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Wo ist eigentlich der Sommer hin?

Lieber schwitzen und in schlabbrigen Flip-Flops rumrennen, als mit Regenschirm und Socken in den Schuhen. Interessant allerdings, was man mit einem Stöckchen und einem rosa Hemdchen, dass allerdings ganz unauffällig ist, so anstellen kann. Ich bau grad schon mal meine Theke auf und erzähle die erste geheime Blogger-Bar-Geschichte aus der Reihe "Leben, die sonst eh keinen interessiert hätten". Von damals noch, als ich Nicht-Blogger war und ein echtes Leben hatte. ;-)
 
So, 06.08.2006 |  # | (660) | 10 K | Ihr Kommentar | abgelegt: reality blogging


bufflon   (06.08.06, 14:37)   (link)  
Wunderbar warmer Sommer. Der erste Ferienjob, ein Knaller, 900 DM in zwei Wochen, scheiß auf die Plackerei im Baumarkt, Redesign würde man diese bisher unbekannte Form der Beschäftigungstherapie dort heute nennen, egal, abends ein, zwei Bier, so schmeckt sie also, die Arbeit.
"Bock auf Gartenparty?" fragt der beste Freund in der Mittagspause, die Zigarette heroisch grinsend im Mundwinkel klemmend, während wir es uns zwischen halb aufgebauten Baumarktregalen gemütlich gemacht haben. Na klar, warum nicht, die bei Kasimir sind doch immer geil. Abends in Schale geschmissen, braune Jeans, blaue Schuhe, Kapuzensweatshirt für die kalte Nacht, noch schnell das obligatorische Sixpack an der Tanke geholt und los gehts. Es sind schon alle da, es wird gelacht, getanzt, gegessen und gesoffen. Muttis bester Kartoffelsalat, mit ordentlich Mayonnaise, fette Bratwürste und fettes Fleisch, dazu literweise warmes Bier, kalter Wein, billiger Whisky, Zigaretten stangenweise, billige bunte Partylämpchen, wir lassen die Schrebergärten hoch leben, eigentlich sind wir doch alle noch Kinder.
In der Ecke sitzt Verena, lange Beine, rote Haare, blassrote Lippen und große Augen. Ich klebe an diesem faszinierenden Mund, sie erzählt belangloses Zeug, ich höre nicht zu, schau sie nur an. Mich interessiert dieser ganze Mist vom Porsche fahrenden Freund, dem Studentenklub und irgendwelchen Zukunftsplänen nicht. Ich will sie einfach nur anstarren, ihren Augenaufschlag genießen, ihre Stimme, wie sie mit ihrem Fuß wackelt, während sie ihre Geschichten erzählt, wie sie sich die Strähnen aus dem Gesicht streicht.
Kurzer Ausflug zur Tanke, das Bier geht langsam aus. Zwischenstopp im Haltestellenhäuschen, schnell ein paar Biere gekippt, absolut unsinnigen Unsinn erzählt, vorbeifahrende Radfahrer angepöbelt, schicke Schnecken zur Party eingeladen und dafür einen Vogel gezeigt bekommen. Was kostet die Welt? Endloses Lachen.
Die Party rockt, alle haben schon ein gewisses Dunstlevel erreicht, lallende Gesichter, wirres Lachen, komische Geschichten, verrenkte Tanzeinlagen. Verena haut ab, geht einfach los, einsam und alleine. Ich gehe ihr hinterher, verfolge sie, na ja, nicht ganz, aber auf leisen Sohlen. Sie liegt auf einem kleinen Stück Wiese, irgendwo, tief mitten in der Schrebergarten-Idylle, es riecht nach Blumen, Erde, sie leigt einfach so da, schaut in die Sterne und raucht.
"Willste auch? Isn bisschen Schwarzer mit drin."
"Schwarzer Krauser?"
"Nee, Afghane."
Sie lacht. Ich lege mich neben sie, ziehe an der übergroßen, unbeholfen gedrehten und aus mehreren Blättchen zusammen geklebten Zigarette, die fast auseinander zu bröckeln droht, ganz komischer Geruch, komischer Geschmack, wie letztens auf der Party bei, ach, der Name fällt mir nicht mehr ein. Sie lacht, ich lache, ohne Grund, einfach so, wir schauen gemeinsam in die Sterne und sie erzählt mir etwas von schwärmenden Sternschnuppen im August und Wünschen, die niemand erfahren darf, ich verstehe nur etwas vom Mann im Mond. Irgendwann wanken wir zurück, stützen uns gegenseitig, ich lege meinen Arm um ihre Hüften, wir lachen immer noch und kichern wie irre dazu. Mir wird langsam schlecht. Schnell noch ein Bier, ein lustloser Tanz, der Blick auf sie, die schon wieder belangloses Zeug erzählt und diesmal dabei außerirdisch kichert. Ich will hier weg. Zuviel von allem, Essen, Suff und komischen Zigaretten.
"Meine Eltern holen mich ab, willste mit? Ist doch die gleiche Richtung."
Klar, na klar will ich mit, weg hier, aber nicht mit deinen Eltern, diesen Anstandswauwaus. Allein? Wenn es sein muss, dann einfach nur noch ins Bett, träumen, von Dingen, die ich nie erreichen werde, von dir. Zum Glück ist der beste Freund, meiner, auch mit dabei, in besserem Zustand als ich. Der Wagen fliegt, ca. ein Meter über dem Boden, ein kosmisches Gefühl, allerdings nicht angenehm. Alles gleitet wie in Zeitlupe an mir vorbei, Gespräche, die Motorengeräusche, Häuser, Lampen anderer Autos, die sich durch Nacht quälen.
"Ihr müsst hier raus."
Kein Kuss, keine Umarmung, keine Berührung, einfach Tschüss. Mühsam wanken wir durch die Nacht, der beste Freund und ich, er schubst mich immer in die richtige Richtung, ich will nur noch in mein Bett.
"Ich bring dich nach Hause."
Danke, großer Bruder, mir ist schlecht, kotzübel, die ersten schlechten Erinnerungen an die Party ergießen sich über dem Boden, hilft aber nicht. Kurze Pause auf einer Bank, so kann ich auf jeden Fall nicht nach Hause kommen, erst einmal ausruhen, mich wiederfinden, die eigene Ordnung. Weitere schlechte Erinnerungen ergießen sich auf den Boden neben der Bank, alles dreht sich, wir lachen trotzdem. Der Morgen graut, die ersten Vögel haben schon etwas zu sagen, die Welt dreht sich langsamer, die letzten schlechten Erinnerungen platschen auf den Boden neben der Bank.
"Geh jetzt, du musst ins Bett."
Ich schwanke durch den Hauseingang, die graue Treppe nach oben, zum Glück muss ich nur in die dritte Etage, zwanzigste wäre schlimmer. Zu Hause den Fernseher angeworfen, jetzt bloß keine Stille. Das wacklige Bild dreht sich endlos um das Bett, Übelkeit und Müdigkeit wechseln sich ab, noch schnell die wirklich allerletzten schlechten Erinnerungen die Toilette heruntergespült, nur die an Verrena nicht, dann überwältigen sie mich, die Müdigkeit und die Übelkeit, am Ende einfach so ins Bett gefallen, in einen schweren, traumlosen Schlaf, nur noch mit einem ganz klitzekleinen Gedanken an Verena.


schluesselkind   (06.08.06, 14:47)   (link)  
Wieder mal sehr plastisch geschrieben. Erinnert mich an meinen ersten (und letzten) richtigen Rausch, heute kann ich drüber lachen, damals überhaupt nicht. Vielleicht erzähle ich das mal, wenn Deine Bar ganz aufgebaut ist.


beetfreeq   (06.08.06, 15:51)   (link)  
Hmm, mein erster fieser Rausch klingt auch verdammt ähnlich - nur ohne eine Verena - dafür aber ein anderes Mädel das mich wohl auf ewig hassen wird - aber das ist ne andere Geschichte ;)


neo-bazi   (06.08.06, 16:12)   (link)  
Kübelweise Bier versaut Libanon und Afghanistan, einmal und nie wieder !


bufflon   (07.08.06, 09:23)   (link)  
Ja, es kommt ja am Ende auf die Mischung an. Von dem einen weniger und dem anderen mehr oder umgekehrt, dass geht dann noch. Ich habs allerdings danach nicht mehr versucht, das mit dem richtigen Verhältnis.


cabman   (07.08.06, 14:02)   (link)  
Sehr schöne Geschichte! Sehr schön geschrieben und der Rausch gehört ja irgenwie dazu, zum Leben.


engraver   (07.08.06, 14:53)   (link)  
... wie sie sich die Strähnen aus dem Gesicht streicht.

herr bufflon, die feinen details! ich mag diese geschichte sehr


sillerbetrachter   (07.08.06, 17:20)   (link)  
jugend-und sommererinnerung pur!
leider hatte ich bei meinem ersten rausch meine schwester dabei, die sich noch jahre später ergözte, weil ich ohne schnürbänder nach hause laufen musste (hatten mir scherzkekese aus den boots gezogen) und jeden busch begrünt habe. die storys von wilden knutschszenen auf der tanzfläche, an die ich mich nicht erinnere, tischte sie gerne bei familienfeiern auf. *spei* nie wieder!! habe ich mir geschworen und den schwur nicht gebrochen.
wann eröffnet die blogger-bar ? :-)


zigarrillo   (07.08.06, 19:44)   (link)  
geschichten
die das leben schreibt. große, kleine, traurige, kurze, lange und halt lustige...wobei das natuerlich im auge des betrachter liegt. aber ich meine es gibt erfahrungen, die muss man gemacht habe, wie den erstan suff, ob maennlich oder weiblich. spielt keine rolle. an meinen ersten auftritt, erinnere ich mich nicht mehr ganz genau....aber ich war ein viel zu kleiner junge, mit einem viel zu großen bundeswehrrucksack, voller astra, oder holsten?...vielleicht sollte man den cabman hierzu befragen, der war zwar nicht direkt beteiligt, hat mir aber nach hause verholfen...gut ging es mir glaube ich nicht.-prost.


ericpp   (08.08.06, 02:17)   (link)  
Oha,

Danke für die Erinnerung an das rosa Hemd. Da war ja Freitag nochmal richtig Hai Leif in der Bude...











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