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Mann|Kind

Der Mann selbst ist am liebsten Kind, darum nimmt er selbiges auch gern an die Hand und sagt bisweilen etwas nettes. Dann fahren sie Straßenbahn, weil Straßenbahnen nicht auf der Tagesordnung stehen, obwohl sie direkt an der Wohnung vorbei rumpeln, in greifbarer Nähe. Na gut, man muss schon ein Stückchen gehen. Das Kind fragt den Mann, wohin er fahren wolle und tut dann so, als würde er genau dorthin fahren, lenkt am Lenkrad, was bei Straßenbahnen nicht unbedingt notwendig erscheint, gibt dann Gas, ab und zu ist etwas geil oder krass, Schulgeflüster beeinflusst Kindergartengeschrei, Sprachentwicklung, vielleicht sollte mal ein Sprachstandstest gemacht werden? Denkt der Mann und muss lachen. Herzhaft, natürlich und übertönt mit dem Gelächter den mild-sauren Kotzegeruch, der unter seinen Beinen hervor quillt und brüllend stinkt. Abartig. So ist das in der Großstadt, jeden Tag saufen sie zuviel und kotzen dann in die Straßenbahn oder die S-Bahn, um alle anderen zu belästigen, nur nicht sich selbst, man merkt ja dann nichts mehr.

Komm, wir laufen das letzte Stück, sagt der Mann zu dem Kind und bleibt nach ungefähr hundert Metern stehen, an einer Baustelle, auf der sich ein Bagger gerade in ein Loch hinein baggert, buddelt, dieses langsam in den aufgeweichten Boden frisst, ganz behutsam und doch voller Kraft, der Motor röhrt nicht, wie der Mann es von dem Bagger erwartet hatte, es brummt gemächlich, wie der Baggerfahrer selbst, mit bartbedecktem Gesicht, brummig, bärig, behutsam. Schau doch nur, sagt der Mann und wird zum Kind, hockt sich neben das seinige, dessen Augen auch irgendwie anfangen zu leuchten, er legt den linken Arm um das Kind, schau doch nur, sagt er noch einmal und will nicht mehr gehen.

Schnee hatte am Morgen alles sanft mit Weiß eingedeckt und die Schuhe sind beim Gehen schnell nass geworden, es ist kalt, sagt das Kind, ich will nach Hause, aber das Mann-Kind will natürlich noch bleiben, ich will aber nicht nach Hause, sagt es. Trotzig. Es kommen noch zwei große Selbstlader und beladen sich auch selbst, man braucht nur noch vier Leute, um auf einer Baustelle zu bauen, einer würde auch reichen, denkt das Mann-Kind, einer der baggert, auflädt, wegfährt und wiederkommt, um ein Schild anzubringen: Vorsicht, Baustelle. Kind und Mann gehen dann weiter, denn es ist kalt und der Schnee hatte alles sanft in Weiß eingedeckt und die Kälte kriecht nun durch Handschuhe, Mütze, Hose, Schuhe, mitten auf die nackte Haut, die sich mit einer pickeligen Gänsehaut schützt.
 
Mo, 15.12.2008 |  # | (438) | 2 K | Ihr Kommentar | abgelegt: reality blogging



 
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