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Wacholderbaum

Vielleicht noch ein paar Fotos für das Archiv und dann sagen alle brav "Auf Wiedersehen.", auf das man sich mal wieder sieht. Hoffentlich nicht so bald. Alles Lüge, denkt man dann. In einem Anflug von Gestaltungskraft, man selbst nennt es erst gar nicht Kunst, wie käme man nur dazu und so weiter, wird gestaltet, was das Zeug hält, ein Baum muss dann zum Beispiel herhalten, ein Wacholder, mit nach Zitrone riechenden Ästen, dick und gesund, weit ausladend und in den Himmel ragend, also schon viel zu hoch und überhaupt ganz störend. Die anderen.

Im ersten Moment nimmt er ein toskanisches Aussehen an, unten ganz kahl, in der Mitte buschig, raketenhaft in den Himmel zeigend, voller Lebenskraft, er könnte Alleen verzieren und Bilder von Sonnenuntergängen, vielleicht auch auf flickr, für die, die nicht mehr reisen wollen. Dann wird er umarmt, der Baum, es tut einem ja doch ein wenig leid, vielleicht, aber leise flüstert man zwischen die Äste: Es geht nicht anders, wir müssen uns trennen. Das arme Wesen wird dann seiner Wurzel beraubt, sie wird herausgeschnitten, ganz trocken die trockene Erde entfernt, der Ballen herausgerissen, der Baum gelegt, gefällt, es rauscht und knallt kurz, dann ist es geschehen, aber nicht vorbei.

Dort liegt er nun, streng duftend, aber sein Grün vergeht schon jetzt, er stirbt, jeder Möglichkeit der Nahrungszufuhr beraubt. Doch auch so nimmt er Platz weg, darum zerlegt man das unhandliche Ding, es liegt ja eh nur so herum, man zerschneidet es, in hundert Stücke, macht es klein, sägt mit der Säge, schneidet mit der Schere, hackt mit der Axt. Die Säge reißt, die Schere schneidet leise und hinterlässt feine Kanten, unter der Wucht der Axt splittert das Holz. Die großen Stücke werden getrocknet und dürfen im nächsten Jahr, zu Weihnachten vielleicht, die Familie ist versammelt und singt, im Kamin dann fein knacken und knuspern und lodernd dahin gehen, während die kleinen, feinen Äste, dunkelgrün und kräftig, durch ein Quetschwerk gehen, in dem sie passend gemacht werden, passend für große, dunkelblaue Leichensäcke, in denen sie gelagert werden und abtransportiert, in die Kompostieranlage. Ein anonymer Tod.

Später am Tag wird dann noch einmal das Werk bestaunt, eine leere, kahle Stelle, unbewachsen das Fleckchen Erde, beschützt vom dichten Astwerk des Wacholders, der nun nicht einmal mehr stöhnt oder knackt, der nun, in Einzelteile zerlegt, verwertet wird. Hier wird Gras wachsen, denkt man im Schweiße seines Angesichts, noch einmal an der Bierflasche nippend, oder vielleicht ein kleiner Busch oder whatever, aber irgendjemand sagte doch: Mach das weg! und so tat man das, pflichtbewusst und beflissen, warum wehren, es wächst ja doch wieder etwas nach.
 
Mo, 14.07.2008 |  # | (453) | 1 K | Ihr Kommentar | abgelegt: verstaendnisuebung



 
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