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Bis ans Ende der Welt

Jetzt ein Schiff besteigen, ein ehrwürdiges altes, aus dunklem Holz und drei langen Masten, mit ächzenden Planken und stinkenden Kajüten, ein paar Fässer mit Wasser darauf und ein Vitamintabletten, der neuzeitliche Spaß gegen Skorbut und kalte Winde, Schiffszwieback und Rum in großen Krügen, geflickte, graue Segel, frisch getakelt im kalten Wind, die schäumende, dunkle See drum herum, wütende Wellen brechen am Bug und in der Ferne verschwindet das Land, die Häuser, die Menschen und das ganze Tohuwabohu. Kein Bling und kein Bläng, keine Zeitung, kein Blog und auch sonst gar nichts mehr, nichts kaufen müssen und auch nichts besorgen, für diesen und jenen und auch für sich selbst, nichts, gar nichts, nur Salzwasser auf den Lippen und blutige Hände, vom Reffen der Segel im aufziehenden Sturm.
 
Mi, 28.01.2009 |  # | (722) | 11 K | Ihr Kommentar | abgelegt: melancholie


jean stubenzweig   (28.01.09, 23:38)   (link)  
Untergangsstimmung?
Wer sich in den Sturm begibt ...

Aber wahrscheinlich lediglich ein wenig Verdruß an der Welt. Ich pflege in solchen Fällen Urlaub bei den Tschuktschen zu machen. Aber das ist ja sowas ähnliches. Romantik eben, im besten Sinne: weg von jeder dieser banalen Hoffungen.


bufflon   (28.01.09, 23:50)   (link)  
Es ist, wie es ist.
Allein, diese Feststellung klingt banal, sie ist es aber überhaupt nicht. Vielleicht überfordert man sich selbst, vielleicht wird man überfordert, egal, das Gefühl einstürzender Kartenhäuser ist eben nicht schön. Nun ja, auch das wird überstanden. Alles halb so wild.

Tschuktschen? Das klingt tatsächlich romantisch, aber kalt. Erinnert mich an ein kleines Büchlein aus einer anderen Ecke, das mir in der Kindheit überreicht wurde. Da ging es um Kamtschatka, das klang auch sehr romantisch und sah so wunderbar nach "Ende der Welt" aus. Leider musste ich dieses Büchlein, wie so viele - viel zu viele - kürzlich der allgemeinen Papierverwertung übergeben, Wassereinbruch, Schimmel, schlimm. Nun ja, wenigstens habe ich all diese Bücher gelesen, das kann einem auch der Schimmel nicht nehmen.

Musik ist auch eine wärmende Therapie.


violinista   (29.01.09, 00:20)   (link)  
Musik als wärmende Therapie gegen einstürzende Kartenhäuser? Ein sehr tröstlicher Gedanke.


bufflon   (29.01.09, 08:37)   (link)  
Auf
jeden Fall. Das klappt immer.


gorillaschnitzel   (29.01.09, 11:34)   (link)  
Johnny Cash hilft immer....aber segeln? Neee, also ich wurde da mal quasi zwangsverdonnert dazu und wenn man dann 8 Stunden mit jemand an Bord ist und die nicht leiden kann: Auauauaaua, aber echt (vor allem dann, wenn der Kumpel nebendran auch noch laut ausspricht, was andere nur denken).
Und segeln ist gefährlich, richtig gefährlich:
http://de.indymedia.org/2009/01/240231.shtml


bufflon   (29.01.09, 12:10)   (link)  
Johnny Cash,
dessen CDs liegen im Auto meines Vaters und die Kindern sagen immer "Indianermusik" dazu. Dabei hörte mein Vater früher am liebsten Roger Whittaker auf langen Autofahrten, ach, ein schreckliches Kapitel meiner Jugendzeit, mit nem Trabbi fahren und Roger Whittaker hören, dazu mach ich mal nen Roadmovie. Dann lieber mit ner ollen Schaluppe vor Marokko untergehen, während irgend so ein Typ, den man nicht kennt und der auch nur nervt, einem das Ohr abkaut, ehrlich.


gorillaschnitzel   (30.01.09, 00:39)   (link)  
Also ich hab den meinen während der 90er kuriert von Boney M und Roger Whittaker....mithilfe einer sorgsam augewählten CD, die Lieder Jahr für Jahr ab 44 (sein Jahrgang) umfasste...(war übrigens auch für mich hochinteressant)


jean stubenzweig   (31.01.09, 00:15)   (link)  
Roger Whittaker
Das assoziiert leidvolle Erinnerung. Einen Bruder habe ich, der mir, als unsere Verbindung zueinander noch so intakt war, daß wir von Berlin aus zum Frühstück nach Ruhpolding fuhren, während der Fahrt nahezu pausenlos Lieder dieses Herrn vorsang. Der war für ihn der Zenit der Sangeskunst. Für mich waren das eher Klänge aus einer furchterregenden Unterwelt. In den Pausen sang er Operetten. Solches wie Vilja, oh Vilja, du Waldmägdelein.


jean stubenzweig   (29.01.09, 12:43)   (link)  
Die Tschuktschen.
Ja, seltsam. Mir sind diese ganzen Völker da oben in Nordnordost, allesamt ab rechts des Ural ungemein sympathisch. Aber woran es liegt, das kann ich nicht erklären. Genetisch bedingt kann es kaum sein, was auch äußerlich deutlich wird. Und wenn mein Vater auch im Anfangssibirischen aufgewachsen ist, so existiert doch keinerlei Abstammungsähnlichkeit.

Ja, es ist sehr kalt dort, zumindest im Winter, dreißig, vierzig, fünfzig und mehr Grad; gleichwohl eine saubere Kälte. Aber sie sind ungemein warm, diese Menschen. Vielleicht ist es das. Möglicherweise liegt es daran, daß mich vor einigen Jahren mal einige Kasachen sozusagen adoptiert, mich in ihre Familie aufgenommen haben, mit der Begründung, ich sei einer von ihnen. Aber Kasachstan liegt ja sehr viel weiter südlich und ist nach Westen hin ausgerichtet. Ich rätsle. Seit Jahren schon. Vor allem, da die Sehnsucht immer ausgeprägter wird.

Romantik? – die hat ja auch mit Wärme alleine nicht unbedingt zu tun. Jedenfalls nichts mit dem vielzitierten Kamin und dem funkelnden Rotwein auf dessen Gesims, allenfalls warme Füße und vielleicht noch einen warmen Bauch, aus dem dann das Gefühl herausquellen darf, aber hinten, im Kreuz, da ist's verdammt kalt im ach so herbeigesehnten 18. und 19. Jahrhundert (aber das wissen Sie ja alles). Jochen Gerz hat sie mal so treffend charakterisiert:

«Ich schätze die Hoffnungslosigkeit der Romantiker, die Politisiertheit der Romantiker. Ich halte Novalis für einen ausgesprochen scharfen Denker. [...] Die Romantiker waren total getrennt von ihrer Liebe, ihrer Sehnsucht, ihrem Verlangen nach Ursprung oder Zukunft, von ihrem eigenen Bewußtsein, von ihrem Programm, und ohne zu klagen und zu lamentieren und ohne sich zu verbohémisieren haben sie das ausgehalten.»


gorillaschnitzel   (30.01.09, 00:34)   (link)  
Also ich zumindest durfte bereits einer burjatischen Familienfeier in Ulan-Ude beiwohnen -halbfreiwillig- (jaaaaa, viel zu südlich für die Tschuktschen, ich weiß)....und fand das großartig....


jean stubenzweig   (30.01.09, 03:19)   (link)  
In Kasachen-Richtung
befinden wir uns allerdings damit – irgendwie kommt mir das bekannt vor. Da habe ich es schon erlebt. daß eine gepflegte und ansonsten benimmreiche junge Frau aus altem deutschen Adel aus der Flasche gesoffen hat, weil ihr das mit dem Glas zu umständlich geworden war.











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