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Stayin' alive

Die ganze Zeit, während ich also Tätigkeiten nachging, zu denen mir jede Lust fehlte, zu denen mir auch scheinbar Talent, Vorstellungsvermögen, vielleicht auch Mut fehlen, diese ganze Zeit über habe ich über den Anfang eines künstlich geformten, vielleicht sogar literarisch angehauchten Text nachgedacht, den zu schreiben ich große Lust hätte. Natürlich ist der Anspruch völlig überzogen, denn zwischen der Idee A und dem Ziel Z gibt es keine gerade Verbindung, wenn es denn überhaupt eine Verbindung gibt oder zumindest geben könnte, vor allem sprachlich sollte man ja in diesen Dingen am Ball bleiben, wenn man aber nicht spricht, verliert man jedes Gefühl. Für Sprache. So hockte ich also in der Nähe des Fußbodens oder auch anderthalb Meter darüber, schaute in Abgründe, tiefe, weniger tiefe und menschliche, wurde geliebt, gemocht, gehasst und auch beschimpft und dachte doch über nichts anderes nach. Zigarette dazu und ein Bier zum Frühstück vielleicht? Nun ja.

Pack doch erst einmal ein Thema an, meinte ich zu mir, als es wieder einmal ganz spät wurde und ich vergessen hatte, dem Körper Energie zuzuführen, in welcher Form auch immer, die Sonne ging unter und auch ein paar verirrte Elstern lachten laut von der Birke gegenüber in das offene Fenster, sie hatten dem dünnen, biegsamen Bäumchen mit einem riesigen Nest eine lustige Krone aufgesetzt, ich winkte der Liebsten, so wie es womöglich die Seeleute tun, wenn sie auf große Fahrt gehen und ihre Liebste lange nicht sehen werden, so also winkte ich und verzweifelte innerlich, auch an der Wahl eines möglichen Themas. Vielleicht ist genau das die große Merkbefreiung, vielleicht sollte man mal wirklich einmal auf große Fahrt gehen, den Koffer packen und gehen, um zu sehen, dass es woanders auch nicht anders ist als hier, vielleicht ein wenig schicker oder auch hässlicher, die Abgründe, meine Damen und Herren, aber auch die luftigen Höhen, die sollten ja nicht vergessen werden, die sind doch aber alle irgendwie gleich. Vergessen.

Auf Literatur verzichten. An einem selbst, auf jeden Fall, die Bücherkiste aber bleibt. Dieses Aussortieren sollen, das ist doch reinste Qual. Dieses Buch, nun ja, es war nicht der Brüller, hat mich nicht aus den Socken gehauen, aber, nun ja, vielleicht habe ich in der Eile etwas übersehen, vielleicht fällt mir bei zweiten oder dritten Mal etwas auf oder ein, ein Verständnisbrocken, der mir zum endgültigen Verständnis noch fehlte, verstehst du, ich kann doch die Bücher nicht einfach so wieder aus der Hand geben, selbst die Stephen King Bestseller nicht, seit Jahrzehnten nicht gelesen, aber. Es gibt immer ein großes Aber. Man könnte das philosophisch ausbauen und dabei die irdischen Probleme vergessen, die an mir vorbei rauschten im Rausch, im Flug. Aber.

Und so weiter.

Weisheit des Tages: Hinterher weiß man immer alles besser als die Typen, die bereits vorher alles besser wussten.
 
Mo, 23.03.2009 |  # | (320) | 2 K | Ihr Kommentar | abgelegt: fragmente


jean stubenzweig   (23.03.09, 12:47)   (link)  
Es mag sein, daß ich (momentan?) begriffsstutzig bin oder mir das Einfühlungsvermögen fehlt, aber ich verstehe es nicht: «... vor allem sprachlich sollte man ja in diesen Dingen am Ball bleiben, wenn man aber nicht spricht, verliert man jedes Gefühl. Für Sprache.»

Dann kommt weiter unten noch: «Auf Literatur verzichten. An einem selbst ...» Da meine ich zu verstehen und muß entgegnen: Die Literatur ist man doch selbst. Es sei denn, sie gebärdet sich, ruhig oder auch wild, akademisch. Als solche wird sie möglicherweise eher bewertet, aber sie kommt meist leblos daher. Sie bietet kein Ich mehr; und sei es ein scheinbar hinzugefügtes, ein anderes. Dann sollte man tatsächlich verzichten. Im anderen Fall jedoch gibt es immer etwas aufzufüllen mit dem Erlebten und scheinbar Erfundenen. Auch oder gerade für all die anderen.


bufflon   (23.03.09, 14:17)   (link)  
So ist das, mit Fragmenten, widersprüchlich, vielleicht auch missverständlich. Dieser zitierte Satz ist eine reine Momentaufnahme, ein Gefühl, eine subjektive Wahrnehmung. Es geht vor allem darum, Gedanken in Worte zu verpacken, die so klar sind, dass sie verstanden werden können, auf den Moment bezogen schien das abhanden gekommen zu sein, für die mündliche Kommunikation gar nicht da gewesen. Da steckt dann auch so viel Meta hinter, man könnte einen Aufsatz darüber schreiben.

Ja, es mag sein, dass man selbst Literatur ist, aber was, wenn man in diesem Punkt zu Verkrampfungen neigt, sich selbst schlecht interpretiert, sich sogar verreißt und schlecht macht, wie ein alter Miesepeter ohne jegliches Selbstvertrauen, hach, das war damit gemeint. Na klar, bewerten, statt einfach machen, sich selbst mundtot machen, also doch sein lassen. Doch noch ist Hopfen und Malz nicht verloren, denke ich.










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