Schule, Leben, Lernen (Auch so eine Art Bildungsbloggen.) Schule, das ist immer noch ein Reizwort für mich persönlich. Aber man soll ja seine eigenen kleinen Problemchen nicht auf andere projizieren, zumal sie schon längst überwunden sind und schon gar nicht auf den eigenen Nachwuchs, am Ende wird dieser nämlich wie man selbst und das muss ja nicht sein, soll der doch bitte schön seinen eigenen Weg finden. Einen anderen. Diese Schule riecht unbedingt wieder erkennbar nach Schule, genauso wie die Kindertagesstätte wieder erkennbar nach Kindergarten riecht und so steigen die Erinnerungen von den Rezeptoren der Nase in die graue Denkmasse, die trotz Wärmestau immer noch erstaunlich arbeitsfähig ist. Bilder tauchen auf, der freundliche Hausmeister zum Beispiel, der später durch einen Neonazi und noch später durch eine junge, sehr maskuline Dame, die auch freundlich war, ersetzt wurde, Treppenaufgänge, Sekretariate, Wandzeitungen und deren nichtsozialistische Nachfolger, Gesichter von Lehrern, nun ja, und da fängt das Bauchgrummeln an. Also heißt es nun Nase zuhalten und ab durch die Mitte. In der Aula versammeln sich die Massen der Eltern des neu lernverpflichteten Nachwuchses, Jahrgang 2001, die gefühlte Grundstimmung schwankt zwischen äußerst wissbegierig und forsch über relativ benommen - erwartungsvoll schauten einige nach dem versprochenen Gewitter, das Abkühlung bringen sollte - bis hin zu einigermaßen egal und der Steigerungsform scheißegal. Die Liebste sitzt mit schweißnassen Händen neben mir und schaut ein wenig verzweifelt, wir können es nicht ändern, sage ich und wer weiß, was noch so kommt, die Stühle sind mit ihrer relativ kleinen Gesäßauflage unbequem, zudem noch mit Kunstleder überzogen, bei den herrschenden Außentemperaturen nicht wirklich angenehm. Irgendwann ist die Aula randvoll, ein Großteil der Handys hoffentlich ausgeschaltet, der fröhliche Vorstellungs- und Begrüßungsreigen kann also beginnen. Ich ging natürlich davon aus, dass mindestens der Schulsenator auftreten wird, wenn nicht sogar der Regierende Bürgermeister, schließlich ist das hier eine enorm wichtige Sache für uns und für die Stadt sowieso, die ja jungen und gut gebildeten Nachwuchs unbedingt nötig hat und deshalb sollte dieser Anlass entsprechend gewürdigt werden. Stattdessen tritt eine mittel alte Dame mit Lesebrille und diesem typischen Lehrerblick - ja ich möchte mich hier hemmungslos dämliche Klischees bedienen - den Kopf leicht nach unten gebeugt, die Augen dazu leicht nach oben gestellt, so dass sie einigermaßen streng über ihre Halbbrille schauen kann, vor die Elternmasse, stellt sich als die Schulleiterin vor und ist angenehm freundlich. Es geht um Eingangsphasen, Schulprojekte, die äußerst aufwendige und dringende Renovierung der Schule, die unser gesamtes Zeitmanagement in Sekunden zunichte macht, und um vieles mehr. Alles was sie sagt, klingt irgendwie gut, ist aber größtenteils noch sehr abstrakt und schwer mit Inhalten zu füllen, deutlich zu erkennen ist für uns nur der Beginn eines völlig neuen Lebensabschnittes, denn nichts wird mehr so sein, wie es in den letzten Jahren war. Okay, das liegt in der Natur der Sache, alles fließt und damit können wir leben. Tumultartige Zustände ruft dann ein Hinweis auf ein geradezu unappetitliches Possenspiel hervor: Kaum einer der Schulanfänger hat bisher einen der begehrten Plätze in der Nachmittagsbetreuung sicher. Dieser muss nämlich im wahrsten Sinne des Wortes verdient werden, nur weiß das kaum jemand. Zunächst müssen nämlich Unterlagen X bei der Schule eingereicht werden, danach weitere Unterlagen Y bei Amt I, die einem wiederum Unterlagen Z zuschicken, die dann persönlich bei Amt II (aber nur während der Sprechzeiten) abzugeben sind, damit dann dort der entsprechende Vertrag unterschrieben werden kann. Haben Sie das verstanden? Nein? Nun, dann haben Sie auch keinen Anspruch auf ganztägige Betreuung. Ein Großteil der anwesenden Eltern möchte schreien, ein kleinerer Teil schreit und ich verstehe die Welt nicht mehr. Willkommen in der provinziellen Realität Berlins. Oder so. Später werden die einzelnen Klassen vorgestellt, die tatsächlich keine Klassen mehr sind, sondern Lerngruppen, zusammengesetzt aus Schulanfängern, Zweitklässlern und Kindern, die sich ein sogenanntes Dehnungsjahr gönnen, also nicht sitzen bleiben, sondern nur das zweite Jahr noch einmal machen. Jahrgangsübergreifendes Lernen wird das genannt und kaum einer versteht das, wir kennen doch nur Frontalunterricht nach striktem Lehrplan und am Ende eines Schuljahres müssen alle Kinder das festgelegte Ziel erreicht haben. Wer nicht, hatte Pech gehabt. Das ist nun anders, umdenken ist gefragt, für besonders ehrgeizige Elternteile dürfte das schwierig werden. Man sammelt sich in kleineren Gruppen, in einem der zwei Gruppenräume, die früher Klassenräume waren und ohne Vorwarnung fragt eine Mutter energisch, ob ihr Kind denn zum Ende des Schuljahres nun endlich lesen könne. Ich möchte sie beruhigen und behaupte, dass dann Dostojewski kein Problem mehr sei und ab der zweiten Klasse wird dann interpretiert. Die lächelnde Lehrerin kommt mir zum Glück zuvor und weist darauf hin, dass dies doch ganz vom Kind abhänge, individuelle Förderung nennt sich das, mir gefällt es, jedenfalls in der Theorie, andere sprechen von Waldorfschule und wünschen sich strikte Planwirtschaft zurück. Vielleicht auch Rohrstöcke und Karzer, so manchem ist das zuzutrauen. Die Informationsflut ist enorm. Dies ist zu besorgen und jenes und die ausgeteilten Zettel werden immer länger, Rechnungen fliegen uns um die Ohren, Essen muss ausgesucht werden, die richtige Milch, das Schreibwerk und alle möglichen Utensilien und überhaupt ist alles ganz anders als bisher. Wie einfach war doch nur das Leben in der Kita. Köpfe rauchen, draußen ziehen dunkle Wolken auf, es ist schwül und drückend, seit fast zwei Stunden werden wir mit Neuigkeiten bombardiert, das Gehirn schaltet irgendwann auf Durchzug, ich fühle mich wie gerädert, die Liebste schreibt immer noch fleißig mit. Zum Glück. Irgendwann verlassen wir fast schwebend und, trotz feucht-schwitziger Hände, Hand in Hand, um uns ein wenig zu stützen und zu halten, das inzwischen fast gänzlich eingerüstete Schulgebäude. Davor stehen immer noch Eltern diskutierend, alle wirken wie erschlagen, angestrengt, wartend auf das erlösende Gewitter und die Schuleinführungsfeier. Die Liebste ist emotional ein wenig angeschlagen, ich weise darauf hin, dass es nicht so wild werden würde, sondern bestimmt ganz toll und überhaupt interessant, später beiße ich zur Belustigung in eine leere Zigarettenpackung, wir trinken Unmengen Bier und bestellen mit schiefem Blick Schulbücher beim großen, bösen Online-Buchhändler, um irgendwann völlig erschöpft ins Bett zu fallen. Was für ein Tag, ein neuer Abschnitt, für uns alle.
Glaub mir, richtig "lustig" wird es, wenn es mal in die weiterführende Schule geht. Da werden dann Elternstammtische eingerichtet, weil sich irgendwo irgendein Kid mal besoffen hat. Elternabende dauern etwa 2einhalb Stunden und am Ende geht es darum, dass die kleine Laura so introvertiert ist. Aber letzten Endes ist so ein Schulbesuch doch ganz köstlich. Vor allem dann, wenn man nicht ganz friedlich mit der Institution geschieden ist und wenn man es mit Lehrpersonal zu tun hat, die man früher ordentlich platt gemacht hätte....(nein, früher war nicht alles besser....) >> Kommentieren Spamming the backlinks is useless. They are embedded JavaScript and they are not indexed by Google. |
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