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Tausend Krähen über dem Hackeschen Markt

Es gibt nur noch Grau. Grau und dann die Dunkelheit. Man geht aus dem Haus, es ist noch Nacht, jedenfalls fühlt es sich so an, denn es ist stockdunkel und kalt, vielleicht nieselt es auch, manchmal fällt sogar ein wenig Schnee in winzig kleinen Flöckchen und die allgegenwärtigen Straßenlaternen weisen einem den Weg, in gedämpftem, orangefarbenem Licht, diffus und möglicherweise auch die Augen schonend, trotzdem wird man ein entscheidendes Gefühl nicht los: Hier liegt die Welt am Boden. Es wird einfach nicht mehr hell. Der Sonnenaufgang ist nur angedeutet, na klar, sagt man sich, es ist jetzt schon acht oder halb neun und es ist natürlich heller als um sechs oder halb sieben, und doch befindet man sich den ganzen Tag in einer Art grauem Loch, der tristen Vorstufe eines sogenannten Schwarzen Lochs, dem Loch aller Löcher, dem absoluten Abgrund. Natürlich ist das nur ein Gefühl, aber ein sehr reales, vor allem wenn man müde aus dem Fenster einer Straßenbahn auf die vielen vorbei ziehenden Baustellen schaut, auf denen dick eingepackte Arbeiter noch emsig arbeiten, bevor Väterchen Frost einen kalten Gruß aus dem Osten herüber schicken wird. Bilder ziehen vorbei und Gedanken bohren an der Schädeldecke. Von innen.

Du, wollte ich sagen, aber da waren wir schon eingeschlafen, also sagte ich es dir im Traum, der dann auch irgendwie abglitt, in diese Untiefen der hyperromantischen Liebesträume, in denen immer alles gut ist, in denen immer die richtige Musik zum richtigen Zeitpunkt spielt und immer die richtigen Menschen am richtigen Fleck sind. So träumte man wohl schon immer vom Paradies. Also murmelte ich nur vor mich hin, während die reale Welt hinfort dämmerte, natürlich lief noch der Fernseher, denn zum Lesen waren die Augen längst schon zu schwach und der Kopf schon zu voll, eine Hintergrundsprecherin sagte noch etwas über die Menschen auf einer Tattoo-Convention, schöne und weniger schöne Menschen ließen ihre empfindliche Haut zerstechen und mit Farbpigmenten füllen, der eine so, die andere so, das ist natürlich unglaublich langweilig und deshalb auch kein Wunder, dass wir beide eindösten, in unserer übermüden Friedlichkeit.

Was am Ende des Tages bleibt, sind ein paar Zeilen, aber wenig Zeit. Niemand will sich darüber beschweren, doch die A. beschwerte sich jüngst über einen Mangel an Zeit, aber irgendwie auch am Thema vorbei, denn es ist nun einmal so, dass der durchschnittliche Mensch nicht stundenlang aus dem Fenster schaut oder besser noch in die Fernsehröhre, sondern irgendwie unsinnige Tätigkeiten für eine finanzielle Entlohnung übernimmt, die ihm sein Leben absichert. Mehr oder weniger. Nicht jeder schafft das. Deswegen sollte man sich auch nicht beschweren, schon gar nicht die A., aber nun gut, es wird einem auch schnell etwas unterstellt. Keine Zeit also, aber ein paar Zeilen bleiben, auch wenn sie nur ein Konzentrat sind, eine zusammen gestauchte Beobachtung, die Kurzfassung von dem, was man für sein Leben hält.
 
Mi, 17.12.2008 |  # | (609) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: haltestellenkino



 
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