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"Das Quartär ging hintenüber."

So lange nichts mehr eingehackt, in meine ganz persönliche Kladde, zu der allerdings niemand mehr Kladde sage würde, das ist so schrecklich Analog und Zeitvergessen, nein, heute sagt man Weblog und das daily diary (top secret) ist eine schnöde Word-Datei, die auch mit open office bewirtschaftet werden kann. Oder google-docs. Unterwegs, zum Beispiel. Aber wer macht das schon? Ich nicht. Ich stehe an der Straßenbahnhaltestelle, wundere mich über dieses und jenes, schreibe gedanklich einen Berlinverriss, der ja doch eigentlich eine negative Liebeserklärung ist, aber gar keine Hasserklärung, Hass ist doch so eine ungemütliche, merkbefreite Emotion, Hass ist etwas, das der Mensch sich nicht leisten sollte. Wie Liebe macht auch Hass blind und kaputt, nein, nein, das wird kein Plädoyer für die allgemeine Durchschnittsanpassung, nur sollte man ab und zu beiseite treten und auch mal in den Spiegel schauen.

Berlin ist ein Loch. Hier ist so viel kaputt, das kaum noch etwas ganz ist. Man kommt an, wenn man mal weg war, und hat sofort das Gefühl, sich eine Zigarette anstecken zu müssen. Nur leider fährt der Bus sofort, wartet nicht und der Fahrer grantelt natürlich schon und drückt dann auf die Tube, so dass man mit Gepäck und Handy am Ohr durch den Bus purzelt: Könnense sich nich festhalten, ey? Die S-Bahn ist voll, neben mir ein Pärchen, leiser Streit. Haha, lustig, denke ich und verstecke mich hinter meinem Magazin, während sie traurig kuckt und er, nun ja, ist eingeschnappt. Man spricht eine Sprache, die nur auf dem zweiten Blick mit der deutschen Sprache etwas zu tun haben könnte, aber nein, nein, dies hier ist doch nicht das Feuilleton der FAZ, hier wird doch nicht über den Verfall unserer schönen, schönen Muttersprache gejammert, diese Form von Nationalismus erspare ich mir. Nö. Berlin ist ein Loch und ich muss mich tiefer hinter mein Magazin verziehen, denn er erzählt ihr gerade, dass es ihn einfach so überkam, ja, ja, mit dieser Dings, na, wie hieß sie noch mal, na ja, egal, ha ha, denke ich, so war das natürlich, damals, da überkam es einen eben und dann konnte man für nichts mehr garantieren. Der werdende Mann als Tier, der animalische Instinkt der Pubertierenden, wuff, wuff. Stilles Lachen. Am S-Bahnhof Sowieso randaliert ein besoffener Bauarbeiter, er möchte Zigaretten vom schmuggelnden Vietnamesen, der „nich ausm Knick kommt“ und gleich wird er ihm „uffe Fresse haun“, am neuen Riesenhotel, das demnächst auch nur zur Hälfte ausgebucht sein wird, bauen immer noch eifrige Helferlein, Termine, Termine, Termine, höre ich es im Hintergrund, im Fitnesstudio gegenüber wird geworkoutet, hier gibt es die Fitnessflatrate für den starken Körperbau, danach Flatratesaufen für die Merkbefreiten und danach Komaflatrate in der Notaufnahme, wobei die ganze Stadt doch eine Notaufnahme ist, für die extra Kreativen, für die Macher, für die Zugezogenen, für die Nichtwegzieher, für die Verlierer, für die Stinknormalos, für dich, für mich, für uns, einmal bitte alle an den Tropf legen.

Und jetzt natürlich noch einen Krisen-Einwurf. Dann ist Schluss. Für heute.

Die Welt nicht mehr verstehen und dann hören, wie einer fragt, warum kein Mensch etwas unternimmt. Ja, meine Güte, was denn? Aber nein, gesucht wird doch nicht der ultimative Handlungsleitfaden, gesucht werden Vorschläge die zu diskutieren wären, also in erster Linie gar nicht Ablehnung, sonder etwas Konstruktives. Hört man aber selten. Die einen geben die apokalyptischen Reiter und prophezeien den Weltuntergang (wenn sie es doch wenigstens lyrisch täten), die anderen sehen schon wieder den ultimativen Silberstreif am Horizont und man selbst steht dazwischen und fragt: Ja, was denn nun? Werden wir zurück katapultiert in die Steinzeit? Sollte ich mir vorsorglich schon eine Höhle sichern, ein paar Faustkeile hauen und jede Menge Dosen horten? Ich meine, ich habe doch gar kein Geld, das ich in die Schweiz fahren könnte, um es zu schützen, vor wem auch immer. Oder schnell mal noch etwas investieren? Pelzindustrie vielleicht, Höhlenbewohner geben doch einen Scheiß auf die nackten Celebrities von Peta, die wollen in erster Linie nicht frieren. Nun, vielleicht ist Geld verdienen eben doch nicht alles. Nur so ein kleiner Gedanke. Ein Minimalgedanke. Wird man sich doch mal leisten können, oder?

Textuell könnte man noch durch noch viel weitere Weiten wandern, mäandern, wollte ich schon immer mal schreiben, allerdings gibt es andere Dinge zu tun, die frustrieren, auslaugen und auch ein paar Tränen waren schon dabei, aber das erzähle ich vielleicht ein anderes Mal.

[Überschrift: G. Benn, Der Ptolemäer]
 
Fr, 06.03.2009 |  # | (448) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: reality blogging



 
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