfalls popogänsehautgenerierend kalt ist! (zum glück hab ich ja eine gewisse heiße affaire, die mir sogar pfefferminztee kocht.;))


bufflon   (08.01.09, 14:34)   (link)  
Popogänsehautgenerierend? Das schreib ich mir doch gleich mal auf einen Zettel. ;-) Gestern rief mir ein kleiner Zwerg entgegen: Papa, es ist so kalt da draußen, ich hab schon Hühnerkeulen.

(Pfeffi-Tee, soso. Das klingt ja sehr heiß. Viel Spaß beim Schlürfen. Aus der Tasse, versteht sich.)


c17h19no3   (11.01.09, 22:06)   (link)  
auch nicht schlecht, die hühnerkeulen. ;)
wenn ich zu müde war zum laufen, habe ich als kind immer gesagt: "mama, ich habe beine wie trinkhalme!" (die haben doch immer diesen teil, wo man sie abknicken kann.)











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