Kolja und die Russischschule "Bufflon....Bufflon....Herr Bufflon?" "Ja? Sorry, war grad mit den Füßen im Pool." "Urlaub is noch nicht. Hören Se mal lieber dem da zu, der erzählt wat vom Pferd." Das stimmt, erzählte er, total enthusiastisch, war aber kein schlechtes Pferd, so insgesamt, alle haben genickt und ich auch und mitgeredet und gleichzeitig ne tolle Strategie ausgedacht, für die Pferde, die dann aber mündlich noch nicht so richtig auf den Punkt gebracht. Bin eben kein Wunderkind, kann zwar viel schreiben, aber nicht so viel reden und das liegt nicht nur an meiner für Dauerreden ungeeigneten Stimme. Aber dafür hab ich ja zehn Finger. Gleichzeitig dachte ich auch ans Bloggen, ich träumte ja vor kurzem, dass ich wie ein Wilder durch die Gegend gerannt bin, auf der Suche nach nem Gesicht und der Große hat mir dann eins auf dem Spielplatz gezeigt, aber war ja nur nen Traum. Beim Denken dachte ich so, ob ich nun erzählen sollte, dass ich Klassenclown war und sechs Mal sitzen geblieben bin und mich trotzdem immer noch durchgewurschtelt habe, aber das ist ja die unglaubwürdige Version. Die andere gibts hier.
Im Prinzip geht es hier nicht um Wladimir, sondern eher um Kolja und ob ich ein Streber war, weiß ich nicht. Bildung an sich war bei uns allerdings immer schon ein Riesenthema, Lehrereltern bilden nicht nur, sie prägen auch. Trotzdem hab ich sie immer noch unheimlich gern. Darum soll es hier allerdings nicht gehen, sondern um die absolut unwichtige Tatsache, dass ich in der zweiten Klasse plötzlich für eine Art A-Schüler gehalten wurde, immer diese Elitendinger, die Betroffenen können sich da auch kaum gegen wehren, schon gar nicht in der zweiten Klasse. Irgendjemand, ich weiß gar nicht mehr wer, war der Meinung, ich hätte ein Talent für Sprachen und deswegen durfte ich ab der dritten Klasse, so richtig elitenmäßig mit fein ausgesiebten Minischülern, Russisch lernen. Mit hoch technisiertem Sprachkabinett, Kopfhörer Marke "RFT" und mit Mikro, heute sagt man wohl Headset dazu, damals war das nur schwer und schwitzig am Ohr. Dazu gehörte noch eine muttersprachliche Lehrerin, klein, mit Piepsstimme, pervers süßen Parfüm und dick geschminkt, ja, das ist die Wahrheit und kein Klischee. Wir waren r-Schüler, Klasse 3r und so weiter, und als A-Schüler, wenn auch ungewollt, hat man plötzlich Probleme, die vorher nicht da waren. "Hey, ihr seid doch die Russen. Penner." So wurde man schon morgens auf dem Hof begrüßt, wobei ich mich immer noch frage, was daran jetzt die Beschimpfung war, Penner vielleicht, und landete mit den entsprechenden Leuten später auch noch im Sandkasten, steckte sich gegenseitig die Köpfe in den Sand und beschimpfte sich. Aber das soll hier keine Jammerstunde werden, sondern eine eher lustige Anekdote, ein Anekdötchen, und deshalb erzähle ich auch nicht, dass mein ominöses Talent für Sprachen sich wahrscheinlich nur auf Russisch und Englisch beschränkte und deshalb mir meine Französisch-Lehrerin am Ende nur noch kopfschüttelnd ein "schwach ausreichend" an den Kopf knallte und in meinem letzen regulären Zeugnis die Summe der beiden Noten für eben diese beiden Sprache die Note in Deutsch ergaben. Warum schreib ich eigentlich nicht auf Russisch? Als elitärer Russischprofischüler musste man aber nicht nur unter Nachteilen wie der Schmähung durch ehemalige Mitschüler leiden, man hatte auch dufte Erlebnisse. Nicht unbedingt mit dem obligatorischen Briefreund, ich weiß bis heute nicht, wie der an meine Adresse gekommen ist, da mitten in Sibirien, der ab und an langweiliges Zeug in gebrochenem Deutsch schrieb und dem ich langweiliges Zeug in gebrochenem Russisch zurück schrieb, beide wohl mit dem Hintergedanken "Darauf hab ich eh kein Bock, warum haben die mir keine Adresse von ner schicken Schnalle gegeben?" Zu den Highlights gehörte wohl ein Besuch einer russischen, äh nein sowjetischen, eigentlich haben wir ja Sowjetisch gelernt, Schule in Karlshorst, da war die "Rote Armee" stationiert, komische Männer in olivgrüner Uniform mit riesengroßen Tellermützen, damals fand ich das noch toll, da war ich auch noch Militarist. Wir besuchten diese Schule also, versprachen uns, glaube ich, unwahrscheinlich fruchtbare Diskussionen über die Traditionen ostdeutscher und sowjetischer Pioniere, Timur und sein Trupp und vielleicht auch Lenin. Vielleicht wollten wir uns aber auch einfach nur beschnuppern. Genau, wir beschnupperten uns. Lächeln, lachen, radebrechen, alles nicht so lustig wie vorher gedacht, Hauptsache das Halstuch saß richtig. Irgendwann bildeten sich Grüppchen, russische, nein sowjetische, Schüler in der eine Ecke, deutsche in der anderen, tolle Völkerverständigung, die Gründe dafür kenne ich nicht mehr und beiße mir heute noch in den Allerwertesten, weil ich mich damals herdentiermäßig zurückhielt und nicht die hübsche Nina oder wie die hieß, angesprochen habe. Knutschen als Völkerverständigung hat ja irgendwie schon immer funktioniert, auch später im Ferienlager. Stattdessen ging ich gelangweilt aufs Klo und traf dort Kolja. Jedenfalls glaube ich, dass er so hieß. War schon lustig, wie wir dort standen, am Pinkelbecken der russichen, nein sowjetischen, Schule und gegenseitig und arglistig unsere Piepmätze beäugten. Strullern, abschütteln, na mehr brauchen wir hier nicht erklären, und beim Hände waschen grinse ich ihn an, vielleicht auch in der Hoffnung, ein klitzekleines Gespräch hinzubekommen. Völkerverständigung, alles klar? Und Kolja, der alte Miesepeter, was macht der? Schaut mich rotzfrech an und sagt: "Du deutsches Schwein." Ja, nein. Was soll man da sagen? Ich mache ihm heute immer noch keinen Vorwurf, schließlich habe ich die gleichen Filme gesehen wie er (kennt noch jemand "Die Befreiung", da wären wir wieder bei Bildungshaushalt und so). Aber daran dachte ich damals gar nicht. Ich war einfach nur verblüfft. Hatte der jetzt irgendeinen minimalen Größenunterschied zwischen unseren vorpubertären Piepmätzen erkannt? Hatte ich mir vielleicht die Hände nicht gründlich genug gewaschen? Was hatte ich ihm nur getan? Ich war nur irgendwie ähem beleidigt, gekränkt. Gesagt hab ich allerdings nichts, auch nicht mehr die Nina angeschaut, eigentlich wollte ich nur noch weg. Dann lieber von den Säcken aus der Normalo-Klasse verprügeln lassen, da wusste ich wenigsten warum. Eine Moral gibts hier übrigens nicht. Unsere russischen Nachbarn find ich übrigens nett, die werden auch oft mal von ihren Kindern angemault, weil die lieber Deutsch sprechen wollen und letztens traf ich ein Mädel aus unserem Kindergarten, natürlich auf dem Spielplatz und der Opa radebrachte mir ins Ohr, dass sie es total doof in Deutschland findet und eigentlich wieder zurück nach Hause will. Aber den Kleinen, der ist bei ihr in der Nachbargruppe, den findet sie süß. Leider reichen meine Sprachkenntnisse nur noch für ein einfaches "dostoprimetschatelnostij", sonst hätte ich ihr Deutschland vielleicht doch noch ein bisschen sympathischer gemacht. Grossartig!!! Grossartig!!! Grossartig!!!
Ich teile deine Erfahrungen. Ähm, ich war zwar auch mal hochbegabt, so in der dritten Klasse, aber das hat sich gelegt. Ich habe meine Nina angesprochen, da war ich Zwölf und in Polen zum Schüleraustausch und ich kann heute und hier behaupten, auch mit Halstuch kann man knutschen und die Männlichkeit leidet kein Stück. Warst Du denn auch im Pionierpark und bist mit der albernen Bahn gefahren? Da traf ich nämlich auch ne Minka? oder so. Auch ne schöne Geschichte. Vielen Dank mein lieber Büffel, dass du mich mal wieder für zwei Minuten in die Vergangenheit geschuppst hast und das meine ich fröhlich;-)
Da fällt mir die eine Geschichte ein, Ferienlager im Riesengebirge, "Die Ärzte" waren grad undergroundmäßig in und ich tanz zu Modern Talking. Noch mal 2 Minuten Vergangenheit. ;-)
"Die Ärzte" im Bildungslager für politische Bildung und sie spielten Die fette Elke von nem Sternkassettenrecorder und das Band leierte aber Gott was waren wir cool, vor allem den Jüngeren gegenüber. Und dann sahen wir alle aus wie Robert Smith und die Lütten ham uns gefragt, ob sie sich auch so ein weisses Hemd kaufen dürfen, Hach Zeiten waren das. Und ich hör mich an wie mein Opa;-)
>> Kommentieren bluetenstaub (10.08.06, 01:05) (link)
Was? Mit so einsilbigen Kommentaren (bis auf wusste) kann ich nix anfangen.
Entschuldigung, wird dem Beitrag wirklich nicht gerecht, Sie haben ja recht. Ich hab' laut gedacht...
Jetzt hab ich "hab' laut gelacht" gelesen und mich gefreut. Das andere will ich dir allerdings auch nicht verbieten. ;-)
Meine Nachbarn von gegenüber konnten - rein theoretisch - ein deutliches Grinsen auf meinem Gesicht erkennen während ich den Kommentar schrieb. ;)
Einer oder mehrere, rein theoretisch? Rück doch mal mit der Sprache raus, sonst muss ich mir hier noch nen Gläschen einschenken und noch 26 Kommentare abwarten.
Das schadet Dir auch nicht.
Na, ich weiß nicht. Mit Quadratschädel kommt Mann immer so schlecht aus dem Bett.
Du hast doch zwei kleine Kälber, die Dich bestimmt gerne rausziehen. ;)
Heißt die Kleinen trinken auch mal gerne ein Gläschen zu viel wie der Herr Papa? ;)
>> Kommentieren cosmomente (10.08.06, 18:58) (link) *laut lachend*
"Darauf hab ich eh kein Bock, warum haben die mir keine Adresse von ner schicken Schnalle gegeben?"Hätten sie Ihnen mal die Adresse von Nina gegeben.. ;-) schöne Geschichte!..so waren die Ferienlager also aus männlicher Sicht.. endlich hatte ich muße
die geschichte zu lesen.:-) ich weiß nicht, welche passage mir am besten gefallen hat. aber die zeile mit der schnalle fand ich auch besonders seut.>> Kommentieren Spamming the backlinks is useless. They are embedded JavaScript and they are not indexed by Google. |
(geborgt bei flickr)
Online seit: 08.02.2006
Letzte Aktualisierung: 03.06.2024, 07:57 Links: ... Home ... Blogrolle (in progress) ... Themen ... Impressum ... Sammlerstücke ... Metametameta ... Blogger.de ... Spenden Archiviertes:
Suche: |
|