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Cats and Dogs

"Katzen? Hunde? Scheiße? Schon den ganzen Tag regnet es dieses infernalische Grau vom Himmel und gestern auch schon und vorgestern. Verdammter Mist."

Win saß auf seinem Bürostuhl, eher lag er, die Beine hatte er auf dem Fensterbrett abgelegt, kaute nervös am Bleistift, murmelte vor sich hin und schaute dabei durch das mit Regentropfen übersäte Fenster seines Büros in den verregneten Himmel. Wo blieb die verdammte Sonne? Warum schneite es nicht wie verrückt? Schneestürme sollten das Land einwickeln, Ausnahmezustände sollten erklärt werden, ein paar handfeste Stromausfälle wären auch nicht schlecht. Massenpanik, Katastrophenalarm, Jahrhundertwinter, da muss doch mal Bewegung rein. Aber nein, alles versinkt in dieser mittelmäßigen, grauen Masse, die Welt steht am Abgrund.

"Win, es sieht wirklich schlecht für uns aus."

Na, die hatte gut reden. Es sieht beschissen aus, hatte er im Stillen gedacht, als die Chefin heute morgen mit sorgenvoller Miene in der Tür stand. Aber so ohne pc darf man das ja nicht sagen, wer weiß, welche bösen Geister man mit dieser unbequemen Wahrheit rief, Geister, die man später nicht mehr los würde, Heuschreckenplagen lauerten an jeder Ecke. Aber waren die nicht schon längst da? Die Heuschrecken? Saßen die nicht gerade im conference room und bekakelten mit der Chefin Dinge, von denen, wenn man es genau betrachtete, nur einer wirklich Ahnung hatte und das war er? Ja: Bei Kaffee und Gebäck saßen sie dort, in einem überhitzten Raum, mit zugezogenen Fenstern, eingetaucht in sprödes Neonlicht bewarfen sie sich mit leeren Worthülsen, tauschten ihr Unwissen oder noch schlimmer: ihr Halbwissen aus, der ganze Raum erfüllt von hohlen Wortgebirgen, Dummheit waberte durch die stickige Luft, erdrückend, und im Prinzip ging es doch nur um eine Sache, um etwas, von dem nur er etwas verstand: Geld. Wenn es um Kohle ging, konnte hier niemand Spaß verstehen, vor allem nicht Win und deshalb konnte er nicht verstehen, dass sie ihn bei der ganzen Geschichte außen vor ließen, gerade ihn, der doch genau wusste, wie der Hase läuft, welche Hebel man in Bewegung setzen musste, um den Springbrunnen wieder zum Laufen, die Oase wieder zum Erblühen zu bringen. Und nachher kommen sie wieder alle an, ja, schreiben seitenlange Mails, voller Vermutungen und Behauptungen oder sie rufen an und kauen einem das Ohr ab, stellen Fragen, deren Antworten schon längst feststehen, reden, reden, reden, bis zum Erbrechen. So war das schon immer hier.

"Liz, Baby, hast du Zeit für mich? Komm, wir treffen uns nachher und dann machen wir einen drauf, nur du und ich."

Natürlich hatte sie keine Zeit. Er nahm es ihr nicht krumm, nein, allerdings hatte in letzter Zeit eine Menge Leute keine Zeit mehr für ihn. So ist das heute wohl. Man malocht sich die Seele aus dem Leib und alles andere bleibt auf der Strecke. Haben Sie schon eine Riester-Rente? Brauchen Sie auch gar nicht, Sie sind schon vorher tot oder können am Ende nur mit irgendeiner staatlichen Hilfe leben oder besser: Überleben. Irgendwie. Win holte eine Zigarette aus der Schachtel, die in der Brusttasche seines Hemdes steckte, und wollte sie sich anzünden. Ach, stimmt ja, fiel ihm ein, auch das war ja inzwischen verboten. Am Ende verbieten sie einem noch das Furzen im Büro, das schädigt bekanntlich das Raumklima, Furzen ist überhaupt unglaublich schädlich, macht das Weltklima kaputt, es sollte gleich ganz verboten werden. In jeden Lebensbereich wollen sie eingreifen, alles soll staatlich geregelt werden, Freiheiten werden unter fadenscheinigen Argumenten eingeschränkt, am Ende ist man nicht mehr Herr seiner selbst, wo ist denn da noch der Unterschied zur Diktatur?

Man sollte etwas auf die Beine stellen, dachte sich Win, schüttelte aber gleich wieder den Kopf, ja, was denn auch? Banküberfälle, Entführungen von Kindern bekannter Großindustrieller, Schmuggel, die gute, alte Kriminalität, das machen doch nur noch die Dummen. Die schlauen Füchse hacken sich mit Viren oder Trojanern irgendwo ein, erleichtern Banken um Milliarden und sitzen dabei in irgendeiner abgefuckten Kaschemme in der hinterletzten Provinz, lachen sich ins Fäustchen und verschwinden irgendwo im Datennirvana, unauffindbar. Scheiße, ist das schlecht. Mit unsicheren Fingern fischte er sein Handy aus der Hosentasche und blätterte im Telefonbuch. Wen konnte er denn überhaupt noch anrufen? Mit wem konnte man noch was aufstellen? JJ. Ja, jam ja. Der konnte Geschichten erzählen, der alte Penner. Geht regelmäßig in eine alte Nazikneipe, nur um sich mit den Idioten anzulegen, ja, mit dem konnte man noch was erleben. JJ, dachte Win, den werde ich anrufen, da geht noch was.
 
Mi, 30.01.2008 |  # | (1134) | 2 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Schreib mal wieder


c17h19no3   (31.01.08, 13:08)   (link)  
hey... es geht weiter! wieder ein neuer grund, sich über die existenz von blogger.de zu freuen. nicht mal ein buch laufen muss man dafür.


bufflon   (31.01.08, 16:15)   (link)  
Und
hey, ich dachte, mal wieder, na, du weißt schon. Ich nenne es auch gern "lose Sammlung".











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Letzte Aktualisierung: 02.04.2024, 15:05


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