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Nichts besonderes mehr.

Wocheenderinnerungen. Morgens anstehen im Wahllokal, wann gab es das schon mal? Ältere Menschen brauchen lange, sie scheinen die Wahlscheine von oben nach unten komplett durchzulesen, vielleicht hilft es ihnen, sich am Ende richtig zu entscheiden. Wer weiß das denn schon? Also ob man sich richtig entschieden hat. Am Abend die einhellige Meinung: 7,3 Prozent habe sich woanders nicht richtig entschieden und knappe vierzig Prozent haben das auch noch durch aktives Nichtwählen unterstützt*. Trotzdem herrscht keine allgemeine Betroffenheit, es gibt keine Schuldzuweisungen, die Menschen sind wohl außerordentlich verzweifelt, verlassen und deshalb vertrauen sie mehr auf Demagogen, die mit dummen Sprüchen und altem Gedankengut Versprechen untermauern wollen, die genauso weit von der Realität entfernt sind, wie der Wunsch nach Vollbeschäftigung, als auf langweilige Politiker scheinbarer Volksparteien, die hilflos und von praktischen Lösungen meilenweit entfernt sind. Eine Fahrt von Anklam auf die neue Autobahn im März bewies im Prinzip alles.

Feldarbeit, befreiend für die Seele, ich ernte mit dreckigen Händen Rote Beete und erfreue mich dabei an dem jetzt schon leicht zu erahnenden erdigen Geruch dieses blutigen Gemüses und denke an die zermatschte Banane und die ausprepresste Grapefruit, das alles zusammengerührt zu einem übel aussehenden Salat, der noch nach Tagen seine Spuren hinterlässt, aber trotzdem wunderbar schmeckt. Die Sonne ist noch kräftig genug, um kleine Schweißperlen auf die Stirn zu treiben, im Wind steckt schon eine kleine Spur des heranziehenden Herbstes, im Garten hängt der leichte Geruch verfaulenden Obstes, süßlich und matschig, Wespen schwirren um die langsam zerfallenden Früchte herum, es ist ein Wunder, dass bis auf die Wurzel herunter geschnittene Pflanzen im Frühjahr wieder prächtig wachsen werden, der Garten wird lichter und empfängt befreit die letzten wärmenden Strahlen der Sonne.

Menschen strömen, Kinder, Unmengen an Kindern, die sich an Hüpfburgen, Karussels, Malständen und frei herum laufenden Tieren erfreuen, irgendwo gibt es ein Kasperle-Theater, für meinen Geschmack etwas zu langatmig, finden die Kinder auch. Hier tobt das Leben und wir mittendrin, es könnte der letzte schöne Sonntag des Jahres sein, wir müssen genießen, bis die Sonne untergeht, die Leichtigkeit, die Freude, alles im Herzen einschließen, für die kalten, dunklen Tage, die allerdings ebenso schön sein können (an dieser Stelle schweift der Geist ein wenig in Richtung zugefrorener Seen voller wagemutiger Schlittschuhläufer, strahlende Wintersonne und Glühwein - titscher - titscher - titscher - dirr . . ./ Heißa, du lustiger Kieselstein!/ Er zwitschert wie ein Vögelein/ und tut als wie ein Schwälblein fliegen -/ doch endlich bleibt mein Kieselstein/ ganz weit, ganz weit auf dem See draußen liegen. - das ist jetzt doch etwas zu kitschig und zu weit hergeholt.) Freundschaften entwickeln sich oder eben nicht. Manchmal entwickelt man sich selbst und ist am Ende von anderen nur noch gelangweilt. Es bringt nichts, am langsam vergehenden festzuhalten, vielleicht ist diese Erkenntnis auf den ersten Blick recht schmerzvoll, allerdings wegen verloren gegangener Übereinstimmungen unumgänglich. Man schweigt sich an, redet aneinander vorbei, stellt fest, dass die Träume weit auseinandergehen, denn während man selbst von der Unvergänglichkeit dieses Lichts träumt, möchte der andere nur noch schnell zum Hertha-Spiel, VIP-Karten. Schade.

113 Kastanien landen im Eimer, viele dieser stacheligen Früchte sind noch nicht aufgeplatzt und fallen auch nicht von allein vom Baum herunter, wir müssen nachhelfen, ein lustiges Spiel und wir vergessen dabei die Zeit. Es ist egal, was wir mit den Kastanien am Ende anfangen, vielleicht begutachten wir die Maserung, bauen Figuren daraus, zählen sie einfach nur, bauen Straßen oder nehmen sie gar als Fensterdekoration. In der Wohnung sammeln sich die Spinnen und spannen ihre Netze aus, es werden weniger Fliegen, lange Staubfäden verfängt sich in den Netzen, wenn es demnächst regnen sollte, müssen wir wieder einmal den Besen schwingen.

Das alles ist nichts besonderes, geschieht heimlich, still und leise, aber mir, der es selbst erlebt hat, mir bedeutet es viel und es tut gut, es irgendwie hier festzuhalten, denn meine Fotos sind wohl noch schlechter als die Texte.
 
Mo, 18.09.2006 |  # | (439) | 8 K | Ihr Kommentar | abgelegt: reality blogging



 
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